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LichtundSchatten

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Insgesamt 313 Bewertungen
Bewertung vom 10.12.2024
Die Kommunistin
Mai, Klaus-Rüdiger

Die Kommunistin


ausgezeichnet

Klaus-Rüdiger Mai gelingt eine höchst lesbare, spannende Annäherung an ein wundersames Phänomen unserer Zeit.

Rhetorik ist nahezu alles, was ein Politiker braucht. Davon hat Sahra eine ganze Menge. Sie bleibt immer ruhig und sachlich, überlegt und cool. Sie beleidigt selten und wenn, dann passt es (dümmste Regierung).

Sahra kommt im Mercedes, ausgeruht und in sich ruhend. Sie redet höchst populistisch und oft auch beleidigend direkt. Sie überzeugt und suggeriert, von Vielem das Meiste zu verstehen.

Kommunismus und Kapitalismus - heute kein Problem mehr, alles ist möglich. Sahra Wagenknecht schafft auch das, ihre Mitarbeiter hebeln ihr das tägliche Übel vom Hals und sie dirigiert.

Warum nicht - mir wäre sie 1000 mal lieber als alle Grünen und sonstigen Linken, die aktuell meinen, etwas beitragen zu müssen.

Eine pragmatische Kommunistin, die Kapital, Karosserien und Einnahmen schätzt und alles mit Worten hindeichselt, was andere nicht mal denken können.

Bewertung vom 04.12.2024
Die Ära Milei
Bagus, Philipp

Die Ära Milei


ausgezeichnet

Super spannend, wie Javier Milei Präsident von Argentinien wurde. Über Jahrzehnte hatten sich in diesem Land seine Vorgänger das Land unter den Nagel gerissen, Korruption praktiziert und das eigene Volk an den Rande des Ruins gebracht. Als Wahlversprechen wurde Geld gedruckt für Einmalzahlungen an Staatsdiener, Arbeitslose, Rentner, Subventionsempfänger. Die Inflation stieg ins Uferlose.

Doch Milei gewann trotzdem und wurde der erste liberal-libertäre Präsident der Welt. „Er bezeichnet sich als Anarchokapitalist und Anhänger der Österrreichischen Schule der Nationalökonomie. Milei will den Staat und seine bürokratischen Monster beseitigen, den Menschen wieder die Freiheit des Unternehmens und des Selbst zurückgeben.

Der Weg in die demokratische Knechtschaft hatte Hayek schon 1944 beschrieben und jeder Staat läuft Gefahr, in die Hände von unfähigen Politikern zu geraten oder Parteien, die weit weniger gute Entscheidungen treffen als das freie Unternehmertum. Die Jugend in Argentinien rebelliert heute mit Milei gegen den etatistischen Staat und die politische Korrektheit. Der Staat ist für sie nicht die Lösung, sondern das Problem.

Milei lässt sich von linken Meinungsmachern nicht einschüchtern und ist in der Lage, komplexe Sachverhalte auf verständliche, nachvollziehbare Weise zu erklären. Er sagt: „Liberalismus ist der uneingeschränkte Respekt des Lebensentwurfs anderer, der auf dem Grundsatz der Nichtaggression, auf dem Recht auf Leben, Freiheit und Eigentum beruht.“ Er verbreitet dieses Mantra überall und erzielt damit vor allem bei Jugendlichen phänomenale Erfolge, dieser Satz wird von ihnen immer wieder zitiert. Die in seinem Sinne freien Länder sind im Schnitt achtmal reicher als die unfreien, meist kollektivistischen Länder.

Soziale Gerechtigkeit bedeutet für Milei einer anderen Person etwas zu stehlen um es einer anderen Person zu geben. sie ist zutiefst ungerecht und führt über ihre Anreize dazu, den Wohlstand zu verringern, weil Produktivität bestraft wird. Soziale Gerechtigkeit ist ein Feigenblatt für Hass, Neid, Groll und Missgunst.

Steuern sind für Milei Diebstahl, er nennt bisherige Politiker deshalb Diebe. Der Fürsorgestaat ist die schlechteste aller Optionen. Er wird von der Kaste regiert, wie Milei die Politiker alten Schlages nennt. Freiheit ist für ihn rechts und Gleichheit links. Linke verachten Abweichungen, Unterschiede, Schichten und Hierarchien. Aber die Natur ist ungleich, Gleichheit kann nur künstlich erzeugt werden. Nur Sklaven sind gleich.

