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Adelebooks
Wohnort: 
Bremen

Bewertungen

Insgesamt 118 Bewertungen
Bewertung vom 31.12.2023
Zweistromland
zu Stolberg, Beliban

Zweistromland


ausgezeichnet

Eine Identitätssuche zwischen Deutschland und Diyarbakir, zwischen Trauma und Neuanfang…

Wie leben beschwiegene Traumata in Familien fort, nehmen die Zwischenräume menschlicher Beziehungen ein und prägen so auch nachfolgende Generationen? Wie sehr beeinflusst was die Eltern waren und sind, die Identität ihrer Kinder? Wie findet man zu sich selbst durch Traumata und Schweigen der Kindheit?

In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Gesichte um Dilan, Kind kurdischer Eltern, geboren und aufgewachsen in Norddeutschland. Kurdisch, die Muttersprache ihrer Eltern, umgibt seit jeher ein Geheimnis, ihr selbst hat man es nie beigebracht. Doch Sprache ist Weltzugang. Welche Geschichte und Vergangenheit wird mit der Sprache und durch sie verborgen? Und was hat das alles mit Dilan zu tun?

Dilans Geschichte wird in drei Teilen, als Erwachsene und werdende Mutter in der Türkei, als Kind und Jugendliche in Norddeutschland und wieder als Erwachsene auf Spurensuche in Diyarbakir, erzählt. Die Handlung setzt sich dabei bruchstückhaft zusammen, erschließt sich im Hintergrund allmählich und steht damit auch sinnbildlich für Dilans Geschichte und Identität selbst.

Besonders begeistert hat mich wie die Autorin Worte für die Zwischentöne menschlicher Beziehungen und des Sich-Verhaltens und in Beziehung- Setzens zur Umwelt findet. Das Bedürfnis nach Ruhe und Mit-Sich-Selbst sein, sich über eine Konversation zu freuen, weil man den Moment des Alleinseins danach so genießt.

Das politische Thema im Hintergrund ist das Schicksal Kurdistans und seines Volkes, der die Erzählung ein Gesicht gibt und so auch einlädt mehr darüber zu erfahren.

Zweistromland ist eine leise Erzählung mit präzisen Beschreibungen der Zwischenmenschlichkeit und Identitätsfindung auf dem Weg in die Vergangenheit um sich selbst besser zu verstehen und für einen Neuanfang zu finden.

Bewertung vom 31.12.2023
Die schreckliche Adele und die Galaxie der Bizarren
Mr. Tan;Le Feyer, Diane

Die schreckliche Adele und die Galaxie der Bizarren


ausgezeichnet

Ein schrecklich schönes und lustiges Comicerlebnis für Klein und Groß

Adele, bizarr und schrecklich, und gerade deshalb gleichzeitig unglaublich liebenswert, hat eine neue Mission: sie muss die Galaxie vor Imperatorin Jade retten, die alle Planeten unterwerfen, mit Glitzer überziehen und alle Kinder gleichmachen möchte. Alles Bizarre soll verschwinden! Das kann Adele nicht zulassen, jedes Kind soll so sein können, wie es sein möchte, bizarr und liebenswert und einzigartig, wie es ist!

Damit beginnt ein kurzweiliges Comicerlebnis der besonderen Art, denn Adele reist in ihrer Mission von Planet zu Planet um die Kräfte des Bizarren zu verbünden. Dabei begegnen ihr viele alte Bekannte, Freunde und Familie und so manche Skurrilitäten, wie meterhohe Brokkolibäume oder die Limokalypse.

Besonders gefallen hat mir, dass die Geschichte nicht nur toll erzählt ist, sondern auch die Botschaft, die dabei vermittelt wird. Jede:r soll so sein können, wie er:sie möchte und gerade die Andersartigkeit ist besonders, kraftvoll und schützenswert!

Mit ganz viel schwarzem Humor, der kindgerecht umgesetzt ist, begeistert Adele sicher nicht nur Kinder! Auch die Zeichnungen sprühen nur so vor Energie und Charakter, dass es eine wahre Freude ist, die Gesichte zu verfolgen. Erwähnenswert ist auch der goldig glänzende Buchschnitt und die schöne Covergestaltung - das Buch sieht aus wie ein kleiner Schatz und ist so auch ein tolles Geschenk.

Empfehlen würde ich das Buch ab ca. 7-8 Jahre.

