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LichtundSchatten

Bewertungen

Insgesamt 277 Bewertungen
Bewertung vom 21.04.2024
Wir
Steinmeier, Frank-Walter

Wir


weniger gut

Das offenste deutsche Wort, das unverbindlichste, auch gefährlichste besteht aus drei Buchstaben: W, i , r . Wer soll das sein in Deutschland?

Nach Frank-Walter Steinmeier, dem 12. deutschen Bundespräsidenten, ist es die Mehrheit aller Deutschen, die demokratische Mitte. Woran erkenne ich diese? Sie setzt sich für den Staat und dessen Institutionen ein. Der Rest, also die Misstrauischen, die Kritischen, die Benachteiligten? Wie sind sie durch das Wir zu behandeln? Sollen wir für sie beten oder sind sie nicht vielmehr das Salz in der Suppe der Demokratie, die sie bewegen und weiterbringen? Ist Demokratie nicht vielmehr die Staatsform des Misstrauens von unten nach oben, die Kritik, das Hinterfragen? Keine Antwort in diesem Buch.

Sozialdemokraten reden gerne vom wir und den eigenen Erfolgen, Genossen genießen die Wärme der Wissenden, sie dürfen sich einreihen in etwas, was Enzensberger schon 1994 beschrieben hat: „In der Abenddämmerung der Sozialdemokratie hat dagegen Rousseau noch einmal gesiegt. Sie haben nicht die Produktionsmittel, sondern die Therapie verstaatlicht. Dass der Mensch von Natur aus gut sei, diese merkwürdige Idee hat in der Sozialarbeit ihr letztes Reservat. Pastorale Motive gehen dabei eine seltsame Mischung ein mit angejahrten Milieu- und Sozialisationstheorien und mit einer entkernten Version der Psychoanalyse. Solche Vormünder nehmen in ihrer grenzenlosen Gutmütigkeit den Verirrten jede Verantwortung für ihr Handeln ab.“ („Aussichten auf den Bürgerkrieg“, 1994, S. 37)

Das Lieblingswort von Sozialdemokraten ist das rundum güldene, vermeintlich alle einschließende Wir, aber es hat einen harten, ausgrenzenden Kern. Wehe, man hat auch nur geringfügige Spuren eines alten Patriotismus oder man kritisiert alle Religionen, dann ist man nach diesem neuen Knigge der Demokratie raus. Nichts findet sich in diesem Buch über den Linksterrorismus und den Islamismus.

Dieses Buch hat mich animiert, das Buch „Wir“ von Jewgeni Samjatin wieder zu lesen. In ihm wird eine dystopische Gesellschaft beschrieben, die unter umfassender Kontrolle eines Wohltäters steht, der sein Ich perfekt in das verbindliche Wir für alle übersetzt. Es ist das erste Buch, welches offiziell in der Sowjetunion verboten wurde. Unzählige „Beschützer“ wachen über das Wohl der Einwohner, deren Leben bis in kleinste Details reglementiert ist, über allen steht ein wohl meinender, mächtiger „Wohltäter“. Menschen die sich gegen diese Fürsorge wehren, werden öffentlich hingerichtet. Der Einzelne zählt nicht, nur das Kollektiv.

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.04.2024
Jerusalem (eBook, ePUB)
Sebag Montefiore, Simon

Jerusalem (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Es ist die Hauptstadt der Welt, für mich zweifellos und ihre Geschichte spiegelt ein unsagbares Leiden, Morden, Brandschatzen und Belagern, bis zum heutigen Tag. Die drei Weltreligionen bündeln ihre Heiligtümer in dieser Stadt und im Untergrund lagern weitere Tempel, nach denen man nicht mehr graben darf. Wer die Bibel gelesen hat, kann sogar in die Zukunft schauen und könnte erschaudern.

Grund genug dieses lesenswert spannende Buch zu studieren und in kaum merkbare Zeiten, Namen und Handlungen einzutauchen, schon der Titel macht Lust auf eine Historie, die mehr als fesselt. Die Inhalte Von der Antike bis Jesus waren mir größtenteils fremd, abgesehen von den biblisch bekannten Personen, ein echtes Sammelsurium an Kämpfen, Kriegen und Plünderungen, Mord und Totschlag. Wenig bleibt in Erinnerung, nur die erstaunliche Tatsache, dass Jerusalem immer wieder neu entsteht, robuster noch als zuvor.

