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Benutzername: 
Dreamworx
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 1369 Bewertungen
Bewertung vom 25.01.2020
Tal der Illusionen / Caldwell-Saga Bd.2
O'Hara, Kate

Tal der Illusionen / Caldwell-Saga Bd.2


sehr gut

1911-1926 Kalifornien. Frank Maynard verlässt nach dem Tod seiner Frau San Francisco und lässt sich in dem kleinen Kaff Hollywood nieder, wo die allmählich aufblühende Filmbranche sich niedergelassen hat und sich immer weiter vergrößert. Schon bald gelingt es Frank durch Scharfsinn, harter Arbeit und einer Portion Glück, sich in der Filmwelt zu etablieren und die Schalthebel der Macht zu erreichen. Mit seiner Geliebten Harriet Caldwell verbindet ihn immer noch viel, doch die Welt Hollywoods ist so verschieden von der Welt, in der Harriet sich bewegt, und es lauern an jeder Ecke so einige Versuchungen…
Kate O’Hara hat mit „Tal der Illusionen“ den zweiten Teil der Caldwell-Saga vorgelegt, die schon mit dem Titel klar macht, dass sich diesmal hauptsächlich alles um die Filmindustrie dreht. Zum besseren Verständnis sei den Lesern empfohlen, erst „Stadt der Träume“ zu lesen, um die Protagonisten und ihr Leben kennenzulernen, bevor sie sich diesem Teil widmen, der nahtlos an den Vorgänger anschließt. Der Schreibstil ist flüssig-leicht und bildhaft, schnell findet sich der Leser in Gesellschaft vertrauter Protagonisten wieder, um ihr Schicksal über einen Zeitraum von 15 Jahren weiter zu begleiten und nebenbei interessante Hintergrundinformationen zur damaligen Zeit und ihrer Entwicklung zu erfahren. Im Mittelpunkt steht diesmal Frank Maynard, der San Francisco den Rücken kehrt und seinem Traum vom Filmgeschäft in Hollywood nachgeht. Die Beziehung zwischen Harriet und Frank ist auf Distanz, denn Frank vergräbt sich immer mehr ins Geschäft, und Harriet ist mit der Reederei und ihrem Ehemann Jordan sowie einigen intriganten Familienmitgliedern beschäftigt. Die Autorin überzeugt hier mit guter Recherche und gibt dem Leser einen guten Einblick in die Anfänge der sich dort ansiedelnden Unterhaltungsindustrie. So wurde das erste Filmstudio 1911 gegründet und zog im gleichen Jahr noch 15 weitere an. Die Filmindustrie verlagerte sich von New York nach Kalifornien vor allem wegen der guten Lichtverhältnisse und dem konstant milden Klima.
Die Charaktere haben sich gegenüber dem ersten Band weiterentwickelt und lassen den Leser daran teilhaben. Sie wirken realistisch und vor allem glaubwürdig, was es dem Leser leicht macht, sich ihnen verbunden zu fühlen und ihr Schicksal genau zu verfolgen. Frank ist ein ewig Zweifelnder, aber mit jeder Menge Mut und Tatkraft ausgestattet. Er ist clever, nutzt die Gunst der Stunde, ist zur rechten Zeit am richtigen Ort, um seinen Traum zu verwirklichen. Er scheut keine harte Arbeit und klettert die Leiter des Erfolges nach oben, immer sein Ziel im Blick. Harriet ist derweil in Frisco durch die Reederei in Beschlag genommen, schlägt sich mit ihrem Onkel Henry und ihrer Schwester Ashley herum, die ihr das Leben schwer machen. Jordan Shaw, Harriets Ehemann, ist ein gutmütiger Kerl, der seine Frau auf Händen trägt. Aber auch andere Protagonisten machen die Handlung abwechslungsreich und kurzweilig.
Mit „Tal der Illusionen“ ist eine unterhaltsame Fortsetzung von „Stadt der Träume“ gelungen, die sich diesmal nicht auf dem Parkett der Reederei, sondern dem der Filmindustrie bewegt. Die Anfänge der Unterhaltungsbranche in Kalifornien sind sehr gut in die Handlung integriert und geben der Geschichte eine schöne Kulisse. Der spannend-inszenierte Schluss lässt auf einen packenden letzten Teil hoffen.

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.01.2020
Stadt der Träume / Caldwell-Saga Bd.1
O'Hara, Kate

