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clematis

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Insgesamt 385 Bewertungen
Bewertung vom 03.09.2025
Der Tower (eBook, ePUB)
Menger, Ivar Leon

Der Tower (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Alles ist möglich

Nova-Marie fliegt aus ihrer Wohnung raus, den Job als Galeristin hat sie schon davor verloren, als Influencerin und Babysitterin verdient sie gerade so viel, dass sie noch etwas essen kann. Was für ein Glück, dass just in diesem Moment das Telefon läutet und ihr eine angenehme Stimme mitteilt, dass sie beim Gewinnspiel ausgelost worden ist, der Haupttreffer ist nämlich ein gratis Jahresabo für ein Luxusappartement im hypermodernen Pramtower am Berliner Alexanderplatz.

Von ihren Lieblingsklängen wird Nova im Foyer empfangen, mittels Sprachaufforderung öffnet sich die Tür zur Wohneinheit, der Kühlschrank hält die Lieblingsspeisen bereit und auch der Champagner prickelt bald im Glas. Alles ist möglich, denn die geniale KI Kim liest Novas Wünsche quasi von den Lippen ab und erfüllt einen jeden prompt. Aber ist es das, was Nova wirklich beglückt? Sie erreicht ihren besten Freund nicht mehr und will wieder weg von diesem Luxusturm, doch da hat sich der Goldene Käfig schon wie von selbst geschlossen.

Eine einzigartige beklemmende Atmosphäre erschafft Autor Ivar Leon Menger mit diesem Szenario, Nova ist gefangen zwischen Vertrauen und Erkennen. Schon früh spürt die junge Frau, dass etwas Sonderbares vor sich gehen muss, freut sich aber andererseits, dass ihr neues Luxusdomizil so viel an Komfort und Behaglichkeit bietet. Ist es nicht phantastisch, dass Kim auf Ansage die Fenster verdunkelt oder gar in kürzester Zeit ein köstliches Menü per Speisenaufzug liefert? Die Seiten mit Nova fliegen nur so dahin, die Zeit im unbezahlbaren Turm vergeht im Nu, so fesselnd präsentiert der Autor diese unglaubliche Geschichte. Besonders gelungen ist das Ende mit dem A/B-Test.

Gibt es nicht? Alles Übertreibung? Diese Gedanken schleichen sich mitunter beim Lesen ein, doch wer weiß … was heute noch als Utopie abgetan wird, kann morgen schon Realität sein. Das Thema Künstliche Intelligenz betrifft uns alle, hier zum Glück nur als kurzweilige Unterhaltung. Lesenswert.

Bewertung vom 02.09.2025
Die Töchter von Usedom - Das Geheimnis in den Dünen (eBook, ePUB)
Weber, Jessica

Die Töchter von Usedom - Das Geheimnis in den Dünen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Alte Konflikte

Zwanzig Jahre sind vergangen, die nächste Generation mit Lore, Paul und Karl ist herangewachsen. Während die Pension Büchner um ein drittes Haus direkt am Strand erweitert wird, tritt Unerwartetes ein und bringt alte Konflikte ans Licht.

Beschwingt wie bereits gewohnt, erzählt Jessica Weber weiter aus dem Leben der Büchners, die mittlerweile auch Michelsens und Pagels sind. Dass jetzt noch Bekannte aus einer gemeinsamen, zwei Jahrzehnte zurückliegenden Zeit auftauchen, damit hat niemand mehr gerechnet. Was zum Wohle aller geheim gehalten worden ist, drängt an die Oberfläche, aber nicht nur die „Alten“, auch die „Jungen“ hüten ihre Geheimnisse. Stimmungsvolle Bilder aus Swinemünde wechseln diesmal ab mit jenen aus einem pulsierenden Berlin, lebendige und detailgetreue Szenen lassen die Zeit um 1890 besonders erlebbar werden.