Weil diese Aussage unkommentiert aufgeführt wird (S. 158 ) und eher Aggressivität insinuiert, möchte ich sie kurz erwähnen: „Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ (Matthäus 10,34) Übersetzt man diesen Satz tatsächlich aus dem Aramäischen in richtiger Weise (Franz Alt: Was Jesus wirklich gesagt hat) , dann heißt er: Seid nicht gutgläubig, seid wachsam! Wenn Ihr Euch mit anderen zusammensetzt, zieht das "Schwert der Worte" und streitet für Eure Sache. Meine Aufopferung, mein Selbstopfer bedeutet nicht Frieden, Erlösung als Automatismus, sie ist eher der Beginn des Kampfes um Wissen und Wahrheit.

Keinesfalls kann hier also eine irgendwie mögliche, direkte Kampfaussage hinein interpretiert werden. Jesus setzte sich im Tempel mit den Priestern auseinander und benutzte dafür das Schwert der Worte, das ihm letzten Endes die Kreuzigung einbrachte. Und Jesus meinte nicht nur die Gerechtigkeit in der jenseitigen Welt, sondern auch die in der aktuellen Welt.

Unglaubliche Ereignisse bis heute, Jerusalem lebte immer in maximaler explosiver Spannung, sehr gut beschrieben in diesem Buch, die Hauptstadt der einzigen Demokratie im Nahen Osten, immer unter Beschuss der Gegner wie Hamas oder Iran, … und genau jetzt: „Jerusalem … scheint intensiver zu leben als jeder andere Ort; alles bleibt gleich, und doch steht nichts still.“ Ein Pulverfass, das jederzeit hochgehen kann, ein Ort der Stille und Einkehr, des Gebets, der Feiern für alle 3 monotheistischen Religionen. Wenn hier jemand Frieden schaffen kann, in Demokratischer Verfassung, dann ist es das jüdische Volk, erfahren in der Auseinandersetzung mit anderen in allen Erdteilen und Religionen.

Sehr oft gehe ich per YouTube auf Wanderschaft in Jerusalem und nichts beeindruckt mich mehr als die Gebete an der Klagemauer. Das Buch endet mit 3 Personen, die die Heiligtümer öffnen, bewachen und sauber halten: „Heute morgen“ (S. 749) „Jeder hat zwei Städte, seine eigene und Jerusalem.“ (Teddy Kolek)

Bewertung vom 19.04.2024
Im Fußball-Himmel
Schießler, Rainer Maria

Im Fußball-Himmel


gut

Fußball und Glaube hat für Rainer M: Schiefer einen guten Klang, wohl auch wenn Frank Ribéry die Schale in den Münchner Himmel hält. Dieser wird im ersten Satz erwähnt bzw. seine Verzückung beim im Himmel halten der Meisterschale des FCB.

Die Rituale des Fußballs vergleicht Rainer M. Schießler mit jenen der Kirche. Zweifellos ist das in einigen Facetten so, aber doch gibt es einen wesentlichen und zentralen Unterschied. Fußball ist Kampf und Siegen, die christliche Religion verkörpert Mitmenschlichkeit, Liebe und Hilfe. Dass zu Beginn ein fußballernder Nicht-Christ erwähnt wird, es wird ein Geheimnis von Herrn Schießler bleiben.

Ich sehe Kirche und Fußball kritisch und Bezeugungen zu dem oder einem anderen Gott verursachen erhebliche Probleme. Allerdings schreibt der Autor, dass Gott bei den Mannschaften neutral bleibt, er möchte nur, dass es fair und sportlich zugeht.

Jesus hat eher weniger von Wettbewerb oder Besserseinwollen gesprochen, allenfalls im mitmenschlichen Bereich. Trotzdem haben mir die Annäherungen in diesem Buch und die Gedanken gefallen. Wer sie kritisch liest, hat am meisten davon.