Bewertung vom 25.12.2023
Lindy Girls
Stern, Anne

Lindy Girls


sehr gut

Ein Leseerlebnis wie ein Tanz: 4 Frauen in einem Jahrzehnt des Aufbruchs und des Tanzes

Bereits nach den ersten Seiten von Lindy Girls taucht man in das Berlin des Jahres 1928 ein und kann die Stimmung fast schon mitfühlen, die Musik, der Tanz, man fühlt sich bei jeder Beschreibung fast wie im Tanzsaal. Im Mittelpunkt der Handlung steht die Entstehung und ersten Erfolge der Tanzgruppe Lindy Girls, erzählt jeweils aus den Perspektiven von Gila, Thea, Wally und Alice. Vier vollkommen unterschiedliche Frauen, mit ihrer eigenen durch die Zeit geprägten schwierigen Vergangenheit und Herausforderungen der Gegenwart.

Sehr schön dargestellt und beschrieben finde ich die Aufbruchstimmung dieser Zeit, gerade für Frauen, Wahlrecht und weitere Veränderungen schlagen sich deutlich in einem anderen Lebenswandel, Selbstbild und auch Selbstbewusstsein wider, wobei zugleich auch die Grenzen deutlich werden. Der Autorin gelingt es auch die historischen gesellschaftlichen Problemlagen in die Geschichte einzuflechten, die schwierige tatsächliche Emanzipation der Frauen, die traumatisierten und verletzten Männer aus dem Krieg, die spanische Grippe etc. mit allen Folgen. Auch den teils schon präsenten Nationalsozialismus und wenig versteckten Antisemitismus hat die Autorin sehr gut in die sonst so heitere Handlung eingewebt und thematisiert damit auch die dunklen Seiten des Jahrzehnts.

Etwas getrübt war mein Leseerlebnis lediglich durch kleinere Logikfehler in der Handlung.

Insgesamt ist dem Roman ein guter Kontrast zwischen der Glitzerwelt des Tanzes und des goldenen Berlins und der harten Realität der Nachkriegsgesellschaft gelungen. Ich war ganz in die Geschichte eingetaucht, konnte die Musik fast hören und die Lindy Girls beim Tanzen vor mir sehen.

Bewertung vom 12.12.2023
Close to Home
Magee, Michael

Close to Home


ausgezeichnet

Was bedeutet es im lange konflikt- und gewaltgebeutelten Nordirland als Kind der Arbeiterklasse aufzuwachsen? Michael Magee erzählt von vererbten Traumata, Gewalt, Armut, Drogenmissbrauch, Vorurteilen und Diskriminierung und immer wieder Machtlosigkeit angesichts einer traumatischen Vergangenheit und einem Gesellschafts- und Sozialsystem, das im Heute dem Individuum beinahe unüberwindbare Grenzen auflegt und ein Entkommen aus der Armuts- und Gewaltspirale damit fast unmöglich macht.

Michael Magee wirft uns direkt in die Geschichte, sein Schreibstil ist flüssig und unmittelbar, erzählt aus der Perspektive von Sean, Anfang 20, aufgewachsen und lebend in einem wirtschaftlich und kulturell benachteiligten Teil von Belfast, in einer republikanischen Familie der Arbeiterklasse. Sean versucht im Laufe des Buchs sich von seiner Herkunft zu emanzipieren, ein gesundes, glückliches, seiner Neigung zur Literatur und zweifelslosen Begabung wie Intelligenz entsprechendes, Leben aufzubauen - und scheitert dabei immer wieder, an seinem Umfeld, seiner Familie, dem Gesellschaftssystem, seiner Herkunft und manchmal auch an sich selbst. Die Ich-Perspektive Seans ist sehr gut gewählt, um den schwierigen Lebensweg und das Milieu nachzuempfinden. Als Leser fühlt man mit Sean, erlebt oft die Ausweglosigkeit seiner Situation, und hofft immer wieder es möge sich irgendwo ein Horizont der Hoffnung auftun, damit Sean sein Potential wirklich leben kann. Ob das gelingen wird?

 Sehr eindrücklich wird immer wieder auch der Nordirland-Konflikt und seine ständige Präsenz im kollektiven Gedächtnis von Seans Familie und Umfeld in die Geschichte eingewoben.

Der liberalen Erzählung vom Aufstieg, in der jeder und jede es schaffen kann, wenn er oder sie sich nur genug anstrengt, setzt Magee ein allzu realistisches Bild einer Gesellschaft entgegen in der selbst härteste Arbeit oft nicht honoriert wird und dem Individuum durch erlebte wie vererbte Traumata, und ein klassenzementierendes Gesellschaftssystem massive Grenzen in seiner Entfaltung gesetzt werden. Damit ist der Roman nicht nur wirklich gute Literatur, sondern auch eine Form von Sozialstudie, die Magee mit Close to Home, hier gelungen ist. Unbedingt lesenswert!

