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Benutzername: 
leukam
Wohnort: 
Baden-Baden

Bewertungen

Insgesamt 91 Bewertungen
Bewertung vom 18.11.2022
Agent Sonja
Macintyre, Ben

Agent Sonja


ausgezeichnet

Packend und informativ!
Der englische Schriftsteller Ben Macintyre hat schon einige Bücher über Spionage geschrieben. In diesem hier erzählt er detailgenau und spannend die faszinierende Geschichte der Frau, die unter dem Decknamen „ Sonja“ jahrelang als kommunistische Spionin tätig war.
Geboren wurde Ursula Kuczynski, wie sie tatsächlich hieß, 1907 als Tochter einer vermögenden jüdischen Familie in Berlin. Ihr Vater war ein angesehener links stehender Gelehrter. Auch Ursula liest begeistert die Schriften Marx und Engels. Ein Polizeiknüppel auf ihrem Rücken, als sie an einer Demonstration der kommunistischen Jugend mitmarschierte, war die Initialzündung für ihr Engagement. Ihr Kampf galt danach dem Sieg des Kommunismus.
Der führte sie in alle Welt. Die erste Station war Shanghai, zu Beginn der 1930er Jahre eine Stadt der Gegensätze. Das „Paris des Ostens“ war gleichzeitig die „ Hure des Ostens“, ein Zentrum für Drogen und Kriminalität, aber auch der Spionage. Ursula lebt hier mit ihrem ersten Mann, einen Architekten und ihrem kleinen Sohn Michael, als sie Richard Sorge kennenlernt, einer der berühmtesten Spione des 20. Jahrhunderts. Er macht sie nicht nur zu seiner Geliebten, sondern rekrutiert sie auch für den russischen Geheimdienst. In Moskau erhält sie eine Ausbildung als Funkerin. Einsätze folgen in die Mandschurei und nach Polen. 1938 flüchtet Ursula in die Schweiz, wo sie Widerstandsgruppen gegen Nazi- Deutschland aufbaut. Und 1940 kann sie nach England emigrieren, was ihr als Jüdin mehr Sicherheit bietet. Doch auch ihre neue Heimat spioniert sie für die Sowjets aus. Russland befindet sich gerade in einem Wettlauf mit den Amerikanern bei der Herstellung einer Atombombe. Hierzu kann Ursula wertvolle Informationen liefern.
Ein unglaubliches Leben, v.a. wenn man bedenkt, dass Ursula neben ihrer Tätigkeit als Topagentin Hausfrau und Mutter war. Anschaulich beschreibt Macintyre, wie sie versucht, das alles unter einen Hut zu bringen. Die Ehe mit ihrem ersten Mann zerbricht; Ursula bekommt noch in Asien eine Tochter von einem ehemaligen Führungsagenten und in der Schweiz lernt sie einen englischen Kommunisten und Spanienkämpfer kennen. Die Ehe mit ihm verschafft ihr die englische Staatsbürgerschaft. In der ländlichen Umgebung von Oxford führt sie mit Mann und mittlerweile drei Kindern das Leben einer ganz normalen Familie. Die anderen Dorfmitglieder wären sehr überrascht gewesen, hätten sie gewusst, warum ihre nette Nachbarin so oft mit dem Fahrrad unterwegs ist.
Ursula versuchte immer, ihren Kindern eine gute Mutter zu sein. Das ging nicht ohne Kompromisse.
Auch schwerwiegende Maßnahmen der sowjetischen Regierung zerstörten nicht ihren Glauben an die kommunistische Idee. Das eine waren Stalins Säuberungsaktionen, denen unzählige Genossen zum Opfer fielen. Ursula versuchte zu verdrängen, dazu kam ihre Angst, selbst fälschlicherweise unter Verdacht zu geraten. Doch der Hitler- Stalin- Pakt 1939 schockierte Ursula zutiefst. Der Kommunismus machte gemeinsame Sache mit Nazi- Deutschland, das sie zutiefst hasste und bekämpfte. Aber auch hier konnte sie sich arrangieren.
Obwohl der britische Geheimdienst auf Ursula aufmerksam wurde, geriet sie nie ernsthaft in Verdacht. In der Männerwelt der Spionage und der Spionageabwehr war es unvorstellbar, dass eine Hausfrau und Mutter gleichzeitig eine große Agentin sein kann.
Ben Macintyre hat für dieses umfangreiche Buch akribisch recherchiert. Dazu standen ihm eine Unmenge an Quellen zur Verfügung, darunter auch Ursulas Autobiographie, die sie unter dem Namen Ruth Werner 1977 in der DDR veröffentlicht hat: „ Sonjas Rapport“. Der englische Autor erzählt noch von Ursulas Leben nach Beendigung ihrer Agententätigkeit. 1950 zog Ursula mit ihrem Mann und ihren Kindern nach Ostdeutschland, wo sie unter ihrem neuen Namen Kinderbücher schrieb. Im Juli 2000 starb Ursula Kuczynski im Alter von 93 Jahren.
Diese Biographie liest sich wie ein Roman. Trotz der vielen Informationen , die das Buch liefert, entsteht ein fesselndes und lebendiges Bild einer ungewöhnlichen Frau. „ Ursula wurde dem Proletariat und der Revolution zuliebe eine Spionin; doch sie tat es auch für sich selbst, getrieben von einer außerordentlichen Kombination aus Leidenschaft, Romantik und Abenteuerlust, die in ihr sprudelten.“
Neben Ursula porträtiert der Autor auch zahlreiche Weggenossen, die für sie bedeutsam waren, Ehemänner, Liebhaber, Freunde und Feinde. Der historische Hintergrund, vor dem die Figuren agieren, fließt organisch in die Handlung ein. Gleichzeitig bekommt der Leser ein authentisches Bild von der Welt der Spione.
Lobenswert und der Veranschaulichung dienlich sind auch die vielen Photographien, die dem Text beigefügt sind.
Ein äußerst lesenswertes Buch für Leser von Biographien und für historisch Interessierte.