Begegnet ist mir in diesem Buch die Hochzeit von Philip Lahm, den der Autor getraut hat, also eine Art Promi Geistlicher. Warum auch nicht. Alle Bereiche, die heute noch ein wenig Christentum beinhalten, sind gut und erstrebenswert.
Ganz am Ende redet der Autor vom Sinn des Betens, das hat mich überzeugt: „Das Gebet ändert nicht die Welt um mich herum und schießt auch keine Tore. Aber es macht aus mir einen anderen Menschen, a bisserl besonnener, friedlicher und gelassener.“

Ich stelle mir diese Art von gelassenen Fußballern auf dem Rasen vor und lasse das ganze Buch Revue passieren. Es ist doch etwas hingebogen, gewollt und nicht wirklich überzeugend. Ein ganze privater Bericht eines Pfarrers, der die Spannung des Fußball liebt.

Lese jetzt wieder im Buch „Was Jesus wirklich gesagt hat“ von Franz Alt. Vermutlich hilft beten am besten nach einer richtig deprimierenden Niederlage und tatsächlich sehe ich die Vorstandsriege des FCB zusammen mit den Spielern in den Katakomben des Vereins beten: für den Meistertitel 2025.

Bewertung vom 18.04.2024
Erinnerungen an Czernowitz
Yavetz, Zvi

Erinnerungen an Czernowitz


ausgezeichnet

Selten bin ich tiefer in das Leben jüdischer Mitbürger eingestiegen als in diesem Buch. Zu Herzen gehend geschrieben und alle Facetten auffächernd, die jüdisches Leben so anders macht(e). Man versteht, warum hier die Familie, der Zusammenhalt, Traditionen, Bildung so wichtig und zentral sind, und, warum daraus folgernd, Menschen aus diesem Kulturkreis so erfolgreich sind.

Zvi Yavetz wächst ohne Vater auf und das traurige Gesicht seiner Mutter machte sein Herz schwer. Vor diesem Hintergrund ist seine Entwicklung hin zu einem Professor für Alte Geschichte an der Universität Tel Aviv mehr als bewundernswert. Es ist eine der selten glücklichen Biografien, die aus tiefer Menschlichkeit und Liebe geschrieben wurden, aus Dankbarkeit und Hinwendung zu Wissenschaft und Frieden.

Dieser Satz führte mich direkt ins heute: „Heute bin ich fest davon überzeugt, dass ein großer Teil der jüdischen Bevölkerung von Czernowitz den mündlich weitergegebenen Nachrichten mehr Glauben schenkte als den offiziellen Berichten der Tageszeitungen.“

Czernowitz war damals eine multikulturelle Stadt mit unterschiedlichsten Religionen, Sprachen und Bevölkerungsanteilen. Ich konnte im Nachlesen wenig Frieden und Glück entdecken, die Kommunikation wurde im Untergrund geführt und wenige trauten den anderen über den Weg. Für ein Kind ist dies manchmal Abenteuer, meist aber ein tiefer Graben, der eher depressiv macht.

Was in solchen Situationen und besonders im jüdischen Leben immer lebensnotwendig scheint, ist der Humor. Das Kapitel Seite 193 bis 207 ist deshalb besonders spannend: Czernowitzer Humor.

Bewertung vom 18.04.2024
Endlich mit Aktien Geld verdienen
Otte, Max

Endlich mit Aktien Geld verdienen


ausgezeichnet

In wenig anderen Staaten ist Geld verdienen mit Aktien so unpopulär wie in Deutschland. Die Investition in erfolgreiche Unternehmen wurde hier nie wirklich gelernt und die positiven Ergebnisse in die unbändigen Kräfte der Marktwirtschaft ist nach wie vor unpopulär, obwohl wir Exportweltmeister, Erfinder und fleißige Mittelständler haben.

Max Otte gelingt mit diesem Buch ein echter Motivations-Schub für eine Umkehr. „Ich investiere am liebsten langfristig in Qualitätsaktien und verdiene mein Geld gerne möglichst stressfrei.“

Das Buch vermittelt die Grundlagen für ein solches Vorgehen, auf leicht verständliche und klare Weise. Im Grunde sollte dieses Buch schon in der Schule behandelt werden, als Geschenk für 18-Jährige eignet es sich bestens.

Im Vergleich zu Aktien sind Immobilien zunehmend problematisch, sie werden von der Regierung bekämpft. „Über Gebühren und Auflagen sowie das im April 2023 verkündete Verbot von Öl- und Gasheizungen werden die Immobilienbesitzer geschröpft.“ Grund genug über die (mobilen) Aktien nachzudenken und in das Können anderer zu vertrauen.