Bewertung vom 08.12.2023
Der Spion und der Verräter
Macintyre, Ben

Der Spion und der Verräter


ausgezeichnet

Wenn der Spion ausspioniert wird… Der Spion und der Verräter erzählt die wahre Geschichte des Doppelagenten Oleg Gordijewski, ursprünglich ein Mann des KGB, angeworben vom MI6.
Bereits nach den ersten Seiten scheint es unglaublich und faszinierend zugleich, dass es sich dabei um eine wahre Geschichte handelt. Es ist wie ein Eintauchen in eine Parallelwelt, die der Geheimdienste, in die uns der Autor mitnimmt. Ein Kind des KGBs als Spion des MI6 und damit Inneneinsichten in zwei der mächtigsten Geheimdienste weltweit. Ich konnte bereits nach den ersten Seiten nicht aufhören zu lesen und kaum erwarten wie die Geschichte um Oleg Gordijewski sich weiterentwickelt.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil erfahren wir viel über Gordijewskis Herkunft, Familie, und damit auch Prägung und Weg zum KGB. Im zweiten Teil steht die Zeit für den KGB und als Doppelagent in London und damit auch Gordijewskis Rolle bzw. seiner Informationen im Kalten Krieg im Mittelpunkt. Im letzten Teil folgt schließlich die eigentliche Enttarnung und spektakuläre Flucht aus Russland.

Wirklich interessant sind die vielen Inneneinsichten in die Funktionsweise beider Geheimdienste. Doch auch die Geschichte des Spions und seiner Familie kommt nicht zu kurz und hilft zu verstehen, wie er zum KGB kam und auch warum der MI6 später attraktiv für ihn war.

Der Schreibstil ist sehr flüßig, immer wieder musste ich innehalten und mich erinnern, dass es sich um wahre Begebenheiten handelt, denn geschrieben ist die Geschichte um Oleg Gordijewski wie ein Roman bzw. Thriller, die Charaktere sind oft gut ausformuliert, die Umgebung detailreich geschildert.

Eine wertvolle Ergänzung und unbedingt erwähnenswert sind die vielen Originalfotos von Gordijewski, seiner Familie und Weggefährten zur Illustration der Handlung.

So wird Geschichte lebendig und macht richtig Freude beim Lesen!

Bewertung vom 06.12.2023
Eine Blume ohne Wurzeln
Chekh, Nada

Eine Blume ohne Wurzeln


ausgezeichnet

Die schmerzhafte Geschichte einer Emanzipation: Berührend, klug und unglaublich stark!

Die Österreicherin Nada wächst als zweitjüngstes von fünf Kindern in einem Wiener Gemeindebau auf. Ihre Eltern kommen aus Palästina und Ägypten und bauen sich in Österreich ein neues Leben auf. Doch obwohl Nada in Österreich geboren ist, wirkt die Community der Herkunftsgesellschaft ihrer Eltern auch in Österreich auf sie ein, engt sie ein und bringt Nada immer wieder in ein Gefühl zwischen zwei Welten.

Nada Chekh lenkt unseren Blick weg von antirassistischen Debatten hin zu den Feinheiten, die innerhalb wie außerhalb von Communities Lebenschancen einschränken, zu intra- und interkulturelle Konflikten führen und arbeitet anhand ihrer eigenen Biografie Schicht für Schicht die intersektional wirkenden Mechanismen von Benachteiligung in unserer Gesellschaft heraus. Neben einer kulturellen Dimension stellt die Autorin so auch heraus, dass ihre Erfahrungen und Status in der Gesellschaft oft in der finanziell benachteiligten Situation ihrer Familie begründet lagen.

Ein großer Fokus liegt auf der Rolle als Frau in der arabischen Community und was es bedeutet gegen diese aufzubegehren, wie Nada Chekh es getan hat. Gerade diese Passagen sind oft unglaublich bedrückend und nichts für zarte Gemüter. Doch was die Autorin schreibt ist Realität für viele Frauen, auch im 21. Jahrhundert und es ist wichtig, dass darüber gesprochen wird um für kommende Generationen etwas zum Positiven ändern. Zu diesem bedrückenden Gefühl bei mir, trug allerdings auch die unglaubliche Leistung der Autorin bei, die verschiedenen, zum Teil unsichtbaren, Prozesse und Strukturen zu beschreiben, die ihre Lebenswelt determinieren. Es braucht eben manchmal keinen offensichtlichen Zwang, damit dieser trotzdem wirksam wird und individuell fast in dergleichen Intensität erlebbar wird. Dies fand ich wirklich grandios herausgearbeitet.