Bewertung vom 18.10.2022
Miss Kim weiß Bescheid
Cho, Nam-joo

Miss Kim weiß Bescheid


sehr gut

Genauer Blick auf Lebensverhältnisse

Die südkoreanische Autorin Cho Nam -Joo hat mich schon mit ihrem Roman „ Kim Jiyoung, geboren 1982“ begeistert. Darin zeigt sie exemplarisch an ihrer Hauptfigur die strukturelle Diskriminierung, der Frauen in Südkorea ( und nicht nur dort) ausgesetzt sind.
Deshalb habe ich mich gefreut, dass ein neues Buch von ihr erschienen ist, dieses Mal kein Roman, sondern ein Band mit insgesamt acht Erzählungen. Ihre Protagonistinnen sind Frauen verschiedenster Altersstufen, vom Mädchen bis zur Greisin.
In der Eingangsgeschichte geht es um eine ältere Frau, die ihre demente Schwester im Pflegeheim besucht. Dabei kreisen ihre Gedanken um die Mühen des Alters, gehen aber auch zurück in die Vergangenheit der Frauen.
Ihre eigenen Erfahrungen mit Hasskommentaren nach der Veröffentlichung ihres Buches verarbeitet die Autorin in einer weiteren Erzählung.
Eine Familie wächst nach dem Verschwinden des Vaters wieder näher zusammen und muss feststellen, dass es ihnen auch ohne ihn ganz gut geht.
In Form eines Briefes lehnt eine junge Frau den Heiratsantrag ihres langjährigen Freundes ab. Denn ihr ist endlich bewusst geworden, wie sehr sie sich von dessen dominanten, alles bestimmenden Wesen jahrelang beherrschen ließ.
In der längsten und auch einer der besten Geschichten reist eine 60jährige Witwe mit ihrer Schwiegermutter nach Kanada, um die Polarlichter zu sehen. Nachdem sie ihr Leben lang für Mann, Tochter und Enkelkind da war, möchte sie sich endlich diesen lang gehegten Wunsch erfüllen.
Die Geschichten geben einen guten Einblick in die koreanische Kultur und das Alltagsleben dort. Trotzdem lassen sich viele Parallelen zu unserer Gesellschaft finden. Viele der Themen, die im Buch angesprochen werden, sind auch für Frauen hier relevant: Benachteiligung am Arbeitsplatz, der ständige Spagat zwischen Familie und Beruf, häusliche Gewalt, Care- Arbeit und manches mehr.
Die Protagonistinnen hier werden sich ihrer eigenen Bedürfnisse und Wünsche bewusst, lehnen sich auf gegen die Erwartungen von außen, wehren sich und versuchen, ihren eigenen Weg zu finden.
Sämtliche Geschichten werden aus der Ich- Perspektive erzählt. Das ermöglicht eine intensive Nähe zu den Figuren; ihr Handeln wird dadurch verständlich und nachvollziehbar. Es ist beachtlich, wie gut sich die Autorin in die Gefühls- und Gedankenwelt der verschiedensten Altersgruppen einfühlen kann.
Die Sprache ist klar und eher nüchtern, die Erzählweise ruhig und unaufgeregt. Trotzdem packen die Schicksale, denn die Figuren werden vielschichtig gezeichnet, die angesprochenen Themen sind von großer Relevanz.
Nicht jede der acht Geschichten hat mich gleichermaßen angesprochen, dennoch gebe ich gerne eine Leseempfehlung für das neue Buch von Cho Nam- Joo . Zu loben ist auch der Verlag für die passende Cover- Gestaltung.