Max Otte beschreibt anschaulich, auch an konkreten Beispiel, wie sein Königsweg der Bewertung aussieht. Mir sind viele Lichter aufgegangen, die ruhige, kluge Art des Autors schwingt zum Leser herüber und macht Mut, sich auf die Bewertung von Unternehmen einzulassen und Anteile davon zu kaufen bzw. zu verfolgen. Jeder ist dazu in der Lage und kann davon profitieren.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.04.2024
75 Jahre Soziale Marktwirtschaft in 7,5 Kapiteln
Goldschmidt, Nils;Kolev, Stefan

75 Jahre Soziale Marktwirtschaft in 7,5 Kapiteln


sehr gut

Ich habe eine Schwäche für diese Art von Büchern, die Wissen auf übersichtlichen 80-100 Seiten präsentieren. So müssen sich Autoren auf das Wesentliche konzentrieren und aufgrund des handlichen Formates (11x19 cm) kann ich es in der Jackentasche mitnehmen und überall lesen.

Einer der Autoren hört auf einem Marktplatz in Deutschland ein Gespräch von einer jungen Studentin mit und hört: „Na ja, die soziale Marktwirtschaft ist doch nichts Halbes und nichts Ganzes.“ Ist sie tatsächlich nur noch ein Windbeutel, mit viel Platz für Schaumschlägerei? So startet dieses lesenswerte Buch und nimmt mich gleich gefangen.

Soziale Marktwirtschaft wurde nach dem 2. Weltkrieg bei uns eingeführt, sie stellt neben wirtschaftlicher Effizienz das Wohlergehen der Menschen ins Zentrum seiner Vorgehensweise. Sie ist eine regelgeleitete Wirtschaftsordnung mit einem sicheren, rechtlichen Rahmen, der den Wettbewerb zu gesellschaftlich wünschenswerten Ergebnissen führt. „Der Staat garantiert diese Rahmenordnung, um einen fairen und entmachtenden Wettbewerb hervorzubringen.“ Dabei darf es nicht Aufgabe des Staates sein, aktiv in den Markt einzugreifen. Das Wort „entmachtend“ war mir neu, ich werde es in anderen Zusammenhängen suchen und bewerten. Denke, es hat zwiespältige Dimensionen.

Die beiden Wirtschafts-Professoren Alfred Müller-Armack und Ludwig Erhard haben die Soziale Marktwirtschaft theoretisch und mit dem späteren Kanzler praktisch geprägt. Der Vergleich mit einem Fußballspiel gilt auch heute noch. So wie der Schiedsrichter im Fußball nicht mitspielen darf, darf das der Staat eben auch nicht. Er setzt die Regeln und Planken für gerechtes, menschliches Wirtschaften, für Innovation, Gewinn UND soziales Gewissen im gegenseitigen Respekt aller. Dabei spielte für alle, also auch Adenauer, die europäische (auch transatlantische) Aussöhnung und Zusammenarbeit eine zentrale Rolle.

Das Buch erläutert in 7,5 Kapiteln die Entwicklung der sozialen Marktwirtschaft bis hin zum Beginn des Krieges in der Ukraine (das nur halbe, nicht abgeschlossene Kapitel). Alles verständlich und ohne zu viel Fremdworte. Das liest man selten und Karl Popper hätte seine Freude an den Autoren.

Irenik bedeutet das Bemühen um eine friedliche interkonfessionelle Auseinandersetzung mit dem Ziel der Aussöhnung. Dieses Wort fließt mehrfach ein (wird als bekannt vorausgesetzt) und wird auch im Kapitel „Wir schaffen das“ verwendet. Nun, es bleibt wohl ein Bemühen, denn ob es mit der 3. monotheistischen Religion Erfolg hat, möchte ich in Frage stellen. Genau hier weicht dieses Buch aus und wäre möglicherweise zu anderen Ergebnissen gekommen, wenn man den 7.10.24 mit in die Betrachtungen einbezieht. Wie Projekte in Afrika zu steuern wären, um dort Bildung zu schaffen, nun, unsere Entwicklungshilfe muss man zwiespältig bewerten, sie wird aktuell durch China und Russland konterkariert, durchaus mit großem Erfolg. Warum? Weil man weniger den Entscheiden gibt als vielmehr direkt vor Ort eingreift und Projekte voranbringt.