Menschen in westlichen Gesellschaften erkennen den Punkt mehr und mehr, dass nur Freiheit Wohlstand schafft, sozialistische Lügen führen in die Unfreiheit und immer zum Sklaventum, in dem zwar alle gleich sind oder sein sollen, aber niemand Freiheit atmet. Sie durchschauen die sozialistischen Lügen, die an hehre Gefühle appellieren, um niedere Instinkte zu verbergen.

In Deutschland scheint die woke Schraube ebenso überdreht wie jene des De-Growth, Arbeitsplätze und Wohlstand verschwinden, immer merkbarer für die Bevölkerung. Möglicherweise ist der Milei Erfolg auch ein Vorbote für neue Perspektiven, die auch in Deutschland kommen werden. „Es gilt, die normalen, hart arbeitenden, produktiven Menschen anzusprechen, die am meisten unter dem Staat leiden und die den Wokeismus leid sind.

Bewertung vom 04.12.2024
Im Rausch der Dekadenz
Kraus, Josef

Im Rausch der Dekadenz


ausgezeichnet

Ein höchst gelungener Zustandsbericht der Lage in Deutschland, die von durchdringender Dekadenz in nahezu allen Bereichen gekennzeichnet ist, von weltweitem Größenwahn und hochmoralischer Gelehrsamkeit anderen gegenüber.

Gegliedert in 5 Bereich (Dekadenz-Historie, Struktureller und institutioneller Verfall, Ideologische Verirrungen, Blick in 3 andere westliche Länder, Wohin am Scheideweg) liest sich das Buch wie ein Sittengemälde eines Landes, das seine besten Tage lange hinter sich hat, auf einer abschüssigen Bahn nach unten durchrutschend.

Man könnte es als Fortsetzung des Buches von Angela Merkel lesen, die in ihrer Biografie „Freiheit“ allzu beschönigend kritische Dinge außen vor gelassen hat. Außer „Wir schaffen das“ fiel ihr dazu nichts ein.

Josef Kraus beschreibt vor allem das Konzept des Islam, und hält fest: „Es ist längst überfällig, dass sich Deutschland vom radikalen, politischen Islam distanziert…Nichts geschieht gegen Kinderehen, Genitalbeschneidungen, Ehrenmorde, Verwandtenehen, Zwangsehen, Vielehen, Pascha-Gehabe in den Schulen, Missachtung von Lehrerinnen, die Befreiung muslimischer Schülerinnen vom Schwimmunterricht.“ Nur Alice Schwarzer sei eine Ausnahme, ansonsten höre man nichts von sonst lautstarken Feministinnen.

Ayan Özuguz, die Vizepräsidentin des Bundestages, argumentiert in diesem Zusammenhang so: Mit der Annullierung von Kinderehen würden diese Kinder ihre Unterhalts- und Erbansprüche verlieren.

Deutschland bzw. Europa müssten zur Tugend einer echten Bürgerlichkeit zurückkommen, die Josef Kraus ab Seite 302 beschreibt. In Punkt 3 lesen wir: „Bürgerlichkeit heißt, ideologischen Verlockungen, diesseitigen Heilsversprechen und medialen Verzerrungen kritisch, notfalls widerspenstig zu begegnen.“

Josef Kraus beschreibt am Ende Vaclav Havel, der 1983, nachdem er aus der Haft entlassen wurde, dies sagte: „Ich vertrete keine Establishment, sondern einfach die Wahrheit gegen die Lüge, die Sinnhaftigkeit gegen den Unsinn, die Gerechtigkeit gegen das Unrecht.“

Bewertung vom 16.10.2024
Der Siegeszug der Populisten
Schuler, Ralf

Der Siegeszug der Populisten


ausgezeichnet

Ralf Schuler wäre auf die Filmhochschule Babelsberg gekommen, wenn er zur NVA gegangen wäre. Er lehnte ab! Als der Springer Verlag konsequent auf die Seite von LBTQ kippte, kündigte er als Parlamentskorrespondent bei BILD. „Ich bin nicht bereit, für eine politische Bewegung, welcher Art auch immer, und unter ihrer Flagge zu arbeiten“, sagt er.

