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Benutzername: 
Sina
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Bremen

Bewertungen

Insgesamt 74 Bewertungen
Bewertung vom 12.08.2024
Unser Buch der seltsamen Dinge
Godfrey, Jennie

Unser Buch der seltsamen Dinge


sehr gut

Coming-of-age zu Zeiten eines Serienkillers

Eine Kleinstadt in Yorkshire, England in den 1970er Jahren.
Die ganze Stadt verfolgt gebannt die Jagd der Polizei nach dem Ripper über die Medien. Darunter auch die Familie der 12-jährigen Miv. Zusammen mit ihrem Vater, ihrer Tante Jean und ihrer verstummten Mutter lebt Miv in einer ärmlichen Gegend der Kleinstadt. Da die Ermittlungen der Polizei keine Fortschritte bringen und der Yorkshire Ripper weiter sein Unwesen treibt, steht die Idee von einem Neuanfang in Südengland und den damit einhergehenden Umzug im Raum. Fest entschlossen dies mit aller Macht zu verhindern beschließt Miv zusammen mit ihrer besten Freundin Sharon die Suche nach dem Serienkiller in die eigenen Hände zu nehmen.
Während Sharon’s Interesse an diesem Vorhaben nach und nach schwindet, ist Miv nahezu wie besessen von der Idee, den Frauenmörder auf eigene Faust zu schnappen, jedoch nicht, ohne dabei verheerende Konsequenzen herbeizuführen…

Der flüssige Schreibstil von Autorin Jennie Godfrey macht es einem von Anfang an leicht Zugang zur Geschichte zu finden. Während es zu Beginn noch gemächlich zugeht, nimmt die Handlung im Laufe des Geschehens immer schneller an Fahrt auf. Thematisiert werden hierbei auch gesellschaftliche Probleme, die auch heutzutage leider noch nicht ganz beseitigt sind.
Dabei werden verschiedene Charaktere in Miv’s Umfeld betrachtet und teilweise auch das Geschehen direkt aus deren Perspektive geschildert.
Im Vordergrund der Geschichte stehen jedoch immer Werte wie Zusammenhalt, Freundschaft und Toleranz, was der teilweise schwer verdaulichen Thematik immer auch etwas Leichtigkeit zurückgibt.

Wer keinen Krimi erwartet, sondern einen einfühlsamen Coming-of-Age Roman über tiefgründige Beziehungen zwischen Menschen, die kaum unterschiedlicher sein könnten, wird dieses Buch mit Sicherheit mögen.
Von mir eine klare Empfehlung!

Bewertung vom 31.07.2024
Flieg, Hummelchen, flieg!
Beier, Judith;Imlau, Nora

Flieg, Hummelchen, flieg!


ausgezeichnet

Mutmacher Buch

Das Kinderbuch “Flieg, Hummelchen, flieg” von Autorin Nora Imlau, Bloggerin Judith Beier und Illustratorin Lisa Rammensee ist für Kinder ab 2 Jahren geeignet.

Die Geschichte begleitet das kleine Hummelchen, seine Eltern und die zwei älteren Schwestern durch die verschiedenen Jahreszeiten. Das Hummelchen muss während dieser Zeit aufgrund seiner chronischen Bauchschmerzen immer wieder ins Krankenhaus. Sehr einfühlsam wird hier das auf und ab vom Leidensweg chronischer Krankheiten dargestellt.
Das Buch vermittelt eine positive Botschaft und schürt Hoffnung in schweren Zeiten.
Die Herausforderungen, auf die das Hummelchen trifft werden von der gesamten Familie aufgefangen und zusammen durchgestanden. Werte wie familiärer Zusammenhalt, Durchhaltevermögen und Unterstützung stehen hier im Vordergrund.
Die Texte sind kurz und in Reimen gehalten, was sie besonders für kleine Kinder leicht zugänglich macht.

Ein einzigartiges und pädagogisch wertvolles Buch, sowohl fur Kinder, die selbst betroffen sind, als auch für gesunde Kinder, die selbst noch keine Berührungspunkte mit der Thematik haben.
Das Buch vermittelt Empathie und macht Mut. Die Zeichnungen sind niedlich, bunt und detailliert.

Bewertung vom 21.07.2024
Kleine Monster
Lind, Jessica

Kleine Monster


ausgezeichnet

Der Klappentext lässt darauf schließen, dass sich in diesem Buch alles um einen Vorfall in der Schule, ausgehend vom Sohn Luca dreht.
Pia und ihr Mann Jakob werden von der Klassenlehrerin des Siebenjährigen in die Schule bestellt. Diese eröffnet ihnen, dass es einen Vorfall sexueller Natur zwischen Luca und einer Mitschülerin gegeben haben soll, während diese sich in der Pause allein im Klassenzimmer aufgehalten haben.
Was genau passiert ist, wird ihnen jedoch nicht gesagt.
Während Jakob davon überzeugt ist, dass es sich nur um ein Missverständnis handeln kann und seinen Sohne den Rücken stärkt, wächst Pias Misstrauen.