Trotzdem: sehr lesens- und nachdenkenswert. Eine Strecke deutsche Geschichte, die sich trotz aller Unkenrufe als Erfolg darstellen kann.

Bewertung vom 17.04.2024
Unbeweglich war gestern
Barkow, Dominik

Unbeweglich war gestern


ausgezeichnet

Ein ganz hervorragendes, gut lesbares, verständliches, bestens bebildertes Buch, um wieder, endlich wieder in Bewegung zu kommen, mobiler zu werden.

Dominik Barków beleuchtet im Buch alle zentralen Körperpartien, beschreibt diese und zeigt Übungen auf, um diese Stellen besser zu trainieren, ihnen mehr Stabilität zu verleihen.

Besonders gefallen hat mir die Checkliste, um das neue Normal zu schaffen auf den Seiten 56 und 57. Dort werden ganz simple, einfach Hilfsmittel aufgeführt, die helfen, ein gesundes, bewegtes Leben zu führen. Zum Beispiel: Hocken, wann immer es geht, barfuß gehen, einfach mal springen etc.

Wichtig für mich waren die Partien Knie und Unterkiefer, die Darstellungen und Beschreibungen sind klar und nachvollziehbar, alle anderen Punkte habe ich mir ebenso durchgelesen und möchte ihnen mehr Aufmerksamkeit widmen. Dabei spielt die tiefe Hocke eine wohl zentrale Rolle für mehr Balance und Beweglichkeit.

Schön ist, man kann sich Punkt für Punkt weiterarbeiten, um so ingesamt mehr Kraft und bewegliches Gleichgewicht zu gewinnen. Es macht Spaß in diesem Buch zu lesen, es ist nicht überfrachtet und auf das Wesentliche fokussiert. .

Bewertung vom 15.04.2024
Gesinnungspolizei im Rechtsstaat?
Brodkorb, Mathias

Gesinnungspolizei im Rechtsstaat?


ausgezeichnet

Ist der deutsche Verfassungsschutz noch zeitgemäß oder ein wenig hilfreiches, einseitiges Instrument der regierenden, deutschen Parteien? Kein anderer Staat hat ihn, aber Deutschland muss wohl die Gesinnungen deutscher Bürger stärker prüfen als andere - liegt doch die NS-Zeit nur kurz zurück.

Stimmt es, dass der VS mehr Probleme verursacht als löst und warum ist kein anderer Staat dem deutschen Vorbild gefolgt? Das Buch überzeugt durch eine klare, verständliche Sprache und erläutert zunächst die gesetzliche Kernaufgabe sowie die dafür benutzten Begriffe bzw. die Sprache.

„Es geht in diesem Buch allein darum, den Verfassungsschutz auch jenseits aller Skandale als eine für die Demokratie unwürdige Institution zu analysieren.“ Mehr als theoretisch etwas darüber zu lesen oder Interpretationen zu konsumieren, sprechen Fallstudien eine ganz eigene, unverfälschte Sprache.

Ramelow, Gössner, Schnellroda, Martin Wagener, AfD, Delegitimierung des Staates - das sind die konkreten Fälle, an denen das Vorgehen einer Institution gezeigt wird, die heute einen Herrn Haldenwang zum Vorsitzenden hat. Mathias Brotkorb ist davon überzeugt, dass eine Reform nicht mehr genügt, sondern ein Ende dieser Institution notwendig wäre. Nach diesen Fallstudien fällt es schwer, dem zu widersprechen.

Wenn Parteien eine Auseinandersetzung mit Konkurrenten dem Verfassungsschutz übertragen, scheint sein Ende nahe und unausweichlich. Wenn er noch dramatische Fehler macht und auch personell eher am unteren Ende der intellektuellen Fähigkeiten argumentiert, ist für mich eine Demokratie-Gefährdung vorhanden, die den offenen, demokratischen Diskurs untergräbt. Parteien wie die SPD oder die Grünen tun sich keinen Gefallen mit diesem Vorgehen, Wähler werden hier entsprechende Antworten geben.

Bewertung vom 14.04.2024
Der Judenhass
Voigt, Sebastian

Der Judenhass


gut

Ein gut lesbarer, verständlicher Überblick zum Antisemitismus über die letzten 2000 Jahre - primär aus westeuropäischer und christlicher Sicht formuliert!