Lesenswert in diesem Buch ist schon das Vorwort von Monika Maron: „Wenn eine Regierung zwanzig bis dreißig Prozent der Wähler hinter eine Brandmauer verbannt und so vom Kampf um die Regierungsmehrheit ausschließt, stimmt etwas mit dem Demokratieverständnis nicht.“

Die AfD wurde vom Start an als illegitimer Feind unter Naziverdacht gestellt, von den sogenannten demokratischen Partei mit Verachtung gestraft. „Dieser undemokratische Umgang hat an der Radikalisierung der AfD einen entscheidenden Anteil.“ (Monika Maron)

Ganz anders Ralf Schuler. „Mit seiner unaufgeregten Art fragt er ohne zu urteilen, er will wissen, nicht bedrängen oder seine Gesprächspartner in verbale Fallen locken.“ Monika Maron gelingt eine treffende Hinleitung zum neuen Buch von Ralf Schuler, das ich tatsächlich von der ersten bis zur letzten Seite gelesen habe.

Heute sagen die Wessis den Ossis, was Anstand und Sitte ist, welche Partei man wählen solle. „Das riecht schwer nach Volkserziehung und vertieft alte Gräben, die nie ganz zugewachsen sind.“ Die alte Mauer wurde durch die neue Brandmauer ersetzt – statt die Probleme sauber zu analysieren und zu lösen.

Dringend nötig wäre, miteinander zu streiten und nicht, eine Seite aus dem demokratische Diskurs auszuschließen. Besser als alternativlos ist in Alternativen zu denken. Und in jedem Fall besser ist es, nicht zu schlafwandeln oder an 70 Jahre Theorien zu glauben, wie dies Merkel wohl tat, nachdem sie Die Schlafwandler von Christopher Clark gelesen hatte. Sie selbst war eine von etwas Getriebene, das sie selbst nicht so klar identifizieren konnte.

Die Rückblenden Ralf Schulers und die Verbindung zu Aktuellem besticht. Das Interview von Gottlieb und von Haaren mit dem Gottseibeiuns Haider aus 2000 ist ein Lehrbeispiel. Journalisten gerieren sich als Aktivisten, die einen Gegner zerstören wollen. Noch heute sehenswert, wie souverän Jörg Haider reagiert hat und die nun wirklich nicht fröhlich lächelnde Frau von Haaren in die Defensive drängte.

In diesen Tagen kann man Ähnliches beobachten, wenn AfD Politiker mal die Gnade erhalten, in das Öffentlich Rechtliche Debattierfernsehen geladen zu werden. Solange dieses Verhalten bleibt, wächst die AfD. Die Journalisten haben nur eine Aufgabe: sich um gute Informationen für den Wähler zu kümmern, eine Meinung können sich die Wähler dann schon selbst machen.

Die Politische Landschaftspflege war unter Kohl ein Thema - gegen eine ihm entgegenstehende Presse - und heute noch viel relevanter, im Gleichschritt mit der Presse. Der grüne Graswurzelteppich wird überall ausgelegt und immer enger gewoben. „Interessant: Projekte zur Bekämpfung des Linksextremismus wurden so gut wie nie gefördert - obwohl die Zahl linker und rechter Extremisten laut Verfassungsschutz etwas gleich hoch ist.“

Dabei ist vor allem auch die Sprache interessant. Schon in der DDR wurde ein enges Netz aus Propaganda und Agitation geschaffen und Worte umgedeutet, benutzt und infiltriert, die im Sinne des Sozialismus geprägt wurden. Sprache als Herrschaftsinstrument führt heute ebenso wie in der DDR zu einem großen Unbehagen, das sich in dem Wort Populismus bündelt und durch seine häufige, diffuse Benutzung ins Gegenteil verkehrt. Menschen reagieren allergisch, wenn es ins Feld geführt wird und erkennen die Absichten.

Man könnte sagen, die Ideologie der Vielfalt fühlt sich heute umzingelt von der Wirklichkeit und findet keine entsprechenden Antworten mehr. Der Begriff Populismus richtet sich immer gegen die Gegner der Herrschenden und bewirkt eine Art Hab Acht bei den Bürgern. Warum das so ist, hat Ralf Schuler auf seine unnachahmlich sachliche Art in diesem Buch bestens herausgearbeitet. Selten habe ich so viel angestrichen bzw. Gelb hinterlegt.