Bewertung vom 04.10.2022
Verbrenn all meine Briefe
Schulman, Alex

Verbrenn all meine Briefe


ausgezeichnet

Beeindruckend und erschütternd
Der 1976 geborene Alex Schulman ist einer der bekanntesten schwedischen Autoren der Gegenwart. Mit großer Begeisterung habe ich seinen 2021 auf Deutsch erschienenen Roman „ Die Überlebenden“ gelesen. Deshalb bin ich nun mit hohen Erwartungen an sein neues Buch herangegangen.
Nach einem furchtbaren Streit mit seiner Ehefrau wird Alex Schulman bewusst, dass er etwas tun muss. Seine unvorhersehbaren Wutanfälle drohen seine Ehe zu zerstören. Sogar die Kinder haben Angst vor ihm. Eine Therapie in Form einer Familienaufstellung soll zur Klärung beitragen und so eine Verhaltensänderung ermöglichen. Dabei wird gleich ersichtlich, wo er suchen muss, nämlich in der Familie seiner Mutter. Hier sind schon immer alle Familienmitglieder heillos zerstritten.
Das „ Wut- Zentrum“ findet Alex Schulman in der Person seines Großvaters Sven Stolpe. Der war und ist in Schweden eine Berühmtheit: Schriftsteller, Übersetzer, Literaturwissenschaftler und Kritiker, tiefgläubiger Christ, ein Mann mit hohen Erwartungen an sich selbst und an seine nächste Umgebung. Als Kind hatte der Autor ein zwiespältiges Verhältnis zu seinem Großvater. Der machte zwar gerne Späße mit den Enkeln, gleichzeitig war er unberechenbar in seiner Wut.
Alex Schulman beginnt nun sich näher mit seinem Großvater zu beschäftigen und stößt dabei auf das Jahr 1932. Hier muss das Schlüsselerlebnis liegen, das alles verändert hat. Doch was ist damals tatsächlich geschehen?
Das Ehepaar Stolpe war Gast im Hause der Sigtuna - Stiftung. Hier trafen sich junge Autorinnen und Autoren zum Arbeiten und zum gemeinsamen Austausch. Dabei trifft die verheiratete Karin Stolpe den jungen Dichter Olof Lagercrantz, eine schicksalhafte Begegnung. Die beiden verlieben sich heftig ineinander. Karin will sich von ihrem dominanten Ehemann trennen, doch Sven weiß das mit allen Mitteln zu verhindern. Damit ist das Leben aller Beteiligten für immer geprägt. „Der eine geht in eine lebenslange Finsternis ein. Der andere hört niemals auf zu träumen.“ Und Karin harrte aus, neben dem ungeliebten Ehemann. „Sie schrumpfte mit geradem Rücken.“
Alex Schulman erzählt auf drei Zeitebenen diese Geschichte.
Auf der Gegenwartsebene beschreibt er beinahe dokumentarisch seine Recherchearbeit und das, was dies bei ihm auslöst. Da sowohl Sven Stolpe als auch Olof Lagercrantz bekannte Persönlichkeiten waren, gibt es eine Unmenge an Material. Nicht nur deren poetisches Werk, sondern auch auf Tagebücher und Briefe konnte Alex Schulman zurückgreifen. Während sich bei Sven Stolpes Romanen als immer wiederkehrendes Motiv die treulose Ehefrau finden lässt, so hat Olof Lagercrantz seine Liebe zu Karin in vielen Gedichten beschworen.
Zwischen diesen Text aus der Gegenwart flicht der Autor zwei weitere Erzählstränge, die in die Vergangenheit führen.
Dabei geht er zum einen ins Jahr 1988, als er bei seinen Großeltern zu Besuch ist. So wirft er aus der kindlichen Perspektive einen kritischen Blick auf seinen Großvater, der seine Frau dominiert und schikaniert. Spürbar ist dabei die Liebe des Enkels zur Großmutter, die geduldig und demütig das furchtbare Verhalten ihres Mannes erträgt. Nicht ohne Grund widmet ihr Alex Schulmann sein Buch.
Im Zentrum des Romans steht aber das Schicksalsjahr 1932. Hier erlebt der Leser eine Liebesgeschichte voller Gefühl und Dramatik, eine Liebe, die, obwohl sie nicht gelebt werden konnte, ein Leben lang andauert. Davon zeugen die Liebesbriefe ( Auszüge finden sich im Buch ), die Olof an Karin gesendet hat und die sie sechzig Jahre lang heimlich gehütet hat wie einen Schatz. Mit ihnen konnte sie sich in „ das Land, das nicht ist“ hinein träumen.
Alex Schulmann beschreibt diese Liebesgeschichte einfühlsam und berührend und voller Poesie. Das ist herzzerreißend. Gleichzeitig liest man ungläubig und schockiert, was sich Sven Stolpe alles einfallen lässt, um diese Liebe zu unterbinden.
Das Buch hat mich ungeheuer beeindruckt und erschüttert. Beeindruckt, mit welcher A