Stadt der Träume / Caldwell-Saga Bd.1


sehr gut

19./20. Jh. San Francisco, Kalifornien. Harriet Caldwell hat sich schon immer für Schiffe und Technik interessiert. Als älteste Tochter möchte sie unbedingt ihrem Vater Arthur nachfolgen und die familieneigene Caldwell Shipping Company übernehmen. Doch als der durch einen Schlaganfall außer Gefecht gesetzt wird, muss Harriet die Ärmel hochkrempeln, um sich ihren Anspruch zu erkämpfen, denn es werden ihr, auch aus der eigenen Familie, immer wieder Steine in den Weg gelegt. Immer wieder begegnet sie dabei Frank Maynard, der in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs und davon träumt, im Filmgeschäft Karriere zu machen. Als 1906 ein schweres Erdbeben San Francisco heimsucht, brechen schwere Zeiten an für Harriet und Frank…
Kate O’Hara hat mit „Stadt der Träume“ den ersten Teil ihrer historischen Familiensaga rund um die Reederfamilie Caldwell vorgelegt und nimmt den Leser mit in das alte Kalifornien, wo er nicht nur einiges über das Reedereigeschäft kennenlernt. Der fesselnde Erzählstil ist durchweg flüssig und farbenfroh, so dass der Leser mit den ersten Zeilen regelrecht in den Seiten verschwindet, um sich in San Francisco am Embarcadero gelegenen Hafen umzusehen und Harriets Treiben während einiger Jahre zu begleiten. Wechselnde Perspektiven erlauben es zudem, auch Franks Entwicklung kennenzulernen. Die Autorin lässt mit bildhaften Beschreibungen die alte Stadtkulisse wieder auferstehen und bringt nebenbei einiges an interessanten Informationen über das Schifffahrtsgeschäft in ihrer Geschichte unter. Die unterschiedlichsten Gesellschaftsformen sind ebenso Thema wie die Rolle der Frau zur damaligen Zeit, vor allem die Erwartungen, die von ihrer Familie an Harriet gestellt werden. Der Einblick in die Familiendynastie sowie die unterschiedlichsten Geheimnisse und Intrigen sind wunderbar in die Handlung eingeflochten und lassen die Spannung immer wieder ansteigen. Auch die sich langsam entwickelnde Filmindustrie und die ersten Lichtspieltheater haben in diesem historisch angehauchten Roman eine Rolle, die sich vermutlich in den Folgebänden noch intensivieren wird. Das starke Erdbeben von 1906 ist hier Spannungsanker und Wendepunkt.
Die Charaktere wurden lebendig und glaubwürdig inszeniert. Sie bestechen mit Individuellen Eigenschaften und geben dem Leser die Möglichkeit, sich an ihre Fersen zu heften, um mit ihnen zu fiebern. Harriet stammt aus einer wohlhabenden Familie, was ihr Schicksal eigentlich vorprogrammieren sollte, mit einer Heirat in bessere Kreise den Status zu erhalten. Doch Harriet ist selbstbewusst, neugierig, intelligent und vor allem sehr entschlossen, sich ein Leben nach eigenen Vorstellungen zu kreieren. Sie ist willensstark und hat Kampfgeist, lässt sich nicht so leicht unterkriegen. Frank ist ein abenteuerlustiger Mann, der den ärmlichen Verhältnissen den Rücken gekehrt hat und sich daran macht, seinen Traum zu verwirklichen, ins Filmgeschäft einzusteigen. Arthur Caldwell ist ein bodenständiger Mann, der das Interesse seiner Tochter für die Reederei fördert. Harriets Mutter ist ein Snob und benimmt sich wie eine Diva, nach deren Wünschen alle zu springen haben. Die weiteren Protagonisten tragen mit ihren eigenen Auftritten ebenso zur Handlung bei und machen sie bunt und abwechslungsreich.
Mit „Stadt der Träume“ ist O’Hara ein spannender Auftakt gelungen, der den Leser mit einer sehr unterhaltsamen Geschichte, viel Hintergrundwissen sowie einen gut recherchierten historischen Hintergrund überzeugen kann. Die Fortsetzung wird mit Spannung erwartet! Verdiente Leseempfehlung!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.01.2020
Die Frauen vom Alexanderplatz
Schneefuß, Elke