Bewertung vom 11.10.2024
Frechheit
Zeller, Bernd

Frechheit


ausgezeichnet

Ein herrlicher Schelmenblick auf die Geschichte der Welt, angefangen bei Adam und Eva, endend mit dem berühmten Zettel, den Angela Merkel an Schabowski über-gab. Angela Merkel wie sie leibte, wirkte, lebte und radebrach.

Sie muss schon immer da gewesen sein und deshalb beginnt Bernd Zeller im Paradies, bei Adam und Eva, erzählt von Höhlenmalereien und die Geschichte, wie wir von den Bäumen herabgestiegen sind. Immer Angela als Treiberin des Ganzen.

Merkel gab der freien Gesellschaft nach Karl Popper (Machtwechsel durch Wahlen ermöglichen) eine völlig neue Prägung, sie konnte mit dem Zauberstab sogar Wahlen rückgängig machen, Tore weit öffnen und eine Gemeinschaft der Gleichgeströmten bilden, bei der man mit Staatsgeld noch mehr Gleichströmung erzeugen konnte.

Die Zeichnungen sind ein Erlebnis, ebenso die erklärenden Texte, ich kam aus dem Lachen nicht mehr raus. Ein tiefgehender, philosophischer Comic der Sonderklasse. Unglaublich, dass eine so kluge Frau aus dem Westen und Osten die Welt auch im Süden und Norden im Griff hatte.

Margot Honecker wäre stolz auf Angela, mir ist das völlig verständlich und niemand kann heute verstehen, warum uns diese Frau 16 Jahre lang zusetzen und schaffen konnte.

5 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.10.2024
Deutsche Dinge
Matlé, Andreas

Deutsche Dinge


ausgezeichnet

Eine Reise durch Alltagsgegenstände der jüngsten Vergangenheit, vom Kassettenrekorder bis zum e-Scooter, vom Billy Regal bis zum Lebertran. Die Dinge wurden nicht notwendigerweise in Deutschland entwickelt oder erfunden, sondern sie haben sich nachdrücklich mit unserem Leben verbunden, sie wurden hier mithin nahtlos integriert.

So zum Beispiel das Billy-Regal von Ikea, das auch mein Studentenleben begleitete. Das Duzen der Ikea Werbung kam damals radebrechend komisch daher, heute stört mich die Imitation dieser Ansprache in fast allen Lebensbereichen massiv. Alle, die mich kalt duzen, werden umgehend aus Kauferwägungen eliminiert, auch Ikea inzwischen.

Von 1949 an (Schellackplatte Capri-Fischer) und Rudi Schurickes Leben (er geriet in Vergessenheit, betrieb in München einen Waschsalon) werden pro Jahr Erinnerungen wach, die ich mit Spannung durchschritt. Tatsächlich kannte ich den Henkelmann noch, mit dem man die frische Milch bei der Bäuerin in der Nähe holte.

Aber auch das Mittagessen wurde von Kindern im Henkelmann an ihre Väter (noch warm) in die Fabrik gebracht oder von diesen morgens schon mitgenommen. „Mit der Zeit boten größere Betriebe ihren Arbeitern an, ihre morgens abgegebenen Speisen in der Fabrikkantine zu erwärmen.“

Später wurde Essen dann in immer mehr Kantinen angeboten und Andreas Malté erwähnt die Spiegel Kantine in ihren unnachahmlichen Farben und Objekten. Sie verursachen bei Besuchern wohl oft „Aquaplaning im Auge“. Seit dem Umzug der Kantine 2011 steht diese Kantine im Museum. „Ein Novum, fristet doch kaum eine Kantine ihren Ruhestand in einem Museum.“

Heute steht die alte Spiegel Kantine im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe. Das Buch „Die Spiegel-Kantine“ (von Ina Grätz) dokumentiert die Geschichte dieser begehbaren Stilikone. Eine Frage zum Rätseln: welches Auto wurde früher Henkelmann genannt?