Bewertung vom 13.08.2022
Isidor
Kupferberg, Shelly

Isidor


ausgezeichnet

Spuren jüdischen Lebens

Über die Zeit des Nationalsozialismus habe ich schon sehr viel gelesen - Fiktionales, Biographien, aber auch Sachbücher. Und von ähnlichen Schicksalen, von denen die Autorin Shelly Kupferberg schreibt, wird in unendlich vielen Büchern erzählt.
Trotzdem hat dieses Buch „ Isidor“ seine Berechtigung. Denn jedes dieser Leben ist es wert, aufgeschrieben zu werden, als Erinnerung und Mahnmal. Gerade weil es von den vielen ermordeten Juden so wenig Hinterlassenschaften gibt. „Umso wichtiger sind die Geschichten, die überlebt haben. Und weitererzählt werden.“ wie die Autorin in ihren Dankesworten schreibt.
Um über das Leben ihres Urgroßonkels Isidor Gellert schreiben zu können, hat die in Israel geborene und in Berlin lebende Journalistin Shelly Kupferberg ausgiebig recherchiert. Sie wurde fündig in diversen österreichischen Archiven, auf dem Dachboden ihrer Großeltern in Tel Aviv und konnte aus den Erinnerungen ihrer Verwandten schöpfen. Aus den vielen Dokumenten, Briefen, Photos und mehr hat sie ein lebendiges Bild von ihrer Familie und jener Zeit geschaffen.
Geboren wurde der Urgroßonkel Ende des 19. Jahrhunderts in einem Schtetl in Ostgalizien als Sohn eines Talmudgelehrten. Der erhielt als frommer Gelehrter keinen Lohn, deshalb lag es an der Mutter, die siebenköpfige Familie durchzubringen. Die Kinder waren weniger fromm, dafür klug und ehrgeizig und sie wollten raus aus der Enge des Schtetls. Aus Israel wurde Isidor, als er später zum Studieren nach Wien ging. Denn er begriff bald, dass der jüdische Name ein Hindernis auf dem geplanten Weg nach oben sein würde.
Isidor promoviert als Jurist und steigt schnell die Karriereleiter hoch. Er hat Glück, denn in seiner Funktion als Leiter eines kriegswichtigen Betriebes muss er nicht an die Front. Mit zusätzlichen Geschäften auf dem Schwarzmarkt verdient er gutes Geld, das er gewinnbringend anlegt. Und als der Erste Weltkrieg vorbei, das große Habsburgerreich Geschichte war, ist Isidor ein sehr reicher Mann.
Er wird Kommerzialrat und gibt Gesellschaften für die obersten Kreise Wiens.
Privat hat der Bonvivant und Frauenfreund weniger Glück. Zwei Ehen scheitern, eine junge Geliebte macht ohne ihn Karriere in Hollywood.
Doch all sein Geld und sein Ansehen nützen nichts, als die Nazis auch in Österreich an die Macht kommen. Wie so viele hat er deren Vernichtungswahn unterschätzt und seine Reputation überschätzt.
Isidor ist eine schillernde Figur. Er war stolz auf seinen gesellschaftlichen und finanziellen Aufstieg, von der armseligen Hütte im fernen Galizien bis in den Ersten Bezirk Wiens. Der Liebhaber von Kunst, Musik und schöner Frauen war genussfreudig und großzügig, konnte aber auch herrisch und bestimmend sein.
Neben dem titelgebenden Isidor streift die Autorin aber auch immer wieder die Lebenswege anderer Familienmitglieder und Menschen aus dem näheren Umfeld ihres Urgroßonkels. So entsteht ein anschauliches Bild jüdischen Lebens in jener Zeit.
Obwohl ich wirklich gut über das Thema Nationalsozialismus und Holocaust Bescheid weiß, konnte mich die Autorin mit einem speziellen Detail überraschen. Wer hätte gedacht, dass der „ Stürmer“- Herausgeber und Judenfresser Julius Streicher in ganz Europa eine Bibliothek jüdischer Literatur zusammengeraubt hat ? Heute befindet sich die sog. „ Stürmer - und Streicherbibliothek“ in Nürnberg , verwaltet von der Israelitischen Kultusgemeinde. Shelly Kupferberg stieß darin tatsächlich auf ein Buch aus dem Besitz ihres Urgroßonkels.
Das Buch liest sich flüssig und fesselt von Beginn an. Der Schreibstil ist eher nüchtern und sachlich, trotzdem geht dem Leser das Schicksal der Personen sehr nahe.
Ein schmales Buch, das aber mehr als ein bemerkenswertes Leben umfasst.