Die Frauen vom Alexanderplatz


sehr gut

1918 Berlin. Den verlorenen Krieg haben die Deutschen noch nicht verdaut, da stehen sie schon mit einem Bein in der Novemberrevolution. In diesen schwierigen Zeiten kommen drei Frauen aus unterschiedlichen Motiven nach Berlin. Während die Schneidertochter Vera sich in den Matrosen Benno verliebt hat und diesen versteckt, ist Fritzi von der Ostsee nach Berlin gekommen auf der Suche nach Benno, der wie vom Erdboden verschluckt zu sein scheint und von dem sie eine Tochter hat. Hanna kommt aus reichem Hause und hat an der Front als Krankenschwester gearbeitet. Nun möchte sie in Berlin Medizin studieren, was ihrer Familie so gar nicht gefällt. Doch Hanna hat noch einen anderen Grund, in die Großstadt zu ziehen und zur damaligen Zeit besser im Verborgenen bleibt…
Elke Schneefuß hat mit „Die Frauen vom Alexanderplatz“ einen fesselnden und sehr unterhaltsamen Roman vorgelegt, der den Leser bereits mit den ersten Zeilen in die Geschichte hineinkatapultiert und nicht mehr loslässt, bis die letzte Seite gelesen ist. Auch wenn manche Kapitel recht lang sind, mag man das Buch nicht aus der Hand legen und schlägt sich lieber die Nacht um die Ohren. Der Erzählstil ist flüssig-leicht, bildhaft und gefühlvoll, wechselnde Perspektiven erlauben es dem Leser, jede einzelne Protagonistin zu begleiten und so Hanna, Vera und Fritzi sowie ihre Gedanken- und Gefühlswelt genau kennenzulernen. Der Autorin gelingt hier ein toller Spagat, denn die Wege der so unterschiedlichen Frauenschicksale verwebt sie im Verlauf des Romans miteinander. Auch der geschichtliche Hintergrund ist überzeugend in die Handlung eingepflegt, zeigt er doch die gesellschaftliche und politische Lage auf und lässt den Leser auch etwas über die damaligen Ansichten über die Rolle der Frau erfahren. Mit bildhaften Beschreibungen wird das alte Berlin wieder zum Leben erweckt, der Leser wandelt in der damaligen Zeit und lernt die Stadt von einer völlig neuen Seite kennen. Zudem hält die Autorin überraschende Wendungen für ihre Protagonisten bereit, die die Spannung merklich steigern und den Leser in Atem halten.
Die Charaktere sind sehr liebevoll und lebendig gezeichnet, sie bestechen mit ihrer Individualität und wirken authentisch und glaubwürdig. Der Leser fühlt sich von Beginn an mit ihnen wohl, kann mit ihnen leiden, hoffen und fiebern. Hanna ist eine zurückhaltende junge Frau mit offenen, freundlichen Wesen. Sie ist hilfsbereit, verlässlich und voller Hoffnung darauf, ihre Träume zu verwirklichen. Dabei besitzt sie neben einem gesunden Misstrauen auch Realitätssinn, die Dinge zu nehmen, wie sie sind und sich von allem zu trennen, was ihr nicht guttut. Vera ist eine Kämpfernatur, das hat sie im Krieg und innerhalb ihrer Familie gelernt. Manchmal wirkt sie wie aus Stahl, ist nicht auf den Mund gefallen und setzt sich für andere ein. Fritzi ist das Landei, das sich in der großen Stadt erst einmal zurechtfinden muss. In ihrem Herzen lebt sie noch in der Vergangenheit und möchte unbedingt an alten Dingen festhalten. Sie ist offenherzig und treu, aber manchmal auch naiv zu glauben, das alles wie früher wird. Ebenso tragen die weiteren Protagonisten mit ihren Auftritten zu einer rundum gelungenen Geschichte bei.
„Die Frauen vom Alexanderplatz“ ist ein fesselnder historischer Roman, der unterhaltsame und gefühlvolle Lesestunden bietet und den Leser einen kurzweiligen Aufenthalt im alten Berlin gewährt. Wunderbar erzählt, hat dieser Schmöker eine Leseempfehlung mehr als verdient. Gut gemacht!

5 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.01.2020
Moonlight Radio
Giuletti, Subina

Moonlight Radio


ausgezeichnet

Charlene Wittstein musste in letzter Zeit so einiges verkraften, da kommt das Angebot gerade recht, eine nächtliche Radiosendung zu moderieren. Als Pixie geht sie einmal wöchentlich auf Sendung und bringt ihren Hörern nicht nur Unterhaltung durch den Äther, sondern erzählt in ihrer ganz eigenen Art Geschichten, die das Leben schreibt und dass sich Glück überall finden lässt, wenn man es denn zulässt. Einen ihrer Hörer trifft sie dabei mitten ins Herz, denn er selbst steht gerade an einem Scheideweg und sucht einen Ausweg. So wählt sich Jeff mutig in die Livesendung ein und zwischen Pixie und ihm entspinnt sich ein regelrechter Schlagabtausch, denn beide vertreten völlig verschiedene Ansichten. Aber Pixies Ansätze lassen Jeff in sich hineinhorchen, so dass er bald nur noch eines möchte: Pixie kennenlernen. Ob das eine so gute Idee ist?
Subina Giuletti hat mit „Moonlight Radio” einen sehr unterhaltsamen und gefühlvollen Roman vorgelegt, der mit seiner tiefgründigen Geschichte den Leser nicht nur überrascht, sondern auch miteinbezieht, sich selbst die Thematik zu Herzen zu nehmen und sein Leben zu überdenken. Der flüssig-leichte und doch anrührende Schreibstil nimmt den Leser sofort für sich ein und lässt ihn sich in die Seiten vertiefen. Zwei sich abwechselnde Handlungsstränge geben der Handlung nicht nur zusätzliche Spannung, sondern werden von der Autorin sehr gekonnt spielerisch miteinander verknüpft, so dass der Leser aus der Geschichte für sich eigenes Fazit ziehen kann. Es geht in diesem Buch nicht um zwei Menschen, die sich am Ende finden, sondern um die ganz eigene Handlungsweise mit dem Leben: was man daraus macht, wie man mit Fehlschlägen umgeht und wie man sich den Dingen stellt, um nach vorne zu schauen. Es geht um Glück, um den Umgang mit sich selbst und dass jede Handlung auch ein Ergebnis nach sich zieht, das entweder positiv oder negativ sein kann, je nachdem, mit welcher Sichtweise man an die Dinge herangeht. Man könnte auch sagen: Optimismus und Frohsinn ziehen das Glück an, Pessimismus und ständige Zweifel beschwören das Unglück herauf. Jeder von uns sollte sich fragen, wie er dem Leben begegnen möchte.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und mit Leben versehen. Mit ihren individuellen Ecken und Kanten wirken sie glaubwürdig und authentisch, was es dem Leser leicht macht, ihnen durch die Geschichte zu folgen. Charlene ist eine Frau, die sich von Schicksalsschlägen nicht unterkriegen lässt, sondern aus ihnen lernt und in etwas für sich Positives umwandelt. Sie sprüht vor Stärke, Optimismus und Lebensfreude, sieht immer das Glas, das halbvoll ist, glaubt an das Schöne im Leben. Jeff ist das genaue Gegenteil, er erstickt nahezu an seinen Fehlschlägen, ist mutlos und hat sich selbst eigentlich aufgegeben. Besonders interessant und spannend ist der Schlagabtausch der beiden und wie sie sich selbst während der Geschichte weiterentwickeln.
„Moonlight Radio” ist eine echte Leseüberraschung, neben einer unterhaltsamen und berührenden Geschichte voll tiefgründiger Lebensweisheiten, die jeder von uns auf dem eigenen Weg befolgen sollte. Verdiente Leseempfehlung!

