Im Jahre 1903 wurde die große Etappenfahrt durch Frankreich erstmals durchgeführt, organisiert von einer Sportzeitung, aus der später die bekannte L Equipe werden sollte. Die Bedingungen waren abenteuerlich, die Fahrer weitgehend auf sich allein gestellt.
Aber aus diesen mühseligen Anfängen entwickelte sich die "große Schleife" zu einem führenden Sportereignis weltweit und zum jährlichen Fixpunkt des Radsports und seiner zahlreichen Anhänger.
Wenn im Juli 2003 wiederum das Startsignal gegeben wird, steht der Sommer zum neunzigsten Mal (die beiden Weltkriege unterbrachen die Abfolge) im Bann der "Helden der Landstraße".
Alle großen Namen des Radsports haben jeweils die Tour geprägt und gemeinsam zu einem einzigartigen Mythos gemacht: Fausto Coppi, Jaques Anquetil, Eddy Merckx, Miguel Indurain und viele andere, bis hin zu Jan Ullrich, Erik Zabel und natürlich Lance Armstrong, für den es 2003 darum gehen wird, ob er (als zweiter überhaupt) die Tour fünfmal in Folge gewinnen kann.
Dr große, aus den Archiven von L Equipe einzigartig ausführlich bebilderte Band ist die "offizielle" Publikation der Societe du Tour de France zum hundertsten Geburtstag des größten, schwersten und schönsten Radrennens der Welt - eine einzigartige Feier des Radsports und ein Muss für jeden Fan!
Aber aus diesen mühseligen Anfängen entwickelte sich die "große Schleife" zu einem führenden Sportereignis weltweit und zum jährlichen Fixpunkt des Radsports und seiner zahlreichen Anhänger.
Wenn im Juli 2003 wiederum das Startsignal gegeben wird, steht der Sommer zum neunzigsten Mal (die beiden Weltkriege unterbrachen die Abfolge) im Bann der "Helden der Landstraße".
Alle großen Namen des Radsports haben jeweils die Tour geprägt und gemeinsam zu einem einzigartigen Mythos gemacht: Fausto Coppi, Jaques Anquetil, Eddy Merckx, Miguel Indurain und viele andere, bis hin zu Jan Ullrich, Erik Zabel und natürlich Lance Armstrong, für den es 2003 darum gehen wird, ob er (als zweiter überhaupt) die Tour fünfmal in Folge gewinnen kann.
Dr große, aus den Archiven von L Equipe einzigartig ausführlich bebilderte Band ist die "offizielle" Publikation der Societe du Tour de France zum hundertsten Geburtstag des größten, schwersten und schönsten Radrennens der Welt - eine einzigartige Feier des Radsports und ein Muss für jeden Fan!
100 Jahre Tour de France sind auch 100 Jahre Technikgeschichte des Rennrads: Vom Wenden des Hinterrads bis zum Knopf im Ohr
Die Reliquie sah ziemlich ramponiert aus. Links und rechts präsentierte der italienische Hersteller Campagnolo die neusten Bremsen und Schaltungen fürs Rennrad mit soviel ästhetischer Vornehmheit in den Farben Weiß und Blau, als handele es sich um Bijouterie. Das Velo in der mittleren Vitrine war jämmerlich verschrammt. Ein kleines Schild wies darauf hin, daß es sich um ein Fahrzeug des deutschen Radprofis Jan Ullrich handele. Denn der hatte, fünf Jahre wird es her sein, gerade sein Leistungshoch. Offenkundig war bei dem Rad von Pinarello, selbstverständlich professionell mit "Campa" ausgestattet, darauf verzichtet worden, die Patina der Mühsal zu entfernen. Es war nicht einmal geputzt.
Was der Radsportler in knapper Umschreibung "das Material" nennt, alles Technische, Rad, Reifen und sonstige Ausrüstung, darf bei Ausübung des Sports keine Schonung erwarten. So schrecklich schmutzig wie vor hundert Jahren ist ein Radrennen auf asphaltierten Straßen allerdings heute nicht mehr. Bilder von Siegern und Besiegten der Tour de France zeigen bis in die vierziger Jahre Gesichter, die wie die von Bergleuten aussehen. Die Tourleitung jagt die Fahrer über unbefestigte Straßen, durch den Staub und ins Schlammbad je nach Witterung. Und wenn man sich die ausgemergelten Gesichter der Männer angeguckt hat, fragt man sich, was das eigentlich für Fahrräder waren, mit denen sie unterwegs waren.
