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Baerbel82

Bewertungen

Insgesamt 975 Bewertungen
Bewertung vom 29.02.2016
Endgültig / Jenny Aaron Bd.1
Pflüger, Andreas

Endgültig / Jenny Aaron Bd.1


ausgezeichnet

La Sagrada Familia

Erzählt wird die Geschichte von Jenny Aaron. In ihrem ersten Leben war sie Mitglied einer international operierenden Elitetruppe der Polizei - hochintelligent, kampferprobt, effektiv. In ihrem zweiten ist sie Verhörspezialistin und Fallanalytikerin beim BKA. Sie spürt das Verborgene und versteht es, zwischen den Worten zu tasten - denn seit einem misslungenen Einsatz in Barcelona ist Aaron blind. Die damaligen Ereignisse haben sie traumatisiert. Doch es war nicht der schlimmste Tag ihres Lebens. Der schlimmste Tag ihres Lebens ist heute. Denn heute sitzt sie in einem Flieger nach Berlin. Dort trifft sie auf einen skrupellosen Soziopathen mit Verbindungen zur Russenmaffia, der noch eine alte Rechnung mit ihr offen hat. Ein tödlicher Zweikampf beginnt…
Eigentlich hat „Endgültig“ alles, was einen guten Thriller ausmacht, ein rasanter Plot und komplexe Figuren. Es geht um Familie und um Philosophie. Heldin und Anti-Held folgen dem Bushidō, dem Weg des Kriegers. Atemlos, wie auf Speed, in einem ganz eigenen Stakkato-Stil schildert Andreas Pflüger in vielen Rückblenden die Geschichte seiner Protagonisten. Ein sorgfältig recherchierter Roman, der Blindheit thematisiert. Eine actionreiche Geschichte mit falschen Fährten, dramatischen Wendungen und einem intensiven Spannungsbogen bis zum unerwarteten Ende. Auch der Humor kommt nicht zu kurz: „Haben Sie das Geld schon ausgegeben? Hoffentlich für was Sinnvolles. Hirnoperation?“
Die Welt der Samurai, Hegelsche Dialektik und Max Frischs Gantenbein (zufällig 1964 ebenfalls bei Suhrkamp erschienen), das war mir dann doch etwas „too much“. Außerdem hat mich gestört, dass in dem Roman so viel geraucht wird. Jeder, immer und überall. Nichtsdestotrotz ist Jenny Aaron eine „erleuchtete“ Heldin, der ich gerne wieder über die Schultern schauen möchte.

Fazit: Atmosphärisch, soghaft und von höchster Spannung.