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.01.2020
Mein ist die Angst (eBook, ePUB)
Wolfe, Leslie

Mein ist die Angst (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Dreißig ermordete Familien gehen auf das Konto des Serienkillers Garza, den alle nur „The Family Man“ nennen und der inzwischen im Todestrakt eines Gefängnisses seiner Hinrichtung entgegensieht. FBI-Agentin Tess Winnett soll sich nochmals die Akten des Falls vornehmen und entdeckt tatsächlich einiges, das nicht zusammenpasst und auf einen anderen Mörder hinweist. Tess beginnt mit weiteren Nachforschungen und zieht dazu auch die einzig Überlebende von Garzas Massaker hinzu. Die war allerdings erst ein 5-jähriges Mädchen, als ihre Familie getötet wurde. Ob sich Laura dennoch an Einzelheiten erinnern kann und Tess bei der Aufklärung eine Hilfe ist? Gibt es tatsächlich noch einen weiteren Mörder?
Leslie Wolfe hat mit „Mein ist die Angst“ den zweiten Fall um ihre Ermittlerin Tess Winnett vorgelegt, der den Leser von der ersten Seite an mit einem flüssigen und fesselnden Erzählstil in das Geschichte hineinsaugt und nicht mehr loslässt, bis der Fall geklärt ist. Der Thriller lässt sich zwar auch einzeln lesen, zum besseren Verständnis ist es aber von Vorteil, den ersten Band zu kennen, denn einige der Protagonisten aus dem Vorgänger spielen auch in diesem Roman eine Rolle. Mit wechselnden Perspektiven stellt die Autorin den Leser mal an die Seite von Tess, mal an die der Zeugin Laura. Zudem darf der Leser die Gedanken- und Gefühlswelt des Täters kennenlernen, was oftmals zu Gänsehautmomenten führt. Rasant wird durch die kurz gehaltenen Kapitel schnell Spannung aufgebaut und immer mehr gesteigert. Je weiter die Ermittlungen voranschreiten, umso mehr nimmt die Gefahr zu. Überraschende Wendungen veranlassen den Leser dazu, die Lage immer wieder neu zu überdenken und mit zu rätseln, in welche Richtung weiter zu ermitteln ist.
Die Charaktere sind nicht nur sehr lebendig gestaltet, sondern wirken vor allem glaubwürdig und authentisch. Der Leser kann sich gut in einzelne von ihnen hineinversetzen und folgt ihnen als unsichtbarer Schatten, um bei der Aufklärung dabei zu sein. Tess ist eine starke Frau mit eigenem Kopf. Mit ihrer ganz eigenen Art macht sie sich nicht nur Freunde, aber unter ihren Kollegen genießt sie Respekt und ein gewisses Ansehen. Zudem ist sie mutig genug, sich weiter hervorzuwagen als manch anderer und sich dabei ihren persönlichen Dämonen zu stellen. Laura ist eine Frau, die in ihrer Kindheit einen Alptraum erlebt hat und ihn über die Jahre zu verdrängen suchte. Doch dieses Trauma bricht sich immer wieder Bahn und stellt sie vor die Herausforderung, sich ihm zu stellen. Ebenso tragen die weiteren Protagonisten dazu bei, dass der Spannungspegel der Handlung immens hoch bleibt und der Leser immer wieder vor einem Rätsel steht.
„Mein ist die Angst“ ist ein rasanter Thriller, der sich schnell zu einem Pageturner entwickelt. Einmal begonnen, kann man den Schlaf vergessen! Absolute Leseempfehlung!