Nada Chekh habe ich im Buch als unglaublich starke, kluge, talentierte und reflektierte Persönlichkeit kennengelernt, für die mir nur Bewunderung und Dank bleibt, ihre Geschichte zu teilen. Eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 05.12.2023
Die Eisfischerin vom Helgasjön
Lamberti, Frieda

Die Eisfischerin vom Helgasjön


sehr gut

Wenn ein Unfall zum Glücksfall wird…

Oft zeigt sich erst in Notsituationen auf wen man sich verlassen kann. So auch bei Rieke, Mitte 30, aus Hamburg, nach ihrem schmerzhaften Zusammenstoß mit einem Elektroroller. Denn Freund Marco präsentiert sich nicht als der unterstützende Partner, den man sich nach einem Unfall inkl. Kreuzbandriss wünschen würde.

Und so beginnt man bereits nach den ersten Seiten zu ahnen, dass der Unfall mit all seinen Folgen vielleicht gerade zur rechten Zeit kam, um Riekes Leben und Glück eine entscheidende Wendung zu geben, dies nicht nur im privaten sondern auch im beruflichen Bereich. Während der langen Genesungsphase verschlägt es Rieke nach Schweden und mit der Reise nach Lappland geht ein Kindheitstraum von der Suche nach den Polarlichtern in Erfüllung. In der wunderschön beschriebenen Winterlandschaft Schwedens erhält Riekes Leben jedoch noch weitere Wendungen bereit. Da ist nicht nur Theo, ihr alter Studienfreund, dem sie begegnet, auch Brigitta, die Herbergsmutter der Unterkunft des Familienurlaubs aus Riekes Kindheit in Schweden umgibt ein Geheimnis, das mit Rieke verbunden ist.

Ein schönes Buch für Zwischendurch zum Abtauchen in das winterliche Schweden und eine Beziehungs- und Familiengeschichte mit einigen spannenden Wendungen.

Bewertung vom 23.11.2023
Das Hotel am Fuße des Vulkans
Maynard, Joyce

Das Hotel am Fuße des Vulkans


sehr gut

Verlust, Natur, Einsamkeit, Liebe, Verrat: Ein Buch zum Abtauchen in eine andere Welt

Wie viel kann ein einzelner Mensch ertragen? Und wie findet man wieder zu sich selbst und Vertrauen in das Leben und die Liebe, wenn man alles verloren hat? Irene muss dies mit Ende 20 herausfinden. Auf ihrer Suche nach dem Leben und sich selbst verschlägt es sie an einen magischen Ort in Mittelamerika.

Das Hotel am Fuße des Vulkans wird zu Irenes neuem Lebensmittelpunkt und mit ihm, die BewohnerInnen des Dorfes, die Gäste und nicht zuletzt Flora und Fauna des magischen Ortes. Die Beschreibungen der Natur und des Ortes sind wunderbar gelungen, sodass vor dem inneren Auge ein kleines Paradies in Mittelamerika auftaucht und man sich fast mittendrin in der Handlung fühlt. An diesem Ort spürt man fast wie Irenes Lebensgeister wieder erweckt werden, doch auch neue Trauer, Enttäuschung und Rückschläge begegnen ihr auf dem neuen Lebensabschnitt. Neben Irenes werden die Geschichten von weiteren BewohnerInnen und auch Gästen erzählt, ebenso wie Herausforderungen, die das Leben in der Abgeschiedenheit bedeutet, insbesondere auch für die autochthone Bevölkerung. Besonders hat mir gefallen, wie sensibel das Aufeinandertreffen von einheimischer Kultur und der Zugereister mit allen Facetten beschrieben wurde.

Der Stil ist unglaublich leichtfüßig und kurzweilig, sodass die fast 500 Seiten wie im Flug vergehen. Etwas getrübt wurde mein Leseerlebnis durch einige kleinere Logikfehler insbesondere im Mittelteil. Gerade weil die Sprache so wunderbar bildlich ist, fällt schnell auf, wenn beispielsweise ein Kleid plötzlich zur Bluse wird.

Insgesamt ein wundervolles Buch zum Abtauchen in eine andere Welt, zum Mitleiden und Mitfreuen, wie eine Frau nach schweren Schicksalsschlägen wieder zu sich selbst findet.