Spannend und voller Gefühl beschreibt die Autorin die Suche nach den Wurzeln, die nicht immer klar sind und die Angst um eine Zukunft, welche erträumt wird, aber nicht ohne Hürden gelebt werden kann. Turbulente Zeiten stehen der Pension Büchner ins Haus, ich war wieder gebannt dabei und bin schon neugierig, was bei der Rückkehr nach Swinemünde (Band 3) geschehen wird. Die Familie kann doch nichts mehr erschüttern, oder doch? Ich bleib dran … und vergebe vorerst einmal je fünf verdiente Sterne für die ersten beiden Teile der Ostsee-Familiensaga.

Bewertung vom 01.09.2025
Die Töchter von Usedom - Im Sturm der Zeiten (eBook, ePUB)
Weber, Jessica

Die Töchter von Usedom - Im Sturm der Zeiten (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die Büchner-Frauen

Swinemünde an der Ostsee, 1870: Das Schicksal hat entschieden: Nach einem Unfall bleiben Großmutter Elfriede und die Cousinen Ella und Lina Büchner allein zurück und führen fortan gemeinsam eine kleine Pension, in welcher sie drei Zimmer an Gäste vermieten. Während Lina immer den Kopf in den Wolken hat und vom Theater träumt, ist Ella die bodenständige, die stets das Geschäft vor Augen hat, ja sogar expandieren möchte. Jede der drei Büchner-Frauen hat eigene Träume und Vorstellungen vom Leben, dieses bringt aber manchmal etwas ganz anderes.

Dieser großartige Roman erzählt höchst lebendig von den beiden jungen Fräulein Ella und Lina, die nach dem Tod ihrer Eltern wie Schwestern bei der liebevollen aber doch gestrengen Großmutter aufwachsen. Als der fahrende Zirkus in den Ort kommt, steht für Lina das Leben auf dem Kopf. Und auch Ella muss weitreichende Entscheidungen treffen. Voller Bilder und Emotionen sprüht diese Geschichte, offenbart tiefe Gefühle und weht ab und zu auch einmal eine steife Brise von der Ostsee ins Land. Anfangs wohlbehütet, müssen die Cousinen sich aber bald der mitunter rauen Lebensrealität stellen und mit den Herausforderungen wachsen.

Jessica Weber packt mit viel Liebe zum Detail historische Begebenheiten aus der Kaiserzeit in einen flotten, unterhaltsamen Roman und weckt Neugierde auf mehr rund um die Büchner-Frauen Lina, Ella und Elfriede. Schön, dass die Fortsetzung bereits bereitliegt, denn Band 1 der Ostsee-Familiensaga kann ich schon einmal guten Gewissens empfehlen.

Bewertung vom 31.08.2025
Die verlorenen Kinder vom Fjord (eBook, ePUB)
Parusel, Helen

Die verlorenen Kinder vom Fjord (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Deutschenmädchen

Während des Zweiten Weltkriegs wird auch das norwegische Narvik von Deutschen besetzt, und – obwohl es natürlich verboten ist – kommt Laila dem sympathischen Josef näher und verliebt sich in ihn. Er sieht großzügig weg, wenn sie im Widerstand aktiv ist, verliebt sich umgekehrt in Laila. Bald nach seiner Versetzung an die Ostfront stellt Laila fest, dass sie schwanger ist. Von ihrer Familie als Deutschenmädchen geächtet, sucht die junge Frau Hilfe in einem Heim für ledige Mütter und kommt dabei grausamen Machenschaften auf die Spur.

„Die verlorenen Kinder vom Fjord“ gliedert sich in drei große Abschnitte und besticht durch Realitätsnähe und Lebendigkeit, Helen Parusel gelingt es mit Leichtigkeit, die Gefühle und Gedanken ihrer Figuren in Worte zu fassen und dem Leser näher zu bringen. Die Bedrohung durch die deutschen Soldaten, welche anfangs nur durch die Straßen patrouillieren, später Widerstandskämpfer und Juden festnehmen, ist spürbar, die angespannte Stimmung im Lebensborn-Heim greifbar, wer sich nicht anpasst, hat schon verloren. Historische Fakten hat die Autorin bestens recherchiert und großartig in einen bewegenden Roman verpackt. Auch wenn man das Thema Lebensborn schon kennt, ist es doch immer wieder unfassbar, wie die Lehre der nationalsozialistische Rassenhygiene hier dazu gedient hat, die Geburtenrate an „guten arischen“ Kindern zu steigern.