Erschreckend schlichte Räder sind das: Rahmen in Winkelstellungen, die für unsere heutigen Vorstellungen eine viel zu gestreckte Form ergeben, ein flacher Lenker, eine Klotzbremse. Der Sattel: selbstverständlich Kernleder. Felgen aus geleimtem Schichtholz sorgen für ein wenig Dämpfung, Ersatz für die anfälligen Pneus hat der Fahrer als zur Acht geschlungene Schlauchreifen auf dem Buckel. Der Fahrer muß sich selbst helfen. Es ist die Zeit der heroischen Reparaturen, des Radtauschs, der Strafen für unerlaubte Hilfe: Eugène Christophe bekommt nach seiner Gabelreparatur in der Schmiede von Sainte-Marie-de-Campan eine Zeitstrafe, weil ein Knabe ihm den Blasebalg an der Esse getreten hat.
Vor allem aber gibt es keine Gangschaltung. Schlimmer noch: Etliche Jahre lang verbietet das Reglement sogar den Freilauf, obwohl dessen Erfindung fünf Jahre älter als die Tour der Leiden ist. Noch in den zwanziger Jahren ist das übliche Hinterrad eins mit zwei Ritzeln von verschiedener Zähnezahl neben den Flanschen der Nabe. Mit dem größeren Ritzel kämpft man sich bergauf, und oben wird das Hinterrad ausgebaut, herumgedreht, wieder eingebaut. Mit weniger Zähnen und entsprechend größerer Übersetzung geht es à tempo bergab. Wie schnell ein Radrennfahrer als Monteur ist, entscheidet mit über Sieg und Niederlage. Am 11. November 1927 ist ein gewisser Tullio Campagnolo bei einem Radrennen in den Dolomiten unterwegs. Er muß sein Hinterrad wenden, aber er bekommt bei frostigen Temperaturen die üblichen Flügelmuttern nicht auf. "Bisogno cambiá qualcosa de drio!" soll er geflucht haben, "Hinten muß sich etwas ändern!" Und genau dafür sorgt dieser Mann, indem er zunächst den Schnellspanner erfindet und dann Anfang der dreißiger Jahre das Schaltwerk. Das ist zunächst ein an einem Rohr des Hinterbaus entlanggeführtes doppeltes Gestänge: Ein Hebel öffnet die Klemmung, von der die Nabe im Rahmen gehalten wird, Hebel Nummer zwei drückt die Kette von einem aufs andere Ritzel, die sich nun nebeneinander auf der gleichen Seite befinden. Kein Aus- und Einbau mehr - Zeitersparnis. 1933 macht Campagnolo aus zwei Stangen eine, ein Ausgleich der Kettenlänge kommt hinzu. In den ersten Nachkriegsjahren fahren zuerst Italiener wie Bartali und Coppi mit Campagnolos Schaltungen zum Sieg. Der Derailleur "Gran Sport" von 1951 ist für die kommenden Jahrzehnte und für Konkurrenten wie Simplex oder Huret in Frankreich stilbildend.
Noch mehr als 20 Jahre werden vergehen, bis 1972 Shimano, der japanische Hersteller von Fahrradnaben und Angelrollen, mit der Komponentenserie Dura Ace angreift. Die Ritzelpakete werden immer dicker, die Zahl der "Gänge" nimmt zu, amerikanische Fahrer beginnen in den neunziger Jahren damit, dreifache Kettenblätter an der Tretkurbel zu fahren. Aber hat die Wahl zwischen 27 Übersetzungen, haben neue Materialien wie Kohlefaser oder neue Rahmenformen so starken Einfluß auf die Tour genommen? Viel wichtiger als all das ist im Rennablauf die Telekommunikation geworden. Daß manche Fahrer einen telefonischen Knopf im Ohr haben, daß Kommunikation zwischen Taktikern mit Überblick und Kämpfern im Getümmel jederzeit möglich ist, das hat mehr egalisiert als alle Feinmechanik.
HANS-HEINRICH PARDEY
100 Jahre Tour de France 1903-2003. Herausgegeben von der Société du Tour de France unter Verwendung von Material aus den Archiven von L'Equipe. Delius Klasing Verlag, Bielefeld. 336 Seiten, 171 Farb- und 363 Schwarzweißfotos, 115 farbige Karten, Großformat, 29,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
literaturtest.de
Das Fieber hat einen Namen
Was bewegt alljährlich Millionen ansonsten recht vernünftiger Menschen, sich an einem herrlichen Julitag stundenlang vor den Fernseher zu setzen? Das nicht mehr ganz taufrische Fahrrad aus dem Keller zu holen und nach Feierabend ungeachtet akuter Formschwäche ungeheure Pensen herunterzustrampeln? Mit einer Spannung in die wunderbare französische Landschaft zu schauen, die kein noch so gelungener Tatort jemals auslösen könnte? Das Fieber hat einen Namen: Tour de France.