Bewertung vom 19.07.2022
Billy Backe und der Wilde Süden / Billy Backe Bd.3
Orths, Markus

Billy Backe und der Wilde Süden / Billy Backe Bd.3


ausgezeichnet

Herrlich schräg und voller Wortwitz

Mein 6jähriger Enkel war begeistert von den vorigen zwei Bänden von Billy Backe und da war es klar, dass der dritte Band auch gekauft werden muss.
Wieder werden das pfiffige Murmeltier Billy Backe und seine beste Freundin , das Eichhörnchen Polly Posthörnchen vor Herausforderungen gestellt. Unterstützung bekommen sie von dem Schrönk und dem Cowboy Billy the Kid mit seinem Pferd Rosa. Aber auch von dem Murmeltierbaby Mini Murmel und dessen Windel Jimbo, ein besonderes Exemplar seiner Zunft. Denn es ist eine Kampfwindel, die sprechen kann, Pipinesisch und ein paar Brocken Kakalanisch.
Schon hier ist Markus Orths spezieller Wortwitz erkennbar.
Bei ihrem neuesten Abenteuer machen sie sich auf die Suche nach den familiären Wurzeln des Schrönk. Dabei führt sie ihre Reise in den gefährlichen Wilden Süden. Doch bevor es losgehen kann, muss erst einmal der Schrönk aus seiner Ohnmacht geweckt werden. Das schafft schließlich Billy the Kid mit Hilfe blähender Lebensmittel.
Für empfindliche Gemüter ist diese Geschichte also nichts. Alle anderen, Kinder vor allem, werden ihre helle Freude haben an den aberwitzigen Abenteuer dieser Bande.
Markus Orths erzählt mit viel Phantasie und Wortwitz und mit Freude an skurrilen Figuren und absurden und schrägen Episoden. Sein kreativer Umgang mit Sprache treibt herrliche Blüten. So werden z.B. die Misons, also mies gelaunte Bisons von den Rashörnern gejagt; später trifft man auf pink gefärbte Pinkuine und auf einen maulenden und werfenden Maulwurf.
Wunderbar wird der Text ergänzt durch die farbenfrohen Illustrationen, die zum Entdecken vieler Details einladen. Von Kreativität zeugt auch der weiße Text auf schwarzen Seiten für die Geschichte, die im Dunklen Wald spielt.
Hilfreich sind die beiden Landkarten, die im Einbandinneren abgedruckt sind. So lässt sich hier sehr gut verfolgen, wo der jeweilige Schauplatz der einzelnen Episoden ist. Auch der kurze Steckbrief der Hauptfiguren erleichtert den Einstieg ins Buch.
Der dritte Band lässt sich ohne Kenntnis der beiden Vorgängerromane lesen. Aber danach wird man unbedingt diese auch noch kennenlernen wollen. So lässt sich dann die Zeit bis zum vierten Band im Frühjahr 2023 überbrücken.
„ Billy Backe und der Wilde Süden“ ist ein höchst unterhaltsamer und spannender Vorlesespaß für Kinder ab 6 Jahren. Erwachsene Vorleser, die sich ein „ kindliches Gemüt“ bewahrt haben, werden auch ihr Vergnügen dabei haben.