Die nach Jahren geordneten Dinge sind in diesem Buch Zugriffspunkte, anhand derer die deutsche Geschichte entfaltet und in ihren Alltagswirkungen über einen längeren Zeitraum vermittelt wird. So wurde der Lebertran (1951) abgelöst durch den leichter einnehmbaren Sirup „Multi-Sanostol“, das kindgerechte Multi-Vitamin-Präparat für die Aufbaujahre. Viele hören die Werbung noch: „Wenn ein Kind lustlos ist, wenig Appetit hat und oft erkältet ist, braucht es Multi-Sanostol.“

Das Ampelmännchen (hier eingeordnet in 1990) wurde von Karl Peglau 1961 erfunden, mit Knollennase und Bauchansatz bzw. mit einem Strohhut bedeckt, den Karl Peglau bei Erich Honecker gesehen hatte. Heute ist dies die zentrale Idee einer Nostalgie, weltweit vermarktet mit vielen Produkten, auch in Ampelännchen-Shops in Tokio und Seoul.

Spannend, lehrreich Hintergründe aus der nahen Vergangenheit - ein Immer-Wieder-Lesbares Buch, insbesondere auch für Diskussionen, Treffen mit Freunden. In jedem Fall besser, als irgend eine Serie im TV/Stream anzuschauen.

Bewertung vom 06.10.2024
Retter in dunkler Zeit
Littek, Frank

Retter in dunkler Zeit


ausgezeichnet

In der Einleitung des Buches werden das Milgram und das Wellen Experiment erwähnt. Beide sagen, dass der Mensch unter großem Gruppendruck Dinge macht, die ihm diktatorisch aufgezwungen werden, unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Nation oder Kultur. Die Frage bliebe, ob es in Nationen / Kulturen gewisse Tendenzen gibt, der Obrigkeit mehr zu folgen als in anderen.

Es gab und gibt sie zu allen Zeiten, an allen Orten. Gerechte, hilfsbereite Menschen, die Verfolgten Schutz bieten und weiterhelfen. So auch in Deutschland. „In den meisten Fällen geschah das, in dem die Retter Juden vor dem Zugriff von Gestapo und SS versteckten und mit Lebensmitteln versorgten.“ Die in diesem Buch erzählten Geschichten zeugen von Mut und Kreativität, ihre Helden werden heute unter dem Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“ in der Gedenkstätte Yad Vashem in Erinnerung gebracht. 651 Deutsche wurden bisher ausgezeichnet.

In der Tat stünde es Deutschland gut an, diese Retter sehr viel stärker zu ehren als dies bislang geschehen ist. Pro Tag lese ich eine Geschichte, eine Biografie, um zu erkennen, was Menschsein und Anteilnahme ausmacht. Hier werden mutige Personen beschrieben, die sich für anderen einsetzten, in größter Not nicht abseits standen.

Ein besonderes Versteck war in Lenggries / Oberbayern. Retter war der örtliche Polizeichef Paul Mayer, der Juden im Gebäude der Polizeistation versteckte. Zusammen mit seiner Frau Rosa Mayer beschützte er dort die jüdische Ärztin Sophie Mayer. Maria Letnar, die Schwester von Rosa Mayer lernte die Ärztin im Englischen Garten in München kennen und vermittelte die Polizeistation in Lenggries bzw. die Familie Mayer. Dr. Sophie Mayer lebte dort drei Jahre!! in der Dienstwohnung, die sich direkt über dem Polizeirevier befand. Der amerikanische Kommandeur stellte den Offizieren Sophie Mayer mit den Worten vor, sie habe sich direkt vor der Nase der Gestapo versteckt.

Aus jeder Geschichte bzw. den Namen, die in diesem Buch erwähnt werden, könnte man vermutlich einen Roman entwickeln. Verzweiflung, Mut und Hilfe sind trotz allem nahe beieinander, sie sind Züge des Menschlichen in finsterer Zeit, es kommt immer darauf an, was wir daraus machen. Wichtig ist immer, miteinander zu reden, so wie dies Maria Letnar im Englischen Garten in München mit der Ärztin Dr. Sophie Mayer tat. Nicht alle sind ideologisch verblendet und vermutlich erkennt man diese Menschen, wenn man ihnen in die Augen und das Herz schaut.

Max Nagler in Krakau, ein Postangestellter, rettete 6 Menschen vor dem Zugriff der Nazis, in dem er sie 3 Jahre bei sich in der Wohnung aufnahm, er wurde von den Russen im Mai 1945 trotzdem verhaftet und blieb bis 1949 in Kriegsgefangenschaft. Er starb 1996, seine Anerkennung als Gerechter unter den Völkern wurde 2015 erklärt. Die Berichte sind kurz und ergreifend, ich lese in diesem Buch immer wieder.