Kurzweilig vom Anfang bis zum Ende schreibt Helen Parusel diesen Roman ebenso spannend wie einen Krimi, man kann das Buch kaum aus der Hand legen, um so schnell wie möglich zu erfahren, wie es Laila wohl ergehen wird als unverheiratete norwegische Frau, die das Kind eines Deutschen unter dem Herzen trägt. Eine berührende und fesselnde Geschichte, die ich gerne all jenen empfehle, die sich für Frauenschicksale im Krieg interessieren, lesenswert ist dieses Buch auf jeden Fall.

Bewertung vom 30.08.2025
Das Orangenblütenversprechen
Bast, Eva-Maria

Das Orangenblütenversprechen


sehr gut

Träume

Magdalena hat sich gerade einen Traum verwirklicht, indem sie ein kleines Café in London eröffnet hat, da erreicht sie die Nachricht, dass sie ein altes Herrenhaus auf Mallorca geerbt hat. Völlig überrascht, weil sie die Insel nie zuvor besucht hat, schon gar nicht irgendjemanden dort kennt, reist Magdalena auf eine blühende Orangenplantage.

In regem Zeitenwechsel erzählt Eva-Maria Bast von Magdalena im Jahre 1978 und von Maria Lourdes Fuentes ab 1905. Maria muss befürchten, dass ihr Vater die Orangenplantage und damit ihre Heimat aufgeben wird, denn der Transport der köstlichen Früchte ist aufwendig und teuer. Eine Bahnlinie von Sóller nach Palma könnte Abhilfe schaffen, stößt aber bei einflussreichen Personen auf Widerstand. Nun ist es die mutige junge Maria, die um den Fortbestand der kleinen Orangenbauern kämpft, und das zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als wirtschaftspolitische Entscheidungen noch ausschließlich von Männern getroffen werden. Ob ihre Träume und Visionen aufgehen? Jahrzehnte später begibt sich Magdalena mit einem jungen Advokaten auf Spurensuche, will sie doch schnell herausfinden, was sie mit Orangen und einem Herrenhaus zu tun hat.

Beide Handlungsstränge gestalten sich als sehr interessant und zeigen uns prachtvolle Seiten der bekannten Baleareninsel, abseits von Trubel und Tourismus. Duftende Orangenblüten, weitläufige Olivenhaine und ein wohlgehütetes Geheimnis verbergen sich hier und warten darauf, entdeckt zu werden. Da wie dort passieren aufregende Dinge, jedoch empfinde ich so manche Entwicklung als zu plötzlich und zu abrupt, wodurch die Glaubwürdigkeit der Geschichte ein wenig leidet. Die Portraits von Magdalena und Maria und die verbindenden Puzzlestücke sind dennoch sehr gut gelungen, die malerische Kulisse sorgt für eine überaus angenehme Atmosphäre und etliche historisch belegte Details bieten zusätzlich noch wertvolle Informationen rund um Mallorca, die Eisenbahn und die Orangenbauern.

Mit dem Roman „Das Orangenblütenversprechen“ liefert Eva-Maria Bast ein weiteres vergnügliches Buch für entspannte Lesestunden, Sóller und Port de Sóller scheinen eine Reise wert zu sein.

Bewertung vom 28.08.2025
Morgen sind wir wild und frei (eBook, ePUB)
Schuster, Stephanie

Morgen sind wir wild und frei (eBook, ePUB)


sehr gut

Viktoria - Agnes - Elisabeth

München und Oberammergau, 1909: Drei recht unterschiedliche junge Frauen, die Sekretärin Viktoria, die Architekturstudentin Agnes und die Schneiderin Elisabeth, treffen in den Alpen aufeinander und freunden sich an. Alle drei leiden auf ihre Art unter fehlenden Rechten für die Frauen und planen, ohne entsprechende finanzielle Mittel, einen Berghof zu ersteigern.