Bewertung vom 24.02.2016
Never Say Anything
Lüders, Michael

Never Say Anything


ausgezeichnet

Kampf gegen Windmühlen

Die Journalistin Sophie Schelling sieht auf einer Dienstreise etwas, das sie nie hätte sehen dürfen. In seinem packenden Politthriller schildert Autor und Orientalist Michael Lüders die dunkle Seite des amerikanischen Drohnenkriegs. Worum geht es?
Sophie wird in Marokko Zeugin eines Drohnenanschlags. Das kleine Dorf Gourrama wird dem Erdboden gleich gemacht. Mit Hilfe fremder Frauen kann Sophie zwar entkommen, aber die Geschichte lässt sie nicht mehr los. Bald ist klar, dass nicht Al-Qaida das Massaker begangen hat, sondern eine Spezialeinheit aus den USA. Wie einst die Tötung Osama bin Ladens in Pakistan. Sophie erkennt sehr schnell: „Diese Geschichte ist gleichermaßen ein Skandal und ein Scoop.“
Zurück in Berlin: Leider glaubt man Sophie bei ihrer Zeitung nicht und so stellt sie ihren Bericht ins Internet. In einem weiteren Handlungsstrang, der in den USA spielt, wird das Schicksal von Marc Lindsay erzählt. Marc, der eigentlich als Übersetzer arbeitet, veröffentlicht geheime Videos über Folterungen und Militäreinsätze im Irak bei „Buzzfeed“, einem Medienportal. So wie 2007 Bradley Manning, der dafür zu 35 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde.
Auf der Suche nach der Wahrheit gerät auch Sophie ins Visier der Geheimdienste und in große Gefahr: ihre Wohnung wird auf den Kopf gestellt, ihr Mail- und FB-Account gehackt, ihr Konto gesperrt - und die Bordelektronik ihres Autos manipuliert. Sophie ist schon sehr naiv, aber Blauäugigkeit ist ein zentrales Thema. Denn kritischer Journalismus ist zunehmend unerwünscht, harte Fakten werden weich gespült.
Michael Lüders stellt seine Heldin vor eine Gewissensfrage: „Wie weit bist du bereit zu gehen, um die Wahrheit herauszufinden? Würdest du dafür deine Zukunft aufs Spiel setzen? Oder vergisst du lieber, was du erlebt und erfahren hast?“ Wie wird sich Sophie entscheiden?
Der Leser erfährt viel über Enthüllungsplattformen und investigativen Journalismus. Es handelt sich um eine fiktive Geschichte, die auf Tatsachen beruht, aber auch Verschwörungstheorien enthält. Wir lernen viel über Drohnen und schmutzige Kriege. Von Gourrama bis Ramstein und Stuttgart, von Davidson und Boston bis nach Oslo.
Ein gut recherchiertes Buch, mit einem ganz intensiven Spannungsbogen und einem unerwarteten Finale. Eine höchst aktuelle Auseinandersetzung mit Geheimdiensten und entfesselter Moral. Der einzelne Mensch wird oftmals hart getroffen von den Handlungen der Mächtigen und ihrer brutalen Handlanger.

Fazit: Mein erstes Thriller-Highlight in diesem Jahr. Sehr zu empfehlen!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.02.2016
Mostviertler / Mostviertler Trilogie Bd.1
Scharner, Helmut

Mostviertler / Mostviertler Trilogie Bd.1


sehr gut

The Winner Takes It All

„Mostviertler“ erzählt vom Schicksal des österreichischen Schuhfabrikanten Jakob Schuster. Er plant das Familienunternehmen mit der Produktion von Fair-Trade-Sportschuhen in Asien zu einem Global Player auszubauen. Doch durch seine fragwürdigen Methoden schafft er sich viele Feinde und bezahlt die Verwirklichung seines Traums schließlich mit dem Leben.
„Mostviertler“ ist ein gelungener Mix aus Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, Familiensaga und Wirtschaftskrimi, enthält aber auch einige explizite Gewalt- und Sex-Szenen. Es geht um Liebe und Hass, Macht und Gier, Lügen und Intrigen. Liegt das Motiv im geschäftlichen oder eher im privaten Bereich? Kommissar Brandner aus Wien und der einheimische Polizist Reitbauer ermitteln…
Der Plot erinnert an „Mord im Orientexpress“ von Agatha Christie: In einem abgeschlossenen Raum geschieht ein Mord; der Täter oder die Täterin muss sich unter den Anwesenden befinden, denen eine Flucht unmöglich ist. Nun ja, hier ist es die Schusteralm.
Auch der Erzählstil ist ein bisschen retro und hat mich an die Romane von Raymond Chandler (Philip Marlow) erinnert. Ein Stil, dessen sich Helmut Scharner insbesondere bei den kursiv gedruckten Rückblenden in die Vergangenheit der 1990er Jahre bedient.
Der Autor schafft es, einen ebenso gut lesbaren wie authentischen Wirtschaftskrimi vorzulegen - hochspannend bis zum unerwarteten Ende. Die Figurenzeichnung ist glaubhaft und durchdacht. Nichts ist wie es scheint, niemand ist, wer er zu sein scheint. Wer ist Täter, wer ist Opfer? Wer wird verlieren, wer wird gewinnen? Und um welchen Preis?

Fazit: Empfehlenswerter Kriminalroman mit der Faszination des Fernen Ostens.

Bewertung vom 16.02.2016
Das Mädchen auf der anderen Seite
Freudenberg, Achim

Das Mädchen auf der anderen Seite


ausgezeichnet

Jeder bekam die Spezialbehandlung, die er verdient hat.