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.01.2020
Die Zerbrechlichkeit des Herzens
Benesch, Sylvia

Die Zerbrechlichkeit des Herzens


weniger gut

Während Sonja nach einem schlimmen Unfall im Krankenhaus liegt, stirbt ihre Großmutter Amalie. Ein halbes Jahr später, nachdem sie sich von ihrem kontrollierenden Ehemann getrennt hat, steht Sonja in dem Haus ihrer Oma, das diese ihr vermacht hat und versucht, ihre Wunden zu lecken und nach vorn zu schauen. Während sie sich dort häuslich einrichtet, findet Sonja im Atelier ihrer Großmutter neben gefertigten Schmuckstücken und getöpferten Gegenständen auch einen ungewöhnlichen Teller, der eine Widmung aufweist. Nachdem sie von ihrer alten Jugendfreundin Dani psychisch wieder aufgebaut wurde, macht sich Sonja daran, das Geheimnis um den alten Teller zu lüften und findet dabei heraus, dass ihre Oma sich während des Krieges mit einem Blick in seine blauen Augen in den französischen Zwangsarbeiter Georges verliebt hat. Doch was hat es mit dem Teller auf sich?
Sylvia Benesch hat mit „Die Zerbrechlichkeit des Herzens“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der den Leser mit einem simplen, flüssigen und gefühlvollen Schreibstil durch die Geschichte führt und ihn an Sonjas Erlebnissen teilhaben lässt. Fehlende Spannungsmomente lassen die Geschichte t mehr oder weniger vor sich hinplätschern und oftmals hat man das Gefühl, alles schon einmal in einem anderen Roman gelesen zu haben, was ein Gefühl von Langeweile und Vorhersehbarkeit auftreten lässt. Es fehlt hier eindeutig nicht nur an historischem Bezug, sondern auch an überraschenden Wendungen, die eine gewisse Spannung erzeugen und den Leser zu fesseln wissen.
Die Charaktere sind ebenso simpel gestrickt und können nicht überzeugen, wirken sie doch durchweg blass, so dass der Leser auf Abstand gehalten wird. Durch die fehlende Nähe kann der Leser nicht mitfiebern und durchlebt die Erlebnisse der Protagonisten eher gleichgültig. Sonja wirkt für ihr Alter noch recht naiv und unbedarft. Sie lässt sich für lange Zeit von einem kontrollsüchtigen Ehemann unterbuttern und bestimmen, auch als sie ihn endlich los ist, redet sie sich noch Schuldgefühle ein. Großmutter Amalie hatte als Teenager allein mit ihrer Mutter ein hartes Leben während des Krieges. Sie stürzt sich übermütig und ohne groß nachzudenken in ihre erste Liebelei mit einem Zwangsarbeiter. Einzig Sonjas Freundin Dani punkte mit ihrem Optimismus und ihrer fröhlichen, lebenslustigen Art.
„Die Zerbrechlichkeit des Herzens“ ist durchweg ein Unterhaltungsroman der leichten Feder, der für zwischendurch ganz nett ist, mehr aber leider auch nicht.

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.01.2020
Rückkehr nach Birkenau
Kolinka, Ginette

