Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Fredhel
Wohnort: 
Deutschland

Bewertungen

Insgesamt 1274 Bewertungen
Bewertung vom 11.06.2021
Das Buch des Totengräbers / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.1
Pötzsch, Oliver

Das Buch des Totengräbers / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.1


ausgezeichnet

Die Handlung spielt im Wien gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Leo von Herzfeldt wechselt als junger Polizeibeamter von Graz nach Wien, mit ihm die Aufgabe, moderne Polizeimethoden in das verknöcherte Polizeisystem einzuführen. Direkt schon beim ersten Fall verscherzt er es sich mit seinen Kollegen und Vorgesetzten. Sie behindern und provozieren ihn mit allen Mitteln.
Man kann sich die Atmosphäre des alten Wiens sehr gut vorstellen. Vorurteile über Juden und Frauen sind fest in den Köpfen verankert. Ich denke, da hat der Autor gut recherchiert. Der Gegensatz zwischen der feinen Gesellschaft und der arbeitenden Bevölkerung ist gut dargestellt.
Herzfeldt entstammt einer reichen Bankiersfamilie. Die andere Hauptperson ist der Totengräber vom Zentralfriedhof. Dieser Augustin Rothmayer trägt maßgeblich zur Aufklärung der Morde bei, und zwischen Herzfeldt und ihm entwickelt sich nach anfänglicher Ablehnung doch eine gute Zusammenarbeit.
Die dritte wichtige Person dieses Romans ist eine Telefonistin, die ein geheimes Doppelleben führt, und an die Herzfeldt sein Herz verliert.
Alle drei zusammen bilden ein perfektes Team, um die schrecklichen Frauenmorde und auch das geheimnisvolle Treiben auf dem Zentralfriedhof aufzuklären.
Oliver Pötzsch hat einen wunderbar spannenden historischen Kriminalroman verfasst, der gleichzeitig ein Abbild der Kaiserstadt Wien zeigt, das sozialkritisch durch alle Gesellschaftsschichten geht. Man kann sich gut vorstellen, dass ein halbes Jahrhundert später Hitlers Demagogie hier einen guten Nährboden fand.
Der Sprecher Hans Jürgen Stockerl ist eine hervorragende Besetzung. Er spricht perfekt Wienerisch in der direkten Rede, und auch ansonsten verkörpert er die unterschiedlichsten Personen perfekt. Er konnte mich förmlich mitreißen.

Bewertung vom 09.06.2021
Die Geschichte von Kat und Easy
Pásztor, Susann

Die Geschichte von Kat und Easy


sehr gut

Dieser Roman handelt von zwei Jugendfreundinnen und wird in zwei Zeitebenen erzählt. Die Siebzigerjahre schildern die wilde Teenagerzeit und in der Gegenwart wird von den mittlerweile erwachsenen Frauen, die sich aus den Augen verloren hatten, die Vergangenheit aufgearbeitet.
Wie so oft haben sich in Kat und Easy zwei sehr unterschiedliche Freundinnen zusammengefunden. Kat, pummelig und sauertöpfig/kritisch fährt im Fahrwasser der attraktiven und beliebten Easy. Sie sind beide in denselben Jungen verliebt und erst im Erwachsenenalter klärt sich auf, was tatsächlich innerhalb der Beziehungen stattgefunden hat.

Mich konnten die Protagonistinnen nicht erreichen. Zu fremd ist mir ihre Gier nach Sex und Drogen im jugendlichen Alter. Sie haben Bettgeschichten, aber wo sind die romantischen Mädchenträume geblieben, die normale Sechzehnjährige eigentlich haben?
Das "erste Mal" ist doch ein einschneidendes Ereignis, aber für Kat und Easy ist es nur der Punkt Entjungferung auf einer langen Liste von Erfahrungen, die sie in möglichst schneller Zeit abgearbeitet haben wollen. Alkohol, Haschisch, LSD muss man einfach konsumieren. Das gehört dazu, übrigens bis ins hohe Alter von über 60 Jahren.
Ich finde die beiden ziemlich abgebrüht und unsympathisch. Wenn man sich ihre Beziehung genauer ansieht, dann frage ich mich auch, ob sie die Bezeichnung Freundschaft überhaupt verdient. Es gibt darin einfach zu viel Neid, Eifersucht und Lügen.
Ich vergebe hier vier verdiente Lesesterne, denn ich glaube, das Buch ist handwerklich gut gemacht, auch wenn es mir persönlich nicht gut gefallen hat.