Bewertung vom 19.07.2022
Beifang
Simons, Martin

Beifang


ausgezeichnet

Dreifacher Beifang
„ Beifang“, so heißt nicht nur die Zechensiedlung am Rande des Ruhrgebiets, wo der Ich- Erzähler aufgewachsen ist, „ Beifang“ ist auch ein Begriff aus dem Fischereiwesen. So werden Fische und andere Meerestiere bezeichnet, die zwar im Netz gelandet sind, aber nicht das eigentliche Fangziel waren. Der größte Teil davon wird als Abfall wieder über Bord geworfen - manches überlebt schwer verletzt.
Seelisch verwundete Überlebende sind beinahe alle, von denen Martin Simons schreibt.
Frank Zimmermann, ein Mann Anfang Vierzig, ist der Ich- Erzähler. Obwohl er als erster aus der Sippe der Zimmermanns Abitur gemacht und ein Studium absolviert hatte, wurde nichts aus seinem Plan, ein erfolgreicher Journalist und Drehbuchautor zu werden. Stattdessen schlägt er sich als freier Texter mehr schlecht als recht durchs Leben. Er liebt seinen 12jährigen Sohn, sieht ihn aber nur zweimal im Jahr. Mit Marie, einer verheirateten Frau, verbindet ihn ein sehr loses Verhältnis. „ Wenn lebendig zu sein bedeutete, von Emotionen und Sensationen durchströmt zu werden, dann war ich eher tot.“ So beschreibt er sich selbst.
Sind die Gründe für seine Bindungsunfähigkeit, seine Planlosigkeit in seiner Familiengeschichte zu finden?
Als die Eltern ihr Haus verkaufen, um in eine Anlage für Senioren zu ziehen, reist Frank zurück ins Ruhrgebiet. Vielleicht gibt es ja noch Dinge, die er als Andenken behalten möchte. Über eine alte Holzkiste, die der Vater von seinem Vater geerbt hatte, versucht Frank ins Gespräch zu kommen. Doch der Vater hatte schon immer auf Fragen nach seiner Kindheit sehr einsilbig reagiert, erzählte höchstens einzelne, eher skurrile Begebenheiten .
So beschließt Frank Kontakt aufzunehmen zu einigen der elf Geschwistern des Vaters. Bei den Gesprächen mit Onkeln und Tanten erfährt er manches. Und trotz unterschiedlicher Sichtweisen kristallisiert sich aus den vielen Episoden und Anekdoten das Bild einer Kindheit voll bitterster Armut, voller Gewalt und Perspektivlosigkeit..
Die Großeltern waren kaum in der Lage, ihre zwölf Kinder mit dem Allernotwendigsten zu versorgen. Vom Wirtschaftswunder merkte die Familie nichts. Die Wohnverhältnisse waren äußerst beengt, Hunger war steter Begleiter, Schläge waren an der Tagesordnung. In der Siedlung waren die Zimmermanns als asoziale Außenseiter verrufen.
Als Frank seinem Vater zum Geburtstag das Buch „ Die Asche meiner Mutter“ geschenkt hat, meinte dieser später nur „ Bei uns war es schlimmer.“ Wer Frank McCourts Autobiographie kennt, kann ermessen, was diese Aussage bedeutet.
Obwohl die Geschwister nicht dumm waren, blieb ihnen schulischer Erfolg und beruflicher Aufstieg versagt. Früh mussten sie in ungeliebten Berufen Geld verdienen.
Franks Vater wurde mit 18 Jahren selbst Vater und danach hieß es ein Leben lang hart arbeiten, damit es die eigene Familie mal besser hat.
Martin Simons beschreibt hier eine bundesrepublikanische Familiengeschichte, wie sie nicht oft in der Literatur zu finden war. Erst in letzter Zeit gibt es Autoren, die diesem Milieu Beachtung schenken. Denn in der Realität gibt es diese Geschichten und es ist notwendig, davon zu erzählen.
Der Autor fragt sich, was ein solches Aufwachsen mit einem macht. Wie verarbeitet man die Armut, die Gewalt? Über seinen Vater schreibt er : „Ich wusste ja nicht, was es ihn gekostet hatte, die eigene Vergangenheit zu überleben.“
Erstaunlicherweise findet der Ich- Erzähler bei seinem Vater und dessen Geschwistern kein Selbstmitleid, keine Verbitterung, kein Jammern, eher ein trotziger Stolz, es trotzdem irgendwie geschafft zu haben.
Der Ich- Erzähler hat sein Netz ausgeworfen und vieles eingefangen. Auch wenn nicht alle Fragen beantwortet wurden, so ergibt sein „ Beifang“ ein vielfältiges und faszinierendes Gesamtbild.
Martin Simons schreibt nüchtern, völlig unpathetisch. Gleichwohl hat mich das Schicksal der Figuren berührt. Anschaulich schildert er die Zustände jener Zeit, lässt die einzelnen Protagonist