Rückkehr nach Birkenau


sehr gut

Am 16. April 1944 stoppt der Zug kurz vor dem Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, in dem die 19-jährige Jüdin Ginette Kolinka zusammen mit ihrem 61-jährigen Vater, ihrem 12-jährigen Bruder Gilbert und ihrem 14-jährigen Neffen seit dem französischen Drancy eingepfercht waren. Sie wurden bei einer Razzia der SS in der eigenen Wohnung verhaftet, während die Mutter krank darnieder lag und Ginettes sechs Schwestern in der Stadt unterwegs waren. Als sie den Zug verlassen, stehen Lastwagen bereit, die diejenigen, die keine Kraft mehr haben, ins Lager bringen sollen, während der Rest zu Fuß dorthin gelangt. Ginette schickt ihren Vater und ihren kleinen Bruder auf den LKW, während sie und ihr Neffe den Weg laufen. Nur kurze Zeit später erfährt sie, dass alle auf dem LKW direkt in die Gaskammern kommen. Ihre Ankunft im Lager erwischt sie mit aller nur denkbaren Brutalität. Das Tätowieren, das Scheren der Haare, die Demütigung, sich bis auf die Haut ausziehen zu müssen, aber auch die überfüllten Barracken, die Schläge sowie die Essenszuteilungen sind an Grausamkeit kaum zu überbieten. Auch die Arbeitsbedingungen sind unmenschlich, doch Ginette überlebt und kommt nach Kriegsende zurück nach Frankreich, wo sie in ihrer alten Familienwohnung tatsächlich auf ihre Mutter und ihre Schwestern trifft. Sie braucht lange, um sich dem normalen Alltag wieder zu stellen und begegnet nach dem Krieg auch anderen Frauen wieder, die mit ihr inhaftiert waren. Aber sie kehrt auch nach über 70 Jahren nach Birkenau zurück, um sich ihren Erinnerungen zu stellen.
Die persönliche Geschichte der Ginette Kolinka mit dem Titel „Rückkehr nach Birkenau“ ist nur 128 Seiten lang, jedoch ein Zeitzeugnis einer Überlebenden, das berührt. Der Erzählstil ist in der Ich-Form eher pragmatisch gehalten und lässt den Leser an Ginettes Seite schlüpfen, mit ihren Augen sehen und eine Achterbahn der Gefühle erleben, die ihre Schilderungen hervorrufen. Überhaupt wirkt die Geschichte eher wie ein Bericht in Echtzeit, wobei immer wieder deutlich wird, dass es sich um ihre Erinnerungen handelt. Ungewöhnlich ist der Sprung im zweiten Drittel der Handlung, als Ginette nach Frankreich zurückkehrt, denn erst da erfährt der Leser um die genaueren Umstände ihrer Gefangennahme. Die Grausamkeit der Nazis ist schon unerträglich, doch noch viel schlimmer wirken die Bestrafungen durch Mithäftlinge oder Aufsichtspersonen, die ebenfalls zu den Gefangenen gehören, nur um sich selbst einen Vorteil zu verschaffen. All dies hat Ginette ausgehalten, doch der unglaubliche Hunger, den sie alle erleiden mussten und am Ende nur noch ein Knochengerüst darstellten, das kaum noch aus eigener Kraft laufen konnte, ist das Schlimmste von allem und verfolgt sie auch nach dem Krieg weiterhin. Besonders mutig ist die Tatsache zu nennen, dass Ginette sich tatsächlich noch einmal dem Ort stellt, der zum Alptraum ihres Lebens wurde. Sie ist nach Birkenau zurückgekehrt und führt dort Schülerklassen durch Räume voll von Gegenständen der damals Ermordeten. Das erfordert Mut und Stärke.
„Rückkehr nach Birkenau“ ist sachlich, wobei der Leser einen persönlichen Eindruck von Ginettes Erlebnissen erhält. Schon allein der Tatsache, dass sie diesen Alptraum überlebt und sich nicht aufgegeben hat, gebührt der größte Respekt.

13 von 22 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.01.2020
Violet
Chevalier, Tracy

Violet


ausgezeichnet

1932 England. Nach dem ihr Verlobter und ihr Bruder im ersten Weltkrieg gefallen sind, bietet sich der 38-jährigen Violet Speedwell nun endlich die Möglichkeit, ihr Elternhaus in Southampton und damit der verletzenden und verbitterten Art ihrer Mutter zu entfliehen. Violet nimmt ein Stellenangebot als Schreibkraft im benachbarten Städtchen Winchester an und kann sich von ihrem Gehalt zwar kaum ernähren, jedoch besitzt sie endlich ihre Unabhängigkeit. Da es ihr an der Gesellschaft von Freundinnen mangelt, schließt sie sich einer Gruppe Stickerinnen an, die ihr Handwerk in den Dienst der örtlichen Kathedrale gestellt haben. Bei ihnen findet Violet endlich die Aufnahme in eine Gemeinschaft und in der Stickerei auch einen Ausgleich zu ihrem Beruf. Die Begegnung mit dem verheirateten Glöckner Arthur weckt in Violet zudem Gefühle, die sie eigentlich aus ihrem Leben verbannt hatte und auch nicht sein dürfen…
Tracy Chevalier hat mit „Violet“ einen tiefgründigen, gefühlvollen und atmosphärisch-dichten Roman vorgelegt, der mit einem detaillierten, bildhaften und teilweise sogar poetischen Erzählstil den Leser in den Bann zu ziehen weiß. Mit leisen Tönen beginnt die Geschichte und lässt den Leser Violets Lebenssituation kennenlernen. Als ledige 38-jährige Frau sieht sie sich einem Leben gegenüber, in dem sie sich um eine Mutter kümmern muss, die sie tagaus tagein mit Beleidigungen und Kränkungen überhäuft, bis das Maß gestrichen voll ist und sie endlich den Mut fasst, ihr Leben in die Hand zu nehmen. Auch wenn die neue Anstellung sie an den Rand des Existenzminimums bringt, ist dies ihr doch allemal lieber als sich weiterhin bevormunden und kränken zu lassen. An das Alleinsein muss sich Violet erst gewöhnen, oder vielleicht könnte man sagen, dass sie ihren neu gewonnenen Freiraum noch nicht so richtig zu füllen weiß, denn allein war sie auch mit ihrer unerträglichen Mutter, die ihr Selbstvertrauen regelrecht erstickt hat. Chevalier lässt den Leser an Violets Entwicklung teilhaben, zeigt ihren Weg auf wie eine Befreiung, während sie dies alles mit den Beschreibungen der Kathedrale, einigen Ausflügen, einer Einführung ins Stickhandwerk und dem Klang von Glocken verbindet. Aber die Autorin verbindet auch reale Personen mit ihrer fiktiven Handlung und gibt die damals herrschenden Standesdünkel und gesellschaftlichen Konventionen in ihrer Geschichte gut wieder.
Die Charaktere sind mit individuellen Eigenheiten lebendig und glaubwürdig inszeniert, der Leser folgt ihnen nur zu gern während der Handlung und ertappt sich dabei, gerade mit Violet zu hoffen und zu fühlen. Violet ist eine Frau in den besten Jahren und ein Kind ihrer Zeit, von dem man erwartet, dass es sich um seine Eltern kümmert. Da sie nicht verheiratet ist, kommt ihr Ausbruch überraschend, doch eigentlich hat sie sich schon viel zu viel von ihrer Mutter gefallen lassen. Violet beweist vor allem Mut und Stärke, denn sie will wieder atmen können und sich von dem Korsett befreien, dass ihre Mutter immer enger geschnürt hat. Im Verlauf der Geschichte darf man als Leser miterleben, wie sie langsam aufblüht, an Selbstvertrauen gewinnt und sich Dinge zutraut, an die vorher nicht zu denken war. Ihre Mutter ist eine unzufriedene Frau, die vor allem anderen die Schuld für ihr Schicksal gibt. Niemand kann es ihr recht machen und schon gar nicht ihre Tochter. Violets Bruder Tom weiß alle um den Finger zu wickeln und sich seine Vorteile zu sichern. Louisa Pesel ist eine starke Frau mit großem Herzen und einem ansteckenden Optimismus. Aber auch die weiteren Protagonisten wie Arthur, Gilda, Majory oder Maude tragen ihren Teil dazu bei, dass die Geschichte immer im Fluss bleibt.
„Violet“ ist ein wunderbarer historisch angehauchter Roman, der sich wie eine Stickerei erst nach und nach entfaltet und ein Frauenschicksal erscheinen lässt, dass den Leser unvergesslich mitten ins Herz trifft. Absolute Empfehlung für ein wahres Lesekunstwerk!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.01.2020
Der Lehrmeister / Die Geschichte des Johann Georg Faustus Bd.2
Pötzsch, Oliver