Bewertung vom 09.06.2021
Unterm Schinder / Kreuthner und Wallner Bd.9
Föhr, Andreas

Unterm Schinder / Kreuthner und Wallner Bd.9


ausgezeichnet

Endlich wieder ein neuer Fall für den ewig frierenden Kommissar Wallner. Sein Kollege Kreuthner findet eine Frauenleiche im Haus seines Vaters. Die Tote ist erschossen worden, genau wie zwei Jahre zuvor ihr Ehemann. Wallner muss die alten Fakten erneut prüfen.

Der Autor erzählt hier eine spannende Handlung, teils in der Gegenwart, teils in der Vergangenheit. Irgendwie kann man als Leser schon schnell die Zusammenhänge erahnen. Doch darauf kommt es eigentlich gar nicht an.
Ein "Föhr-Krimi" lebt von der Persönlichkeit der Protagonisten. Man freut sich schon im Voraus ganz besonders auf ein Wiedersehen mit dem bauernschlauen Polizisten Kreuthner und Wallners schlitzohrigen, sinnenfrohen Großvater. Beiden fallen gleichermaßen immer neue Verrücktheiten ein.

Es macht einfach Spaß, einen "Föhr-Krimi" zu lesen, aber die Krönung ist ein "Föhr-Hörbuch". Auch in dieser Folge sorgt der Sprecher Michael Schwarzmaier für einen wahren Ohrenschmaus. Kaum zu glauben, dass all die Stimmlagen und Dialekte von einer einzigen Person dargestellt werden. Schwarzmaier ist einfach ein begnadeter Vorleser.

Bewertung vom 05.06.2021
Dein böses Herz (eBook, ePUB)
Buderath, Paul

Dein böses Herz (eBook, ePUB)


sehr gut

Die alleinerziehende Kommissarin Sandra Rehbein hat es mit einer brutalen Mordserie zu tun. Den männlichen Opfern wird allen das Herz herausgeschnitten und fast zeitgleich wird den Ehefrauen ein Video zugestellt, das ihren Mann beim Seitensprung zeigt.  Sandra gerät selbst in eine prekäre Situation, weil einer der Toten ihr Bekannter aus dem Internet ist und auch sie selbst pikanterweise beim Sex gefilmt worden ist. 
Für ihren Kollegen Ronny Schäfer ein Grund mehr, mit Lästereien das Arbeitsklima zu vergiften.

"Dein böses Herz" ist ein gut zu lesender Krimi, der aber noch deutlich mehr Spannung vertragen könnte. Im realen Leben muss eine Vorgesetzte mehr Führungsqualitäten aufweisen. Zum einen muss ein Ronny Schäfer in seine Schranken verwiesen werden, zum anderen kann eine Kommissarin nicht nach Gutdünken in den wichtigsten Arbeitsphasen einfach nach Hause fahren. 

Kurz gesagt, ich finde, es gibt noch Luft nach oben.

Bewertung vom 05.06.2021
Höllenkind / Clara Vidalis Bd.8
Etzold, Veit

Höllenkind / Clara Vidalis Bd.8


sehr gut

Dies ist mal ein ganz anderer Vidalis-Thriller. Die Szenerie ist stark an Dan Brown angenähert, aber da sind die Fußstapfen dann doch noch eine Nummer zu groß. Die kunsthistorischen Erläuterungen waren mir letztendlich viel zu ausufernd.
Gut gefallen hat mir, wie lebendig Florenz geschildert wird. Denn diesmal ermittelt Clara Vidalis im Auftrag des Vatikans. Eine Braut bricht während der Trauung blutüberströmt zusammen. Deren Familie trägt nicht viel zur Aufklärung bei.
Es gibt einen zweiten Handlungsstrang mit einer Zwangsprostituierten in Rumänien, der gegen Ende des Romans elegant mit dem anderen verknüpft wird.
Auch wenn manche Ermittlungsdetails nicht so ganz realistisch sind, lasse ich mich immer wieder gern auf Clara Vidalis ein. Die Kriminalfälle sind grundsätzlich aussergewöhnlich und man hat nirgendwo schon mal etwas ähnliches gelesen. Die Kommissare sind durchweg sympathisch.
Tim Gössler als Sprecher macht seine Aufgabe ausgezeichnet.