Eigentlich ist Radiojournalistin Eva Bottin auf der Suche nach ihrem besten Freund Felix, der spurlos verschwundenen ist. Felix ist ebenfalls Journalist und war wohl an einer heißen Sache dran. Da bringt ein Autounfall eine tief in ihr schlummernde Fähigkeit ans Licht: Sie kann mit Toten Kontakt aufnehmen - und die Toten mit ihr.
Ein Mädchen in rosa Gummistiefeln tritt in Evas Leben. Es gibt ihr Hinweise, mit deren Hilfe Eva einem Verbrechen auf die Spur kommt. Einem Verbrechen, das auch ihre eigene Familie betrifft. Währenddessen ermittelt Evas Freund Hendrik, ein Kriminalkommissar, im Fall eines Mannes, der bestialisch ermordet wurde…
Schauplatz ist Köln: Erzählt wird die Geschichte aus Sicht von Eva als Ich-Erzählerin. Eva ist mir sofort ans Herz gewachsen. Sie ist neugierig und unnachgiebig. Außerdem trägt sie gerne High-Heels. Dreizehn Jahre zuvor: In einem weiteren Handlungsstrang wird das Schicksal eines Mannes geschildert, der in London ein neues Leben beginnen will. Wo ist die Verbindung?
„Das Mädchen auf der anderen Seite“ handelt von Gewalt gegen Kinder, sexuellem Missbrauch, Rache und Vergeltung - und beginnt mit einem krassen Prolog. Wer ist Opfer? Wer ist Täter? Ein Thriller mit starkem Mystery-Touch. Nichtsdestotrotz hat mich der ausgefallene Plot überzeugt. Denn der Kriminalfall ist wirklich spannend und lässt sich zudem flott und flüssig lesen. Dieses Buch bietet aber auch einige extrem harte und ekelhafte Szenen und ist somit nichts für zartbesaitete Gemüter.

Fazit: Ein rasantes, originelles Debüt, das durch seine ungewöhnliche Heldin besticht und absolute Sogwirkung hat.

Bewertung vom 13.02.2016
Sörensen hat Angst / Sörensen Bd.1
Stricker, Sven

Sörensen hat Angst / Sörensen Bd.1


ausgezeichnet

Sodom und Gomorrha in Nordfriesland

Regen, Regen, Regen - und ein brutaler Mord. Das Beste an Katenbüll ist, es ist nicht Hamburg und es ist fiktiv. „Sörensen stand im Stau, betrachtete seine feuchten Handflächen und ärgerte sich über sich selbst.“ Sörensen ist auf der Flucht - vor den Erinnerungen an seine gescheiterte Ehe, vor den Panikattacken und vor sich selbst.
Doch die Vergangenheit holt einen immer ein. Schon am ersten Tag liegt Bürgermeister Hinrichs tot im seinem Pferdestall. Er wurde erschossen. Jede Menge Verdächtige, aber weit und breit kein Motiv. Als kurz darauf auch noch eine alte Frau tot aufgefunden wird, bekommen Sörensen und sein Team alle Hände voll zu tun…
„Sörensen hat Angst“ überzeugt mit einem ausgefeilten Plot, der den Rahmen der konventionellen Mörderjagd ausweitet. Aus Tätern werden Opfer, aus Opfern Täter. Eine Konfliktsituation, die den Leser emotional einbindet und verführt, seinen Fuß auf die falsche Seite zu stellen.
Dieser Krimi ist vor allem eins: eine extrem tiefenscharfe und nicht selten bissige Milieu-Beobachtung. Klassische Verbrecher finden sich hier nicht. Das Schändliche verbirgt sich hinter wohlfeiler Fassade. Eine wunderbar schräge Geschichte mit lauter skurrilen Typen, die sich flott und flüssig lesen lässt.
Sörensen hat eine Generalisierte Angststörung, ist Vegetarier, hat viel Empathie und ein großes Herz. Sörensen, Jenni und Malte, eine sympathische Truppe, der ich gerne wieder über die Schultern schauen möchte. „Da, wo die Angst ist, da geht’s lang, heißt es doch“, sagt Sörensen. Gut gefallen hat mir, dass es auch einen Soundtrack zum Roman gibt.
Insgesamt ein Buch, das den Verstand und die Seele berührt. Ein rundum gelungener Krimi, der sich deutlich aus der Masse der Veröffentlichungen hervorhebt.