Im ersten Drittel des Romans stellt Stephanie Schuster einmal die drei Damen einzeln vor und geht auf deren schwierige Lebensumstände ein. Dann lässt sie sie einander kennenlernen und gemeinsame Pläne schmieden. Ein Sammelsurium an Themen, von ledigen Müttern über Schmuggelwaren bis hin zu den Passionsspielen, wird aufgegriffen und nach sorgfältiger Recherche zu einem bunten, unterhaltsamen Konglomerat zusammengefügt. Abwechselnde Blickwinkel bringen Kurzweil ins Geschehen, das Ende wird fast ein bisschen zu turbulent und büßt an Glaubwürdigkeit ein. Aber im Roman darf das schon sein, die historischen Tatsachen sind hier bestens eingefügt, sogar reale Persönlichkeiten von damals finden Erwähnung.

Abwechslungsreiche Szenen und vielfältige Themen lassen die gut 500 Seiten rasch dahinschmelzen, die Zeit mit Viktoria, Agnes und Elisabeth zeigt auf originelle Art und Weise, mit welchen Schwierigkeiten Frauen damals zu kämpfen hatten.

Bewertung vom 26.08.2025
Welcome Home - Du liebst dein neues Zuhause. Hier bist du sicher. Oder? (eBook, ePUB)
Strobel, Arno

Welcome Home - Du liebst dein neues Zuhause. Hier bist du sicher. Oder? (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Mörderische Schatten

Endlich fährt der Umzugswagen Richtung Spessart in die Neubausiedlung Auf Mons, Ines und Marco Winkler richten sich mit Töchterchen Emilia und Labradoodle James im neuen Heim ein und auch die Nachbarn scheinen fast alle sehr freundlich zu sein. Das Glücksgefühl ändert sich jedoch rasch, als Ines in der Nacht einen Schatten im Zimmer sieht und ein Licht im noch unbewohnten Nachbarhaus wahrgenommen haben will. Leidet sie unter Alpträumen oder überbordender Phantasie? Wohl nicht, obwohl die Polizei Entwarnung gegeben hat, denn tags darauf entdeckt Marco eine tote Frau im Haus nebenan.

Eine unheimliche Stimmung liegt von Anfang an über dem Neubaugebiet, wo die Bewohner einen lockeren Umgang untereinander pflegen, insbesondere das Ehepaar Mannstein freundet sich überraschend schnell mit der Familie Winkler an. Der Mord ändert die Lage schlagartig, die Bewohner fühlen sich unsicher und richten eine eigene Bürgerwehr ein, da der Polizei einfach die nötigen Kapazitäten fehlen. Dennoch geht die Mordserie weiter, niemand kann sich erklären, wie das möglich ist. Mitten im Buch bin ich völlig verblüfft, Arno Strobel erwischt mich kalt mit den Szenen, die sich während der Nachtwache einiger entschlossener Bürger im Siedlungsgebiet abspielen. Ist die Handlung bisher schon packend, wird es nun noch ein wenig aufregender, die Nerven liegen blank, denn es geht jetzt wohl auch um die Zeit. Raffiniert führen Strobel und der Mörder alle an der Nase herum, am Ende gibt es eine so knappe wie logische Auflösung.

Nervenkitzel, wie man es von Arno Strobel gewohnt ist, Seiten, die nur so dahinfliegen und die Angst um die Familie als Ausgangsbasis für mitreißende Lesestunden. Ich sperre gleich alle Türen ab und lausche nach den geringsten Geräuschen!