Der Lehrmeister / Die Geschichte des Johann Georg Faustus Bd.2


ausgezeichnet

1518. Sechs Jahre nach seiner Flucht aus Nürnberg ist der zweifelhaft zu Ruhm erlangte Doktor Johann Georg Faustus in Begleitung von Ziehtochter Greta und Karl Wagner ein gern gesehener Gast an Höfen und auch unter der einfachen Bevölkerung, die sich allesamt durch seine astrologischen Aussagen und seine Zaubertricks blenden lassen. Sein Ruf lässt nicht nur Medici-Papst Leo X. nach ihm fragen, der nur zu gern das Geheimnis der Goldherstellung in Erfahrung bringen will, um seine Kassen weiter aufzufüllen, auch König Franz I. erhofft sich dieses Wissen. Währenddessen ist Faustus‘ Erzfeind Tonio del Moravia ihm immer noch auf der Spur, so dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Vergangenheit Faustus einholen wird…
Oliver Pötzsch hat mit „Der Lehrmeister“ den zweiten Teil seiner historischen Faustus-Trilogie vorgelegt, die dem ersten Band an Spannung und Unterhaltungswert in nichts nachsteht und den Leser mit einem flüssigen und bildhaften Schreibstil von der ersten Seite an in den Bann zieht. Mit seiner detaillierten Erzählweise lässt der Autor vor dem inneren Auge des Lesers ein wunderbares Kopfkino entstehen, während er mit Faustus und seinen Wandergefährten im 16. Jahrhundert wandelt und einige gefährliche Reisen miterleben kann und immer eine unterschwellige düstere Spannung herrscht, die oftmals Gänsehaut beschert. Die damaligen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse wurden vom Autor wieder einmal sehr gut recherchiert und mit seiner Handlung verwoben, wobei er auch eindrucksvolle reale Persönlichkeiten der Zeit in seiner Geschichte auftreten lässt wie hier Leonardo da Vinci. Überraschende Wendungen steigern die Spannung immer weiter in die Höhe und lassen den Leser regelrecht an den Seiten kleben. Im beigefügten Nachwort erhält der Leser zum Abschluss noch die Aufklärung über Wahrheit und Fiktion sowie einige wunderbare Reisetipps, die zum Nachmachen einladen.
Die Charaktere sind sehr detailliert ausgestaltet und liebevoll in Szene gesetzt. Lebendig und glaubwürdig lassen sie den Leser in ihre Mitte und mit ihnen fiebern. Dr. Faustus ist ein intelligenter Mann, der weiß, wie er die Leute um den Finger wickelt, damit sie ihm zuhören und Glauben schenken. Er wirkt rastlos und immer auf der Suche, was ihn unermüdlich auf Wanderschaft gehen und nie lange an einem Ort verharren lässt, obwohl das Reisen zur damaligen Zeit keine angenehme Angelegenheit darstellte. Tonio del Moravia ist unerbittlich und ausdauernd, er gibt einfach nicht auf. Aber auch Faustus‘ Tochter Greta, Karl Wagner, Papst Leo X. sowie weitere Protagonisten geben der Handlung viele Spannungsmomente und machen sie opulent und abwechslungsreich.
„Der Lehrmeister“ ist eine wunderbare Fortsetzung von „Der Spielmann“. Der Roman vereinigt Unterhaltung und Spannung mit historischem Hintergrund auf hervorragende Weise und lässt den Leser während der Lektüre nicht nur geschichtliche Persönlichkeiten begegnen, sondern eine Reise antreten, die so schnell nicht in Vergessenheit gerät. Absolute Leseempfehlung für das gefährliche Spiel mit dem Teufel!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.01.2020
1794 / Winge und Cardell ermitteln Bd.2
Natt och Dag, Niklas