Die Tour der Leiden
Seit nunmehr 100 Jahren bricht es regelmäßig im Sommer aus, und meist tritt bei den Betroffenen eine Besserung erst einige Tage nach Abschluss der Tour ein, wenn die Fahrer die Champs-Elysées in Paris zum letzten Mal passiert haben. Und wer sich nach Abklingen der Symptome fragt, warum es ihn wieder mal erwischt hat, sollte dieses Buch zur Hand nehmen. Es vermittelt eindrücklich die Faszination der "Tour der Leiden", die in diesem Jahr 100 Jahre alt wird.
Deutsch-französische Kooperation
Die Sportzeitung L Équipe hat für die dreibändige Originalausgabe des Buchs ihre gigantischen Archive geöffnet. In einer Zusammenarbeit der Zeitung mit dem Delius Klasing Verlag und der ARD ist die vorliegende deutsche Ausgabe entstanden, für die auch die Kommentatoren Hagen Boßdorf, Herbert Watterott, Werner Zimmer und Jürgen Emig zur Feder gegriffen haben.
Hohe journalistische Qualität
Spätestens nach der Lektüre der knapp 340 großformatigen Seiten hat man verstanden, warum die "grande boucle" für die Franzosen mehr ist als nur ein großes Radrennen. "Die große Schleife" ist ein Teil der französischen Identität. Wie die Tour im Laufe des 20. Jahrhunderts Frankreich und den Rest der Sportwelt eroberte, dokumentieren die Originaltexte aus L Équipe ebenso wie die rund 500 zum Teil atemberaubenden Fotos. Anquetil, Merckx, Hinault, Indurain, Ullrich, Armstrong - sie und alle anderen Tour-Sieger werden gewürdigt. Dass auch die Schattenseiten des Rennens - Stürze, Todesfälle, Doping-Skandale - beleuchtet werden, versteht sich angesichts der hohen journalistischen Qualität des Bandes von selbst. So ist in deutsch-französischer Kooperation ein Buch entstanden, das bei manchem "Patienten" auch außerhalb des Sommers zu Fieberattacken führen dürfte.
(Roland Große Holtforth)
Das Fieber hat einen Namen
Was bewegt alljährlich Millionen ansonsten recht vernünftiger Menschen, sich an einem herrlichen Julitag stundenlang vor den Fernseher zu setzen? Das nicht mehr ganz taufrische Fahrrad aus dem Keller zu holen und nach Feierabend ungeachtet akuter Formschwäche ungeheure Pensen herunterzustrampeln? Mit einer Spannung in die wunderbare französische Landschaft zu schauen, die kein noch so gelungener Tatort jemals auslösen könnte? Das Fieber hat einen Namen: Tour de France.
Die Tour der Leiden
Seit nunmehr 100 Jahren bricht es regelmäßig im Sommer aus, und meist tritt bei den Betroffenen eine Besserung erst einige Tage nach Abschluss der Tour ein, wenn die Fahrer die Champs-Elysées in Paris zum letzten Mal passiert haben. Und wer sich nach Abklingen der Symptome fragt, warum es ihn wieder mal erwischt hat, sollte dieses Buch zur Hand nehmen. Es vermittelt eindrücklich die Faszination der "Tour der Leiden", die in diesem Jahr 100 Jahre alt wird.
Deutsch-französische Kooperation
Die Sportzeitung L Équipe hat für die dreibändige Originalausgabe des Buchs ihre gigantischen Archive geöffnet. In einer Zusammenarbeit der Zeitung mit dem Delius Klasing Verlag und der ARD ist die vorliegende deutsche Ausgabe entstanden, für die auch die Kommentatoren Hagen Boßdorf, Herbert Watterott, Werner Zimmer und Jürgen Emig zur Feder gegriffen haben.
Hohe journalistische Qualität
Spätestens nach der Lektüre der knapp 340 großformatigen Seiten hat man verstanden, warum die "grande boucle" für die Franzosen mehr ist als nur ein großes Radrennen. "Die große Schleife" ist ein Teil der französischen Identität. Wie die Tour im Laufe des 20. Jahrhunderts Frankreich und den Rest der Sportwelt eroberte, dokumentieren die Originaltexte aus L Équipe ebenso wie die rund 500 zum Teil atemberaubenden Fotos. Anquetil, Merckx, Hinault, Indurain, Ullrich, Armstrong - sie und alle anderen Tour-Sieger werden gewürdigt. Dass auch die Schattenseiten des Rennens - Stürze, Todesfälle, Doping-Skandale - beleuchtet werden, versteht sich angesichts der hohen journalistischen Qualität des Bandes von selbst. So ist in deutsch-französischer Kooperation ein Buch entstanden, das bei manchem "Patienten" auch außerhalb des Sommers zu Fieberattacken führen dürfte.
(Roland Große Holtforth)