Bewertung vom 26.08.2025
Die Verlorene
Georg, Miriam

Die Verlorene


ausgezeichnet

Komm heim oder Zwei kleine weiße Porzellanpferde

Änne ist 93, als sie wenige Tage nach einem Sturz verstirbt. Sie hinterlässt ein kleines weißes Porzellanpferd und ein Gemälde, das man ihr erst kürzlich geschickt hat und das sie selbst gar nicht mehr zu Gesicht bekommen hat. Neugierig, was das bedeuten soll, sind ihre Tochter Ellen und noch viel mehr ihre Enkelin Laura. Eine Reise nach Schlesien, Ännes ursprüngliche Heimat, beantwortet zumindest einige Fragen, die bislang offen geblieben sind und über die Änne nie gesprochen hat.

Wundervoll aufgeteilt auf zwei Zeitebenen spielt dieser überwältigende Roman, der mich sofort in seinen Bann gezogen und kaum noch losgelassen hat, wobei sowohl die Gegenwart mit Laura und Ellen als auch die zurückliegenden Jahre - 1941 bis 1946 - jeweils auf ihre ganz eigene Art und Weise spannend sind und voller Emotionen stecken. Bildhafte Beschreibungen von Landschaft, Geräuschen und Gerüchen begleiten uns durch den Roman, sodass die Szenen ausgesprochen lebendig wirken, die Figuren sind detailgetreu und liebevoll dargestellt, man kann nicht anders, als sich mitten im Geschehen zu fühlen. Das Besondere an Miriam Georgs Schilderung ist die langsame Annäherung an die Wahrheit, nur Stück für Stück wird preisgegeben, oftmals wechseln die Perspektiven, wodurch die Sogwirkung nur noch weiter angefacht wird. Dennoch habe ich vergleichsweise langsam gelesen, um nur ja keine Einzelheit zu verpassen, um in die jeweilige Stimmung voll und ganz eintauchen zu können. Da sind einerseits zwei Frauen auf der Suche nach ihrer Vergangenheit, andererseits eine Familie auf einem schlesischen Gutshof, mitten in Kriegszeiten, wobei die Kampfhandlungen selbst noch gar nicht hier angekommen sind. Die wenigen Szenen von der Front sind realistisch, aber doch so bedacht verfasst, dass kein seitenlanges brutales Gemetzel vorgeführt wird, der Rest schwingt zwischen den Zeilen mit und lässt diesen Roman zu einem besonders wertvollen Zeugnis der Geschichte werden. Besonders berührt natürlich der eine Soldat, der einen Zettel mit der russischen Aufforderung „Komm heim“ mit sich trägt. Aber auch sonst kann man sich problemlos in die einzelnen Figuren hineinversetzen, ihre Gefühle, ihre Ängste, aber auch ihre Hoffnung immer wieder spüren.

Ein hervorragendes Buch, inspiriert vom Schicksal einzelner Familienmitglieder von Miriam Georg (wie man im Nachwort lesen kann) und wahrscheinlich genau deshalb so bewegend und einfühlsam erzählt. Die Verlorene wird mir noch lange in Erinnerung bleiben, die Themen Heimatverlust und Identität sind bestens ins Geschehen eingeflochten. Unbedingte Leseempfehlung!

Bewertung vom 25.08.2025
Schattengrünes Tal
Hauff, Kristina

Schattengrünes Tal


ausgezeichnet

Scheinbare Idylle

Das Hotel Zum alten Forsthaus im Nordschwarzwald ist idyllisch gelegen und zieht seit Jahrzehnten seine Stammgäste an, allerdings täte dem alten Kasten einmal eine Renovierung gut. Während Lisa dies erkennt, wehrt Claus, ihr Vater und Hotelbesitzer, jegliche Veränderung konsequent ab, er wartet auf seinen Sohn Felix, der einst übernehmen soll. Als sich eine bedauernswert scheinende Fremde einquartiert, ändert sich so manches Schlag auf Schlag.