Erzählt in zwei Zeitsträngen, erfährt man im Laufe der Geschichte nun auch von Pias eigener traumatischer Kindheit, welche einen Weg für das zerstörte Urvertrauen in andere Menschen und somit auch in ihr eigenes Kind ebnete.
Sie ist sicher, wenn Luca eine Dunkelheit in sich trägt, hat er diese von ihr.
Auf teilweise erschreckende und schockierende Art und Weise versucht sie mit immer mehr Nachdruck die Wahrheit aus Luca zu erzwingen.

Was mich an diesem Buch besonders fasziniert hat, ist, wie Jessica Lind unfassbar glaubhaft und einfühlsam die Dynamiken in zwei völlig unterschiedlichen Familien beschreibt. Die Spannungen zwischen den einzelnen Familienmitgliedern konnte man deutlich nachempfinden und wirkten absolut authentisch. Ebenso, wie die Erfahrungen in der eigenen Kindheit Pia und Jakob zu den Menschen gemacht haben, die sie im Erwachsenenalter sind.
Für mich nicht nur ein Buch für Eltern, sondern gerade durch die tiefgründige Aufarbeitung von Pias eigenen Erfahrungen für jeden, der sich für komplexe psychologische Familiengeschichten interessiert, eine absolute Empfehlung.

Bewertung vom 07.07.2024
Windstärke 17
Wahl, Caroline

Windstärke 17


ausgezeichnet

Ida musste in ihrem jungen Leben bereits viel durchmachen. Nachdem ihre große Schwester Tilda sie schweren Herzens mit der alkoholkranken Mutter allein in dem „traurigsten Haus der Fröhlichstraße“ gelassen hat, um außerhalb der Kleinstadt zu studieren, setzt „Windstärke 17“ einige Jahre nach Caroline Wahls Debütroman „22 Bahnen“ an.

Überwältigt von tiefer Trauer, Schuldgefühlen und Wut und ohne einen richtigen Plan, wie es weitergehen soll, beschließt Ida, all ihre Halbseligkeiten in einen Koffer zu stopfen und das Weite zu suchen. Sie will weg. Einfach nur weg aus der jetzt menschenleeren Wohnung, in der sie zuvor noch mit ihrer nun verstorbenen Mutter gelebt hat.
Zwiegespalten begibt sich Ida auf den Weg zu Tilda und deren Familie, doch anstatt den Zug in Hamburg zu verlassen, verpasst sie erschöpft von schlaflosen Nächten ihren Halt und landet schlussendlich auf Rügen. Hier beginnt für sie eine Art Neustart.
Völlig überfordert und vom „Wutklumpen“ geplagt, stürzt sich Ida immer wieder in nicht ganz ungefährliche Situationen, um ihren Gedanken und Gefühlen zumindest zeitweise zu entfliehen.
Trotz der schwerverdaulichen Themen und düsteren Stimmung ist es zugleich eine Geschichte, die Hoffnung macht. Nach dem schweren Verlust findet Ida in Marianne und Knut zwei Menschen, die sie bedingungslos unterstützen und bei sich aufnehmen. Das Ehepaar bietet der psychisch labilen Ida den Rückhalt und die Sicherheit, die sie in ihrem bisherigen Leben aufgrund der Vernachlässigung durch die Mutter nur eingeschränkt durch die aufopferungsvolle Schwester erfahren hat.
Und dann ist da auch noch Leif, der - geplagt von seinen eigenen Dämonen - wieder Licht in Idas Alltag bringt.
Ein weiterer Schicksalsschlag lässt jedoch nicht lange auf sich warten und reißt Ida erneut den Boden unter den Füßen weg. Am Ende scheint sie dennoch gestärkt und trotz aller Widrigkeiten zuversichtlich in die Zukunft zu blicken.

Caroline Wahl gelang es bereits in ihrem ersten Buch starke, authentische Charaktere zu erschaffen. Ida, die in „22 Bahnen“ noch ein Kind ist, durchlebt eine große Entwicklung und schürte damit bereits früh Neugier, wie es in „Windstärke 17“ mit ihr weitergeht.
Mit dem Nachfolger gelang es Wahl eine tiefberührende und emotionale Geschichte zu erschaffen. Ihr ganz eigener Erzähl- und Schreibstil bringen eine gezielt inszenierte Komik und Leichtigkeit mit sich, welche die schweren Themen abmildern und zugänglicher machen.

Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen und habe es genau wie schon „22 Bahnen“ innerhalb kürzester Zeit durchgelesen. Für mich eine ganz klare Empfehlung!