1794 / Winge und Cardell ermitteln Bd.2


ausgezeichnet

1794 Stockholm. Schweden befindet sich nach dem zurückliegenden Krieg gegen Russland und dem Tod König Gustavs III. in einer unsicheren Lage, unter der die Bevölkerung leidet. Stadtknecht Jean Michael Cardell hat seinen Partner Cecil Winge verloren und hat sich von dem Verlust noch nicht erholt, er versucht den Schmerz mit Alkohol und Schlägereien zu betäuben. Da wird er von einer Frau um Hilfe gebeten, den Mord an ihrer Tochter Linnea aufzuklären. Diese wurde in ihrer Hochzeitsnacht angeblich von ihrem adligen Ehemann Erik erst grausamst gefoltert und dann getötet, doch dies glaubt die Mutter der ermordeten Braut nicht. Mit Unterstützung von Emil Winge, Bruder des verstorbenen Cecil, reißt Cardell sich zusammen und begibt sich auf Spurensuche, um den Mord aufzuklären, wobei er in die tiefsten Abgründe Stockholms gerät…
Niklas Natt och Dag hat mit „1794“ den zweiten historischen Kriminalroman um seinen ungewöhnlichen Helden Jean Michael Cardell vorgelegt, der dem ersten Roman „1793“ an Spannung und Unterhaltung in nichts nachsteht und sich zeitlich über das ganze Jahr hinwegzieht. So ist der Roman auch in die vier Jahreszeiten unterteilt, während der der Leser aus unterschiedlichen Blickwinkeln die Ermittlungen von Cardell und seinen Helfern miterleben darf. Der Schreibstil ist der damaligen Zeit angepasst, was ihm eine gewisse Authentizität verleiht, dabei flüssig und mit einer durchgehend unterschwelligen Spannung versehen. Der Autor versteht es ausgezeichnet, den Leser nicht nur durch seine gewandte bildhafte Sprache in das 18. Jahrhundert zu katapultieren, er erweckt das alte und düster wirkende Stockholm mit seiner ärmlichen und teilweise rohen Gesellschaft wieder zum Leben und lässt dem Leser Schauer über den Rücken laufen angesichts der doch recht plastisch geschilderten schlimmen hygienischen Zustände der damaligen Zeit. Neben dem schwierig zu lösenden Kriminalfall macht sich der Protagonist Cardell zusätzlich privat auf die Suche nach einer ihm bekannten verschwundenen Frau namens Anna Stina. Den historischen Hintergrund hat der Autor akribisch recherchiert und sehr gut mit seiner Handlung verknüpft. Der Spannungslevel ist durchgängig auf einem recht hohen Niveau und hält sich bis zum finalen Schluss.
Die Charaktere sind sehr detailliert ausgestaltet und wirken mit ihren individuellen Ecken und Kanten sehr glaubwürdig, lebendig und realitätsnah. Von ihnen geht eine gewisse Faszination aus, die den Leser sich ihnen automatisch an die Fersen setzen lassen, auch wenn der eine oder andere nicht gerade ein Sympathikus ist. Jean Michael Cardell wirkt wie eine verkrachte Existenz. Er lässt sich gehen, rauft und säuft, doch eigentlich versucht er nur seinen Kummer zu betäuben. Cardell wirkt manchmal jähzornig, cholerisch, doch wenn es um Unrecht geht, kennt er keinen Spaß. Emil Winge ist der absolute Gegensatz zu Cardell. Er ist eher ein sensibler Feingeist, dem man nicht zutraut, in den Untiefen und Abgründen Stockholms zurechtzukommen, sondern eher daran zu zerbrechen. Doch er besitzt entweder die Fähigkeit, alles auszublenden oder eine ungeahnte Disziplin und den Wunsch nach Gerechtigkeit, um sich dort hineinzuwagen. Aber auch altbekannte Protagonisten aus dem ersten Band kreuzen wieder die Wege von Cardell und tragen ihren Teil dazu bei, die Geschichte durchweg spannend zu gestalten.
„1794“ ist ein sehr spannend erzählter historischer Kriminalfall, der nicht nur aufgrund der akribischen Beschreibungen punktet, sondern auch durch den geschichtlichen Hintergrund und seiner gewöhnungsbedürftigen Protagonisten überzeugt. Allerdings sollte man schon einiges an Brutalität abkönnen, wenn man sich auf dieses Buch einlässt. Toll erzählt und absolut mitreißend!

5 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.