Bewertung vom 02.06.2021
Gute Nachbarn
Fowler, Therese Anne

Gute Nachbarn


sehr gut

Der Roman spielt in einer Vorortidylle in North Carolina. Man lebt harmonisch miteinander. Die farbige Ökologie-Professorin Valerie Alston-Holt ist allseits beliebt, ihr Sohn bereitet sich auf sein Studium vor. Sie wohnen gerne in ihrem gemütlichen Haus. Der Garten, und hier vor allem die uralten Bäume, wird geliebt und fachkundig gepflegt. Das Unheil beginnt, als der neureiche Weisse, Brad Whitman, mit seiner Familie nebenan einen protzigen Neubau hochzieht. Er umgeht hemdsärmelig einige Umweltauflagen der Stadt, was zum Absterben von Valeries Lieblingsbaums führt. Die Sache geht vor Gericht, währenddessen sich die Kinder der beiden ineinander verlieben. Das Unheil beginnt und steigert sich bis zur großen menschlichen Tragödie.

Ich muss gestehen, dass ab einem bestimmten Punkt der weitere Verlauf weitestgehend absehbar ist, aber dass ich es fast nicht ertragen konnte. Natürlich ist der schmierige Brad der Hauptschurke, aber auch seine Frau trägt durch ihre Untätigkeit eine Mitschuld. Die eigentliche Sympathieträgerin, Valerie, ist diejenige, die durch ihre Prozessklage überhaupt erst die Lunte gezündet hat. Auch sie hätte durch ein paar klärende Worte vieles verhindern können. Es herrscht hier ein großes Gemenge an Schuld und Niedertracht einerseits, und andererseits das große Schweigen.

Wenn auch die Handlung selbst sehr aufwühlend ist, so muss ich doch sagen, dass mich die Darstellung gestört hat. Als Leser kommt man nicht in Kontakt mit den Personen, sondern bekommt alles durch eine Erzählerin wie in einer Unterrichtsstunde demonstriert. 
Irgendwie ist bei den Charakteren auch kein Klischee ausgelassen worden.

Deswegen möchte ich diesen Roman nur mit leichten Einschränkungen empfehlen.

Bewertung vom 02.06.2021
Leute wie wir
Evans, Diana

Leute wie wir


sehr gut

In diesem Roman geht es um die Lebens- und Ehekrisen zweier englischer Paare. Bei Stephanie und Damian ist es der Mann, der sich aus den Zwängen der Ehe hinaus sehnt. Sein Angestelltenjob engt ihn ein, viel lieber wäre er Schriftsteller. In der Beziehung zu Stephanie überwiegt ebenfalls Überdruss. Stephanie dagegen geht sehr verständnisvoll auf Damian ein, doch sie kann nicht zu seinem inneren Kern vordringen. Melissa und Michael, um diese beiden dreht es sich hauptsächlich, sind ein gut situiertes Vorzeigeehepaar. Zumindest nach außen hin. Tatsächlich ist Melissa unzufrieden mit ihrem Leben und steigert sich immer mehr in ihre negativen Gefühle hinein. Michael bekommt ihre schlechte Laune täglich zu spüren, dennoch: Melissa ist seine große Liebe. Er würde alles für sie tun. Beiden Paaren ist gemeinsam, dass sie es nicht geschafft haben, ihre Liebe und ihre Leidenschaft in die Phase der Elternschaft mitzunehmen. Jeder geht anders damit um. Schwere Entscheidungen stehen für alle an. Die Charaktere sind sehr gut dargestellt. Besonders Melissa rückt dabei in den Vordergrund. Man kann verstehen, aber nicht gutheißen, wie sie die Elternschaft als Rückschritt betrachtet, nachdem sie vorher sehr erfolgreich im Beruf war. Sie erträumt sich eine Zukunft als alleinerziehende Mutter, denn ihr Ehemann weckt nur noch negative Gefühle in ihr. Eine Grundaussage des Romans ist, dass man bei der Partnerwahl nicht nur einen Menschen liebt, sondern dass diese Person auch aus einer Vergangenheit und einer Zukunft besteht, womit man sich arrangieren muss. Alles ist im steten Wandel begriffen, und nur im permanenten Dialog kann man als Paar das Leben meistern. Erst recht, wenn Ideal und Realität sehr weit auseinanderklaffen. Ja, Leute wie wir ist ein sehr nachdenklicher Roman, der über weite Strecken den Leser mitreißen kann. Doch es gibt auch etliche Passagen, die zu weitschweifig sind. Im Prinzip hat es sehr lange gedauert, ehe ich in den Lesefluss geriet. Mir war es auch zu abstrus, als Melissa sich immer mehr in einen Wahn hineinsteigert. Je weiter man liest, um so weniger sympathisch wird sie. Auch die Sprecherin Svenja Pages hat mir nicht gut gefallen, obwohl sie eine sehr melodische Stimme hat. Sie kann einfach keine Emotionen darstellen. Der Versuch, die Männerstimmen tiefer zu sprechen, ist in meinen Ohren auch nicht gut gelungen. Nur wenn sie die Kinderstimmen imitiert, wirkt sie authentisch.