Fazit: Wenig Blut, viel Spannung. Ein Krimi voll rabenschwarzem Humor, zugleich erschütternd. Sehr lesenswert!

Bewertung vom 08.02.2016
Gedenke mein / Gina Angelucci Bd.1
Löhnig, Inge

Gedenke mein / Gina Angelucci Bd.1


sehr gut

Ein Fall für Gina Angelucci

Gina ist schwanger und arbeitet im Münchener Kommissariat an Cold Cases, die seit vielen Jahren ungeklärt sind. Eines Tages taucht die verzweifelte Petra bei ihr auf und bittet sie, nach ihrer Tochter Marie zu suchen, die vor zehn Jahren spurlos verschwand. Das damals sechsjährige Mädchen wurde nie gefunden und schließlich für tot erklärt. Nur die Leiche von Maries Vater wurde an einem See entdeckt. Chris hatte in einer Fischerhütte Schlafmittel genommen und anschließend die Hütte und sich selbst in Brand gesetzt. Alles deutete auf einen erweiterten Selbstmord hin. Aber der Mutter lassen die offengebliebenen Fragen bis heute keine Ruhe: Warum sollte ihr Mann das Mädchen getötet haben? Ist Marie vielleicht doch noch am Leben?
Gina ist anfangs skeptisch, aber einige Ungereimtheiten lassen sie aufhorchen: War die Schlafmitteldosis überhaupt stark genug? Und reichen ein Ehering und der Teil einer Tätowierung, um den Vater eindeutig zu identifizieren? Gina vergräbt sich in den alten Unterlagen und deckt eine Spur des Grauens auf. Währenddessen ermittelt Dühnfort im Fall eines toten Babys, das in einem Müllcontainer gefunden wurde…
„Gedenke mein“ ist bereits der 8. Band aus der Konstantin-Dühnfort-Serie. Tino und Gina werden bald heiraten. Erneut nimmt das Privatleben der beiden Protagonisten einen breiten Raum ein. Aber hier passt es, als krasser Gegensatz zum traurigen Schicksal der kleinen Marie. „Gedenke mein“ punktet mit vielen falschen Fährten und überraschenden Wendungen, mit denen Inge Löhnig die Geschichte voran und die Spannung in die Höhe treibt. Die Figurenzeichnung ist glaubhaft und durchdacht. Beide Fälle laufen am Ende zusammen und werden schlüssig aufgelöst.

Fazit: Eine zeitgenössische Tragödie mit Figuren, die so lebendig wirken, als wären sie direkt den Schlagzeilen der aktuellen Tageszeitung entsprungen.

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Bewertung vom 10.01.2016
Die Schneelöwin / Erica Falck & Patrik Hedström Bd.9
Läckberg, Camilla

Die Schneelöwin / Erica Falck & Patrik Hedström Bd.9


ausgezeichnet

„Die Schneelöwin“ ist bereits der neunte Band aus der Erica Falck und Patrik Hedström-Reihe. Dennoch handelt es sich um eine eigenständige, in sich abgeschlossene Geschichte, die ohne Vorkenntnisse lesbar ist. Schauplatz ist - wie immer - der kleine schwedische Ort Fjällbacka und seine Umgebung.
Wer die Vorgänger nicht gelesen hat, für den könnte es allerdings etwas schwierig werden. Es wird immer wieder Bezug genommen auf Personen und Ereignisse aus früheren Bänden der Reihe und ein Heer von Protagonisten trägt auch nicht gerade zum Verständnis bei. Erst ganz zum Schluss finden sich alle Puzzleteilchen zu einem gruseligen Ganzen zusammen.
„Die Schneelöwin“ passt somit hervorragend in diese kalte und dunkle Jahreszeit. Die Geschichte kommt dabei ohne große Action aus und fesselt eher mit psychologischer Spannung. Alles in allem wieder ein gelungener Kriminalroman von Schwedens erfolgreichster Autorin. Und so freue ich mich schon heute auf eine Fortsetzung.

Fazit: Eine Geschichte, die einen nicht mehr loslässt. Fesselnd von der ersten bis zur letzten Seite. Spånnend. Schweden. Krimi.