Bildgewaltig und elegant fließt dieser ansprechende Spannungsroman von Kristina Hauff dahin, bannt mich als Leser alsbald und lässt mich bis zur letzten Seite nicht mehr los. Sowohl die Landschaftsschilderungen als auch die Charaktere bestechen durch Lebendigkeit, die Atmosphäre im bisweilen dunklen Schwarzwald ist großartig eingefangen. Durch wechselnde Blickwinkel kommen verschiedene Figuren zu Wort, dass die undurchschaubare Fremde keine Stimme bekommt, unterstreicht noch deren Rätselhaftigkeit. Besonders raffiniert ist die Tatsache, dass manche Szene aus verschiedenen Sichtweisen beleuchtet und dadurch doppelt erzählt wird. Wer meint, das könnte langweilig werden, der irrt gewaltig, denn Kristina Hauff erzählt dicht und präzise, wie wir es bereits gewohnt sind. Die Spannung ist unterschwellig stets vorhanden, die düstere und bedrohliche Stimmung allgegenwärtig. Besonders gut gefällt mir die Entwicklung der einzelnen Personen, die sich am Ende klar abzeichnet.

Wer ein packendes Leseerlebnis sucht und das Thema (familiäre) Beziehungen und Abhängigkeiten interessant findet, der ist im schattengrünen Tal goldrichtig!

Bewertung vom 24.08.2025
Tod bei den Salzburger Festspielen (eBook, ePUB)
Reyer, Sophie

Tod bei den Salzburger Festspielen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Der Tod ist tot

Aufregung herrscht vor der Premiere der Salzburger Festspiele im Jahre 1937, denn der Darsteller des Todes ist tot, kurzerhand ermordet vor einer Engelstatue. Nachdem auch die Zweitbesetzung dieser Rolle erstochen wird, steht nicht nur Kommissar Oscar Breitensee vor einem Rätsel, auch Max Reinhardt muss rasch handeln und einen neuen „Tod“ quasi aus dem Hut zaubern. Dafür eignet sich niemand anderer besser als seine Ex-Frau Else Heims, die sich immer schon wie im Vorübergehen jeden Text leicht gemerkt hat.

Die Handlung dieses historischen Kriminalromans ist in Salzburg im Jahre 1937 angesiedelt, ein weiterer Erzählstrang, beginnend 1882 in Berlin, nähert sich diesem schrittweise an. Raffiniert verknüpft Sophie Reyer – deren Großvater Walther Reyer übrigens selbst mehrmals den Jedermann am Salzburger Domplatz gegeben hat – eine spannende Kriminalgeschichte mit realen Ausschnitten aus Else Heims Biografie, einer Frau, die schon früh aufgrund ihrer Begabung als Schauspielerin engagiert worden ist, aber nach der Trennung von Max Reinhardt wieder in die Bedeutungslosigkeit abgedriftet ist. Durch entsprechende Szenen in diesem Buch werden ihr Können und ihre Vorreiterrolle für Gleichberechtigung entsprechend gewürdigt.

Aber zurück zum Krimi: dieser besticht durch die einzigartige Atmosphäre bei den Salzburger Festspielen, dem alljährlichen Spiel vom Sterben des reichen Mannes. Was veranlasst einen Mörder, gerade den Tod zu töten? Will vielleicht ein verschmähter Schauspieler Rache üben? Die Autorin deutet verschiedene Motive an und bringt auch die gesellschaftspolitische Stimmung, den immer spürbarer werdenden Antisemitismus aufs Tapet, dem sich sogar der hiesige Pfarrer nicht verschließt. Auf diese Weise zeichnet Reyer ein lesenswertes Sittenbild im Rahmen eines faszinierenden Kriminalromans und bietet wie nebenbei noch allerhand Hintergrundinformationen zu den mittlerweile mehr als 125 Jahre alten Schauspielaufführungen im Salzburger Land. Der eloquente Schreibstil ist nicht zuletzt für vergnügliche Lesestunden verantwortlich.

Tod bei den Salzburger Festspielen – eine gelungene Verquickung von Historie und Fantasie, welche beste Einblicke gewährt in die Gunst und Kunst der Theaterwelt. Lesenswert!