Bewertung vom 01.10.2024
Anschluss verpasst!
König, Johann-Günther

Anschluss verpasst!


ausgezeichnet

Nach dem ersten Weltkrieg mussten die Reparationszahlungen an die Siegermächte zu großen Teilen von der Deutschen Bahn getragen werden. Und auch nach dem zweiten. Die Bahn und ihre Instandsetzung leiden bis heute darunter. Aufgewachsen bin ich in Hörweite zu einem Dampflok-Schuppen, dessen Geräusche mir als Kind aufstehen signalisierten, um in 15 Minuten in den Zug zur Schule einzusteigen (20km entfernt). Das Rattern ist mir bis heute noch im Ohr, trotzdem bin ich später eher wenig Bahn gefahren.

Die entscheidende Rolle spielt in Deutschland der SchienenNahverkehr, ihn nutzen 95% der Bahnfahrer, so wie ich damals. Der Fernverkehr hat einen Anteil von 5%. Bis 2030 will die Bahn 4000 km Strecken generalsanierten, die dann für fünf Monate und länger gesperrt sein werden.

Wie hoch sind die Chancen, dass Deutschland endlich dem klimafreundlichsten Fortbewegungsmittel jene Qualität wiederbringt, die dem gewohnten deutschen Qualitätsanspruch entsprechen? Darum geht es in diesem Buch, das die Strategie der DB und ihre Geschichte analysiert und in seinen Einzelteilen erklärt.

Der altersbedingte Nachholbedarf für Instandsetzungen der Bahn wurde 2023 auf 103,4 Milliarden Euro beziffert, etwas mehr als die Hälfte davon alleine für die Brückensanierung. Die Carola Brücke in Dresden lässt grüßen.

Sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene wurde eine Privatisierung der Bahnen vorangetrieben, allerdings nicht mit entsprechenden Erfolgen. In Baden-Württemberg wird aktuell über eine Zwangsabgabe für den öffentliche Personennahverkehr diskutiert inkl. Zurückdrängen und Kontrolle von Autos im öffentlichen Raum.

2022 betrug der Anteil des motorisierten Individualverkehrs 81%, der des Schienenpersonennahverkehrs nur 9%. Wer auf dem Land wohnt ist mehr mit dem Auto unterwegs, der Städter mit Bahn und Bus. Die Treibhausgasemissionen sollen von 1994 bis 2050 um 95% gesenkt werden. Dafür braucht die Schiene den absoluten Vorrang. Seit der Bahnreform von 1994 hat sich die Eisenbahnnutzung jedoch kaum erhöht. Die Bahn verdient zudem kein Geld im freien Wettbewerb, es bleibt ein staatliches Zuschussgeschäft.

Es scheint richtig, dass die Bahn ihre Vielzahl von unproduktiven Untergesellschaften wieder abbaut und ihre privaten Absichten in eine gemeinwohl-orientiertes Unternehmen überführt. Die Schweiz lässt grüßen. „Pendelnde Fahrgäste und Reisende, die sich einen Pünktlichkeit auf die Minute erhoffen, sollten daher besser mit einem Umzug in die Schweiz liebäugeln, denn deren Eisenbahnen sind hinsichtlich Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Sauberkeit vorbildlich.“

Stuttgart 21 habe ich erlebt und kann Herrn König zu dem beschriebenen Desaster nur zustimmen. Es ist ein Flop ersten Grades, dessen aktueller Sach- und Schuldenstand vom Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 gut zusammengefast wird. Heute klagt die Bahn gegen das Land BW, um die gestiegenen Kosten zurückzuholen. Klagen und Anwaltskosten sind vorprogrammiert. „Auffällig ist im Übrigen, dass der Finanzierungsvertrag für das Riesenprojekt S21 ungewöhnlich vage gestaltet ist.“

Die Beschreibungen und Schlussfolgerungen (20 Kapitel) von Johann-Günther König sind höchst lesenswert und waren für mich als WenigBahnReisenden sehr aufschlussreich. Eine Fülle von Formulierungen und Daten habe ich mir rausgeschrieben und kann den 7 Optimierungspunkten am Ende des Buches nur zustimmen. Besonders interessiert wäre ich an den Nachtzug-Angeboten, die wieder kommen sollten. Und wie schön wäre es, wenn verfallende Bahnhöfe wieder zu attraktiven Zugängen zur Bahn umgestaltet würden.
Bis dorthin blickt man auf verfallende, funktionslose Steinhüllen, die gar keine oder keine angemessenen Toilettenanlagen aufweisen.