Bewertung vom 23.11.2023
24 Wege nach Hause
Fagerlund, Jenny

24 Wege nach Hause


ausgezeichnet

Ein warmherziger, spannender und stimmungsvoller Roman um ein Familiengeheimnis zur Weihnachtszeit

Petra ist Anfang 30 und hat fast alles in ihrem Leben verloren, was ihr einmal wichtig war. Nach dem Tod ihrer geliebten Schwester Alice ist ihr nur noch ihre Nichte Charlie geblieben, für die sie nun allein verantwortlich ist. Job weg, Wohnung weg, die eigene Trauer um die Schwester und eine 12 Jährige, die nicht weiß wohin mit ihren Gefühlen angesichts des unbeschreiblichen Verlusts der Mutter. In einer Nacht und Nebel Aktion entschließt sich Petra Stockholm und ihr altes Leben zu verlassen und mit Charlie im Südschwedischen Schonen, im fiktiven Dorf Nyponviken neu anzufangen. Dort haben ihre Eltern ihr ein mysteriöses Ferienhaus hinterlassen, von deren Existenz Petra erst kürzlich durch Alice, kurz vor ihrem Tod erfahren hat. Das Ferienhaus entpuppt sich als Wohnung auf einer alten Hofstelle mit Gärtnerei, Café und Apfelplantage. Die Eigentümer begegnen den beiden Neuankömmlingen mit gemischten Gefühlen. Der Kontrast des Hoflebens und pittoresken Dorfes im Vergleich zu Stockholm könnte nicht größer sein. Werden Petra und Charlie hier ein Zuhause finden? Ein ganz besonderer Adventskalender ohne Absender findet sich vor Petras Tür und lädt sie ein den Ort und dabei auch sich selbst und ein Familiengeheimnis zu finden.

Ich mochte die Beschreibungen der stimmungsvollen Weihnachtsdekorationen und winterlichen Landschaft sehr. Auch die Stimmungen, Geheimnisse, Vorbehalte, beginnenden Freundschaften auf dem Hof waren unglaublich warmherzig beschrieben. Neben der Beziehung zwischen Petra und Charlie, die sich erst in ihrer neuen kleinen Familie und mit dem großen Verlust von Mutter und Schwester zurechtfinden müssen, sind da die übrigen HofbewohnerInnen und auch noch Petras Exfreund, der plötzlich in Nyponviken auftaucht. Alleine diese Konstellationen und ihre Entwicklungen haben mich in die Geschichte gezogen. Daneben gibt es noch den Spannungsbogen um den Adventskalender und die jung verstorbene Künstlerin Lilly. Bis zum Schluss war für mich nicht absehbar, wie sich die Geschichte auflösen wird.

Für mich war 24 Wege nach Hause eine unglaublich warmherzige Einstimmung auf die Weihnachtszeit mit unerwarteter Spannung um ein Familiengeheimnis und dem Eintauchen in Südschwedens traumhafte Landschaft. Klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 18.11.2023
Lieder aller Lebenslagen
Pilgaard, Stine

Lieder aller Lebenslagen


ausgezeichnet

Die Poesie des Alltags

Lieder aller Lebenslagen ist weniger ein Roman, als viel mehr ein poetisches Buch für die Seele. Stine Pilgaard gibt uns darin episodenhafte Einblicke in das Leben und Zusammenleben der BewohnerInnen in einem Genossenschaftshaus in Aarhus. Dabei wechseln sich immer wieder Fließxtext, Lieder und kurze Horoskope (da die Ich-Erzählerin als Broterwerb Horoskope schreibt), ab. Eine warmherzige Melancholie durchzieht die Zeilen und nicht nur die Lieder erinnern immer wieder an Poesie, die in und zwischen so vielen Zeilen steckt in diesem Buch.

Über die Lieder und die Recherche zu deren Inhalt, die die Ich-Erzählerin für die HausbewohnerInnen für verschiedene Gelegenheiten schreibt, werden nach und nach Ausschnitte aus dem Leben der NachbarInnen, aber auch immer wieder dem eigenen Leben der Ich-Erzählerin offenbart. Besonders gefallen haben mir die immer wieder sehr emanzipierten Sichtweisen der Ich-Erzählerin, und, dass auch diese auf seltsam poetische Weise in den Text eingeflossen sind.

Das Lesegefühl war für mich ein bisschen wie Kurzgeschichten, die jedoch immer wieder auch lose Bezug aufeinander nehmen.

Lieder aller Lebenslagen ist ein ruhiges Buch, auf die poetische Sprache muss man sich einlassen können und wird dann sicher viel Freude daran haben und auch beim Wiederlesen noch Neues entdecken.