Bewertung vom 19.07.2022
Eine Feder auf dem Atem Gottes
Nunez, Sigrid

Eine Feder auf dem Atem Gottes


ausgezeichnet

Vater, Mutter, Tochter
Nachdem die amerikanische Autorin Sigrid Nunez mit ihren beiden Büchern „Der Freund“ und „ Was fehlt dir“ auch in Deutschland bekannt und erfolgreich wurde, hat sich der Aufbau- Verlag entschieden, ihren bereits 1995 erschienenen Debut- Roman in einer Neu- Übersetzung von Anette Grube herauszugeben.
Setzt sie sich in den beiden oben erwähnten Büchern v.a. mit dem Tod und mit dem Thema Freundschaft auseinander, so geht sie in „ Wie eine Feder auf dem Atem Gottes“ zurück in ihre Kindheit und Jugend in New York.
Der Roman gliedert sich in vier Teile.
Der erste Teil beschäftigt sich mit dem Vater, einem in Panama geborenen Halbchinesen. Da der Vater ein großer Schweiger war, stammen die wichtigsten Informationen über ihn von ihrer Mutter. Während des Zweiten Weltkriegs kämpfte er in Frankreich und Deutschland und lernte als Besatzungssoldat die 18jährige Christa kennen. Mit Frau und Tochter geht es zurück in die USA. Hier wird er unermüdlich in schlecht verdienenden Jobs arbeiten, um seine Familie durchzubringen. Die Tochter findet keinen Zugang zu dem schweigsamen Mann. Er wird bis an sein Lebensende kaum richtig Englisch sprechen können. Sie liest Pearl S. Bucks Roman „ Die gute Erde“, um so vielleicht mehr über seine chinesische Wurzeln zu erfahren.
Im zweiten Teil geht es um das problematische Verhältnis zur Mutter. Diese war eine schwierige, ewig unzufriedene Frau. Nie hat sie sich in der neuen Heimat wohlgefühlt, träumte immer von einer Rückkehr nach Deutschland, wohl wissend, dass es das Deutschland ihrer Kindheit und Jugend nicht mehr gab. Die Ehe der Eltern, zwei so ungleicher Menschen, war nicht glücklich. Das spürten natürlich auch die beiden Töchter.
Mit zwölf Jahren entflieht die Autorin dem erdrückenden Zuhause in die Welt des Balletts. Sie träumt davon, eine Ballerina zu sein. Davon erzählt der dritte Teil des Romans. Obwohl sie die nötige Disziplin und Härte aufbringt, die das Training erfordert, hat sie zu spät damit begonnen , um wirklich erfolgreich in diesem Metier zu werden. Aber auch das Scheitern ist eine wichtige Etappe auf dem Lebensweg. In diesem Kapitel fällt der Satz, der dem Buch den Titel gab. Jede Ballerina wünscht sich, leicht wie eine Feder zu sein, „ eine Feder auf dem Atem Gottes“, ein Zitat Hildegard von Bingens.
Im letzten Teil schreibt Sigrid Nunez ehrlich und offen über ihre leidenschaftliche Beziehung zu dem russischen Einwanderer Vadim. Er ist Schüler in ihrem Englischkurs für Ausländer und wird bald der Beste in der Klasse . Seine Wildheit und Furchtlosigkeit faszinieren sie, doch er bleibt eine kurze Affäre. Zu unterschiedlich sind das Milieu und die Wertevorstellungen der Beiden; hier die junge, aufstrebende Amerikanerin, da der kleinkriminelle Macho aus Russland.
Sigrid Nunez greift in ihrem Debut verschiedene Themen auf. Es geht um Identität und Zugehörigkeit, um das Leben zwischen den Kulturen, um Sprache und Sprachlosigkeit.
Gerade bei ihren Eltern hat die Autorin erlebt, welche Folgen das Fehlen einer gemeinsamen Sprache hat. Eine Kommunikation und damit ein befriedigendes Zusammenleben ist nicht möglich. Vadim dagegen lernt eifrig Englisch, um seine Lehrerin zu verführen. Und ihre privaten Gespräche sind oft eine Weiterführung des Unterrichts.
In Sigrid Nunez‘ Erstling zeichnet sich schon ab, was in ihren späteren Büchern noch ausgeprägter sein wird. Sie belässt es nicht bei der Schilderung ihrer Erlebnisse, sondern viele Begegnungen und Beobachtungen werden Anlass zur Reflexion. So erlebt sie z.B. ihren Vater bei einem der seltenen Treffen mit anderen Chinesen. Hier zeigt sich der ansonsten stumme Mann als äußerst redselig. Und sie fragt sich später, ob sein Schweigen nicht darin begründet lag, dass ihm niemand zuhören wollte.
Im dritten Kapitel stellt sie z.B. Überlegungen an zum Thema Schmerzen oder zum Zusammenhang zwischen Ballett und Sexualität.
Sigrid Nunez schreibt episodenhaft, ihre Sprache ist klar und präzise, der Ton leicht,

Bewertung vom 18.02.2022
Glücksfisch: Weißt du, was die Tiere machen? Kleine Biene

Glücksfisch: Weißt du, was die Tiere machen? Kleine Biene


ausgezeichnet

Süß und informativ
Dieses Buch aus der Reihe „ glücksfisch“ des Fischer Verlages vermittelt Sachwissen schon für die Kleinsten. Das Cover mit der Biene im Mittelpunkt spricht einen sofort an. Auf neun farbenfrohen Seiten wird das Wesentliche über das Leben dieses Tieres und seine Funktion für das Ökosystem kindgerecht vermittelt. Was sind die Aufgaben von Bienen, wo und wie leben sie, warum summen sie und welchen Zweck hat der Bienentanz? Das alles wird hier erklärt.
Guckloch, Schieber und zahlreiche Klappen sorgen für zusätzlichen Spaß und regen die Entdeckerfreude an. Kleine Bewegungsaufgaben runden das Ganze ab. Das Format ist handlich und ideal für kleine Kinderhände. Das Buch ist aus stabiler, abwaschbarer Pappe und somit beinahe unverwüstlich.
Ein rundum gelungenes, schön gestaltetes und bunt illustriertes Bilderbuch für Kinder ab zwei Jahren.

Bewertung vom 12.02.2022
Mein großes Lichter-Wimmelbuch: Auf dem Bauernhof
Grimm, Sandra

Mein großes Lichter-Wimmelbuch: Auf dem Bauernhof


sehr gut

Auch schon für Kleine
„ Mein Großes Lichter- Wimmelbuch“ widmet sich hier einem Thema, das Kinder immer wieder anspricht. Auf zehn Seiten entfaltet sich das bunte Treiben auf einem Bauernhof; jede Doppelseite widmet sich einem bestimmten Lebensraum, dem Stall, Wiese und Weide, dem Teich und dem Garten. Links findet sich ein kurzer Einführungstext, den Kinder dieser Altersgruppe gut verstehen. Auf den Bildern lassen sich unendlich viele Tiere, Pflanzen, Gegenstände usw. entdecken. So bieten die vielen Details jede Menge Gesprächsstoff. Es geht also nicht nur darum, bestimmte Dinge zu finden, sondern auch Zusammenhänge herzustellen. ( z.B. Was machen die Raupen auf dem Kohlkopf? Welcher Hund passt auf? usw.)
Das Besondere aber sind die bunten Knöpfe, die gedrückt Tiere und Gegenstände, die gefunden werden sollen, aufleuchten lassen. Das Buch wird für die Altersgruppe ab zwei Jahren empfohlen. Da sind Kinder in der Lage, die Knöpfe zu bedienen und die Aufgabenstellung zu bewältigen. Diese Lichter faszinieren aber auch schon Kleinere. Erwachsene mögen die Illustrationen als etwas kitschig empfinden, aber Kinder werden ihre Freude daran haben. So ist meine Enkelin ( 13 Monate) ganz begeistert von dem Buch.