Ein wesentlicher Bestandteil antijüdischer Einstellungen fehlt mir allerdings. Der islamische Antisemitismus kommt erst mit den Anschlägen am 11. 9. 2001 ins Spiel, eine Analyse der Grundlagenwerke des Islam (Koran, Hadith, Biografie Mohammeds) fehlt weitgehend. Stattdessen wird vom islamistischen Antisemitismus geredet, und der Autor wird durch die Anschläge vom 7.10.23 geradezu überrascht, er schreibt ganz am Ende (als Nachtrag): „Angesichts dessen bin ich geschockt und sprachlos, wenn auch nicht verwundert.“

Dass der Antisemitismus eine lange Tradition hat, macht heute vor allem auch eine Analyse im Hinblick auf die Differenzen der drei monotheistischen Religionen erforderlich. Herr Voigt vernachlässigt hier die islamische Komponente fast völlig, die Zusammenarbeit im Dritten Reich mit den Muslimbrüdern wird zudem nicht erwähnt.

Dass Israel heute einem massiven Angriffskrieg gegenüber steht und sich gegen Dronenarmeen aus der islamischen Republik Iran wehren muss: Wer die Grundlagenwerke des Islam studiert, die Hadith und das Leben Mohammeds, kann darüber wenig überrascht sein. Israel als einziges demokratisches Land in dieser Region darf auf die deutsche Staatsräson hoffen und muss von uns mit verteidigt werden. So jedenfalls offizielle Verlautbarungen.

Dass aber auf unseren Straßen wieder antisemitische Ausrufe zu hören sind, wirklich unerhörte!, die von Herrn Voigt erwähnt werden, steht im Raum, und viele sind sprachlos. Wer diese Komponente nicht tiefgreifend in seine Analysen einbezieht, muss notwendigerweise ein verkürztes, unvollständiges Lagebild abgeben. Israel ist auf diesem Gebiet leidvoll geprüft viel weiter und gibt Antworten, die bei mir bewundernswertes Staunen auslösen.

Bewertung vom 05.04.2024
Amerika hat die Wahl
Winkler, Peter

Amerika hat die Wahl


ausgezeichnet

Dieses Buch verschafft einen sehr guten Überblick zur anstehenden Wahl in Amerika bzw. den zugrunde liegenden Problemen. Oft habe ich den Eindruck, in Deutschland sei alles um Trump, Biden und Co. präsenter als deutsche Politiker. Keine Vorwahl, kein Gerichtsurteil, keine Anklage wird ausgelassen.
Dabei steht eher die Biden Sichtweise im Vordergrund, Trump wird eher kritisch gesehen.

Hier finde ich auch kritische Stimmen zu Biden und insbesondere dem Sohn Hunter Biden, dessen Verfehlungen in Deutschland eher ausgeblendet werden. „Trump gebührt der Verdienst, dass er die Europäer in seiner ersten und bisher einzigen Amtszeit an die alte Wahrheit erinnerte, dass nichts umsonst zu haben ist.“

„Grob gesagt konzentrieren sich Linksprogressive in den Ballungsräumen, während sich die ländlichen Räume tendenziell langsam entleeren und eindeutiger konservativ werden.“ Die Polarisierung in den USA wächst, auch mit einem problematischen Wahlsystem, das Menschen zunehmend wütender macht, eine Einstellung, die von den Medien intensiv bewirtschaftet wird. Rechte schieben alles auf den Woke-Wahnsinn und Migranten, Linke auf die Gier des Kapitalismus und den Rassismus.

Prognosen sind schwer, aber werden immer weiter probiert. Unglaubliche Analysen werden kolportiert, nur um schnell wieder kassiert zu werden. Ein wirkmächtige Annahme, Junge und Migranten wählten links, wird soeben in Deutschland konterkariert, auch in den USA leben die schon oft totgesagten Konservativen länger, es gibt keinen Automatismus zu den Demokraten hin.

Nach diesem Buch bleiben die Prognosen offen, alles scheint möglich, zwei alte Männer am Schalthebel der Macht, Amerika hat es nicht leicht. Zu hoffen bleibt, dass danach versöhnliche Hände einander weiter helfen, um die USA stabil zu lassen, einen verlässlichen Partner für Europa.