Bewertung vom 20.09.2024
Im Grunde gut
Bregman, Rutger

Im Grunde gut


ausgezeichnet

"Only bad news are good news". Wer dieser leider zutreffenden Aussage in den Medien ausweichen möchte - und man sollte das dringend tun - ist mit diesem Buch an einer höchst spannenden Adresse gelandet. Alleine die Erklärungen über das Buch "Herr der Fliegen" ist es wert, den Gedanken des Autors zu folgen. Ich habe es inzwischen mehrfach gehört und bin begeistert.

Bewertung vom 19.09.2024
Die einsame Buchhändlerin von Tokio
Hanada, Nanako

Die einsame Buchhändlerin von Tokio


ausgezeichnet

Fast alle Bücher, die wiederum von Büchern oder Buchhandlungen, gerne auch Verlagen handeln, lese ich. So also war auch dieser Roman nicht Pflicht, sondern mitten in meinem Kern-Interesse als Buchliebhaber.

Nanako Hanada, eine Buchhändlerin, hat sich von ihrem Mann getrennt und verabredet sich auf der Plattform ThirtyMinutes (Erfindung) mit unbekannten Menschen. Ziel: ein 30-minütiges Gespräch, in dem man sich kennenlernt und austauscht, die Sicht- und Denkweise von anderen kennenlernt, in hin und her fließenden, guten, hilfreichen Gesprächen. Hanako inseriert als sexy Buchhändlerin zu Beginn und verspricht jedem nach dem Gespräch eine passende Buchempfehlung.

Mit den Erfahrungen dieser Gespräche wird sie immer selbstbewusster und charakterisiert im Buch die unterschiedlichsten Gespräche, auch die Korrektur ihres Profils - weg vom üblichen, Äußeren hin zu anderen Werten. Jedes Gespräch beantwortet sie dann mit passenden, hilfreichen Buchempfehlungen.

Angeblich würde sie über 10.000 Bücher kennen, so gibt sie in ihrem Profil vor. Natürlich kann sie nicht alle gelesen haben, aber den Kern eines Buches ist etwas anderes als alle Seiten zu kennen. Leider sind viele der Bücher nicht bei uns präsent, trotzdem war es spannend alle Rezensionen und Tipps zu lesen. Dieses Buch von Nanako Hanada hat mich bereichert, gefesselt und bewegt.

Eine der Gesprächspartnerinnen sagt ihr z.B. das: „Bitte schlage mir ein Buch vor, das mir das Herz langsam auseinanderreißt.“ Ich dachte dabei an Kafka’s Aussage: „Das Buch sei die Axt für das gefrorene Meer in Dir.“ Zufriedene Menschen fand Nanako auf ThirtyMinutes nicht, sondern jene, die an einem Wendepunkt des Lebens standen oder gingen.

Ihr selbst geht es genauso und spannend ist zu beobachten, wie sie sich durch die Begegnungen verändert. „Ich lernte auch, auf das Bedürfnis zu verzichten, um jeden Preis dazugehören zu wollen. Ich ließ mein lange antrainiertes Höflichkeitslachen fallen und lachte nur noch, wenn ich etwas wirklich lustig fand. Ich wurde zu einer in sich ruhenden Person, die keine Angst vor dem Unbekannten hatte.“

So entwickelt sie sich weiter, anschaulich und tiefgehend beschrieben, ein sehr schönes, nicht lautes, sondern selbst erkennendes Buch, in dem es auch darum geht, wie man mit anderen gute Gespräche führt und sich selbst als mitfühlenden Menschen weiter bringt - vor allem hin zu einer Tätigkeit, die einen begeistert. Weil Arbeit dann keine mehr ist, sonder tägliche überraschende, fließende Erkenntnis.

Interessant ist, wie höflich man in Japan miteinander umgeht und dass andere Kulturen im Grund kein Thema sind. Aus diesem Grund würde ich Hanako Hanada ein Buch von Sabatina James empfehlen, mit dem Titel „Gefangen zwischen zwei Welten.“ Es könnte ihr die Perspektive auf Europa eröffnen bzw. die Problematik, die hier aktuell die Menschen beschäftigt.