Bewertung vom 12.02.2022
Das Vorkommnis / Biographie einer Frau Bd.1
Schoch, Julia

Das Vorkommnis / Biographie einer Frau Bd.1


sehr gut

Reflexionen und Erinnerungen
Bei einer Lesung kommt auf die Ich- Erzählerin eine fremde Frau zu, mit der Bitte, ein Buch zu signieren und der Bemerkung: „ Wir haben übrigens denselben Vater.“
Dieses titelgebende Vorkommnis steht am Anfang des neuen autofiktionalen Buchs der deutschen Autorin Julia Schoch. Und dieser Zwischenfall ist Auslöser für vielfältige Reflexionen und Erinnerungen.
Mehrfach rekapituliert die Ich- Erzählerin dieses Zusammentreffen , analysiert auch ihr damaliges Verhalten (Sie fiel der fremden Frau um den Hals.)
Hatte sie nicht immer schon geahnt, dass es irgendwann zu einer solchen Begegnung kommen würde? Denn gewusst hatte sie von der Existenz eines Kindes, das ihr Vater vor seiner Ehe gezeugt hatte.
Sie beginnt ihre Kindheit in einem Provinzort an der DDR- Randzone zusammen mit ihren Eltern und einer sechs Jahre älteren Schwester in neuem Licht zu sehen. Die geometrische Form ihrer Familie wurde durch das Auftauchen eines neuen Mitglieds beschädigt. „ Bislang hatte die Familie, aus der ich kam, einem Quadrat geglichen….Einem recht großen Quadrat, die Ecken weit voneinander entfernt, aber noch in Sichtweite….Erst mit ihr, der fremden Frau, verschwand das Bild eines stabilen Quadrates. …wurde aus der sauberen geometrischen Form ein struppiges Gewächs.“
Beim Rekapitulieren der frühen Kinderjahre entsteht so gleichsam ein Bild vom Aufwachsen in der DDR.
Auch bei ihrem Aufenthalt in den USA Wochen später lässt die Ich- Erzählerin die Geschichte nicht los. Hierher ist sie gereist auf Einladung einer Universität, um Vorlesungen zu halten. Mit dabei sind die beiden kleinen Kinder der Autorin und ihre Mutter. Mit der führt sie Gespräche über früher, über das Leben der Mutter als junge Frau, über Kindererziehung damals und heute.
Sogar das Verhältnis zu ihrem Mann leidet unter dem „ Vorkommniss“. Gibt es auch in ihrer Beziehung Geheimnisse, Dinge, die verschwiegen werden? Wen kennt man wirklich und wem kann man vertrauen? Fragen, die Misstrauen und Zweifel wecken. „Auch die Beziehung zu meinem Mann, die mir bis dahin als die größte Liebesgeschichte des späten 20. Jahrhunderts erschienen war, bekam Risse - allein dadurch, dass ich über sie nachdachte.“
Julia Schoch geht in ihrem unglaublich dichten Text assoziativ vor und erzählt in kurzen Kapiteln. Die Sprache ist präzise und klar; dabei findet sie immer wieder beeindruckende Bilder und Vergleiche. Gekonnt verzahnt sie eigene Erlebnisse, Familiengeschichte und Erinnerungen mit Reflexionen und sucht Antworten auf existenzielle Fragen. Mit Themen wie Ehe und Muttersein, Kindheit und Geschwisterbeziehungen, Vertrauen und Liebe setzt sie sich auseinander. Dabei holt sie sich öfter Hilfe in der Literatur.
Gerne bin ich ihren Ausführungen gefolgt, wenn auch nicht jeder Gedankengang gleich nachvollziehbar war; habe manche kluge Sequenz unterstrichen.
Liebhaber anspruchsvoller Literatur werden ihre Freude an diesem zwar handlungsarmen, aber klugen Roman haben. Viele Sätze lassen den Leser innehalten und nachdenken. Sätze wie diese: „Wenn in unserem Rücken etwas Unerwartetes sichtbar wird, ist das beunruhigend. Genauso ist es mit den Dingen, die hinter uns liegen. Wir wollen nicht, dass aus dem Nebel der Vergangenheit etwas auftaucht, das uns dazu zwingt, umzudrehen. Wir wollen nicht rückblickend alles revidieren müssen. Lieber verteidigen wir unsere Vergangenheit.“
„ Das Vorkommnis“ ist, wie uns der Klappentext verrät, der Auftakt einer Trilogie „ Biografie einer Frau“. Man darf gespannt sein auf die nächsten beiden Bände.