Bewertung vom 02.06.2021
Der Junge, der das Universum verschlang
Dalton, Trent

Der Junge, der das Universum verschlang


sehr gut

Der Roman beginnt in Brisbane, 1987. Über mehrere Jahre verfolgt er das Erwachsenwerden des elfjährigen Eli Bell und seines älteren Bruders Gus. Sie werden in einem furchtbaren, gewalttätigen Drogenmilieu groß. Dennoch können sie sich irgendwie behütet fühlen, denn ihre Mutter und deren Freund Lyle, ein ehemaliger Sträfling, sorgen liebevoll für die beiden Jungs. Bis ihre Welt aus den Fugen gerät. Ein Drogenboss lässt Lyle auf Nimmerwiedersehen verschwinden, die Mutter muss für einige Jahre ins Gefängnis. Nun sind es Eli und Gus, die die Familie zusammenhalten. Geduldig warten sie auf den richtigen Zeitpunkt für ihre Rache.

Mir hat dieser Roman erst im Nachhinein gut gefallen. Der Schreibstil ist sperrig.  Realität, Visionen und Träume konnte ich oft nur schwer auseinanderhalten. Auch das große Gewaltpotenzial muss man erst einmal verdauen. Ich habe mit mir gerungen, ob ich das Buch wirklich bis zum Ende lesen sollte. Doch der Schluss ist fantastisch und versöhnt mit einigen Verständnisschwierigkeiten. Der blaue Zaunkönig des Covers spielt dabei eine nicht unerhebliche Rolle. Schön, wenn die Umschlaggestaltung so gekonnt auf den Inhalt eingeht.

Bewertung vom 31.05.2021
Im Reich der Schuhe
Wise, Spencer

Im Reich der Schuhe


sehr gut

Alex Cohen steht schon immer im Schatten seines Vaters. Stets bemüht, Anerkennung zu finden, erlangt er diese jedoch nicht. Beide leben und arbeiten in Südchina, wo der Vater in gutem Vernehmen mit der dortigen Obrigkeit (dank großzügiger Schmiergelder) eine kleine Schuhfabrik betreibt. Völlig unerwartet wird Alex von ihm zum Teilhaber ernannt. Eine gute Gelegenheit, eigene Vorstellungen in puncto Design und Betriebsleitung zu verwirklichen. Doch sein Vater ist ein sturer Knochen, an dem er so schnell nicht vorbei kommt. Alex hat unter den Arbeiterinnen eine Geliebte, die ihm neben Eigenarten ihrer Kultur auch die perfide Ausbeutung der Belegschaft erklärt. Bevor Alex überhaupt irgendetwas umsetzen kann, befindet er sich schon zwischen allen Stühlen, weil jede Seite davon ausgeht, ihn für ihre Zwecke einspannen zu können. In der Stunde der Gefahr wächst Alex zur Überraschung aller über sich hinaus und trifft kluge Entscheidungen.

Dies ist ein sehr ernsthafter Roman, der den Finger in viele Wunden legt. Er zeigt, wie perfekt das Ausbeutersystem ausländischer Investoren funktioniert: Funktionäre werden geschmiert, Arbeiter bis aufs Letzte ausgepresst und eines menschenwürdigen Lebens beraubt, und dazu die totale Überwachung des Individuums. Dazu kommt die Arroganz der Fabrikbesitzer, die sich nicht die geringste Mühe machen, Sprache und Mentalität des Landes zu verstehen. Es zählt nur der Gewinn.
Ebenso interessant ist die Emanzipation des Sohnes, der bis zur Teilhaberschaft wenig Verantwortung übernehmen konnte und vielleicht auch gar nicht wollte. Nun reift er in wenigen Tagen zu einem empathischen erwachsenen Mann heran, der nicht den Profit in den Vordergrund stellt.
Man hat das Gefühl, dass der Autor sich gut in den örtlichen Gegebenheiten auskennt, dass der Roman sehr authentisch ist. Eine gute Möglichkeit, durch ein Buch eine andere Seite Chinas kennenzulernen.