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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.12.2013

Aschaffenburgs erstes Villenviertel
Buch zur Geschichte des Bahnhofsquartiers vorgestellt / Dynamische Entwicklung

hob. ASCHAFFENBURG. Das Aschaffenburger Bahnhofsviertel ist ein relativ junger Stadtteil mit einer abwechslungsreichen Geschichte. Erst war das Gelände vor den Toren der Innenstadt Gartenland, dann entwickelte es sich zum Villenviertel, später entstanden dort repräsentative Stadthäuser, gefolgt von Fabriken. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam der Wiederaufbau mit Wohn-, Geschäfts- und Bürohäusern, vor zwei Jahren wurde der neue Hauptbahnhof eröffnet. Der Journalist und Autor Peter Körner hat sich mit dem Aschaffenburger Bahnhofsviertel zwischen den Gleisanlagen und der historischen Altstadt, beschäftigt. In dem neu erschienenen Buch "Das Aschaffenburger Bahnhofsquartier" präsentiert er die Ergebnisse seiner Forschungen zur Bau- und Siedlungsgeschichte des rund 150 Jahre alten Stadtteils.

Der Autor hat unter anderem Quellen aus Zeitungsarchiven, aus dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München, aus dem Aschaffenburger Stadt- und Stiftsarchiv und der Hofbibliothek ausgewertet. Er sichtete etwa 400 Bauakten der städtischen Bauverwaltung aus den Jahren 1855 bis 1960. Gerade in den Akten aus der Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckte er dabei "Schätze zwischen unscheinbaren Aktendeckeln", da diese Akten mit ihren Bauzeichnungen nicht nur über lokale Stadtentwicklung, Architektur- und Sozialgeschichte informieren, sondern auch künstlerische Qualitäten zeigen, die damals zum Rüstzeug eines Architekten gehörten.

Herausgegeben wurde das 240 Seiten umfassende, mit vielen Fotos und Bauzeichnungen illustrierte Werk von der Stadt Aschaffenburg und dem Verein Aschaffenburger Altstadtfreunde. Das Buch behandelt das Gebiet zwischen Goldbacher Straße im Osten und der Müllerstraße im Westen, mit der Weißenburger Straße, die anfangs noch "Apfelallee" hieß, im Süden und der Langen Straße im Norden. Darüber hinaus bezieht es den übriggebliebenen Grünzug von der Karlstraße bis zum Herstallturm mit ein, der immer noch eine Nahtstelle zur Innenstadt bildet.

Für Körner ist das Bahnhofsviertel das Bemerkenswerteste unter den Quartieren jenseits der klassischen Innenstadt. Zum einen habe die Bahnlinie einen besonders nachhaltigen Einfluss ausgeübt, der weit über den anderer Einrichtungen wie etwa des Hafens oder der Autobahn hinausgegangen sei. Zum anderen verlaufe hier die Entwicklung, ungeachtet einiger Stagnationsjahre, bis heute besonders dynamisch. Es ist das "urbane Viertel" schlechthin, stellt er fest. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt auf der Zeit vor den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs. Seit 1807 hatte fast 100 Jahre lang die Dalbergsche Kaserne das Gebiet des späteren Bahnhofsviertels geprägt. Anfangs war sie das einzige nennenswerte Bauwerk inmitten von Gärten, bis 1854 der Bahnhof hinzukam. Kurz vor 1900 wich die Kaserne Wohn- und Geschäftshäusern, sowie einer Brauerei. Die Konversion von Kasernenstuben zu Wohnungen, mit der sich im Bahnhofsviertel erneut ein Wandel vollzog, wird in einem eigenen Kapitel ausführlich beschrieben. Mit der Eröffnung der Ludwigs-West-Bahn 1854 wurde der Grundstein für die Entwicklung des Bahnhofsquartiers gelegt. Der Aschaffenburger Bahnhof wurde von dem Architekten Gottfried von Neureuther geplant. Die Gegend um den Bahnhof erwies sich für viele wohlhabende Aschaffenburger als der ideale Ort für die Villa im Grünen. Das Bahnhofsquartier war das erste Villenviertel der Stadt, Pompejanums- und Grünewaldviertel folgten erst Jahrzehnte später. Körner weist darauf hin, dass die Entwicklung des Bahnhofsquartiers ohne die Tätigkeit von Investoren "erheblich gedämpfter" verlaufen wäre. Ihre Initiativen konzentrierten sich auf den Wohnungsbau zwischen dem Ende der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts und dem ersten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts. In dieser Zeit hatte sich die Einwohnerzahl Aschaffenburgs auf 26 000 verdoppelt, und es kam zu einem Bauboom, der die Nachfrage nach Wohnungen befriedigen sollte.

Die Bahnlinie führte dazu, dass sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch neue Gewerbezweige wie zum Beispiel die Papierfabriken, die Herdfabrik Koloseus, der Klavierhersteller Arnold sowie zahlreiche Kleiderfabriken im Bahnhofsviertel ansiedelten. Außerdem wurde die Gegend auch für Banken und Ämter attraktiv, die dort ihre Gebäude errichteten.

Peter Körner: "Das Aschaffenburger Bahnhofsquartier", hg. von Stadt Aschaffenburg und Aschaffenburger Altstadtfreunden, 2013, 29,50[Euro]

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