Früher wandten sich betroffene Eltern wegen ihrer radikalisierten Jugendlichen an Beratungsstellen. Seit einigen Jahren scheint sich dies umgekehrt zu haben: Immer öfter suchen junge Menschen wegen ihrer radikalisierten Eltern Hilfe. Menschen der Generation 50plus teilen häufiger Fake News als junge Menschen, sind anfälliger für Verschwörungsideologien und scheinen häufiger in Filterblasen abzutauchen. Woran liegt das? Und wie kann mit diesem neuen Phänomen der radikalisierten Senioren und Seniorinnen umgegangen werden? Neben einem Streifzug durch die Studienlage zu Medienkompetenz und Radikalisierung im Alter beleuchten die Autorinnen individuelle Fallgeschichten und leiten daraus Lösungsideen ab. Es zeigt sich, dass eine Sensibilisierung für die Vulnerabilität in dieser Generation dringlich und von hoher politischer Relevanz ist: Nur so lassen sich Wege finden, der Spaltung innerhalb von Familien und innerhalb der Gesellschaft entgegenzuwirken.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Wie mit älteren Angehörigen umgehen, die in verschwörungstheoretisches Denken abgleiten? Mit dieser Frage beschäftigen sich Sarah Pohl und Mirjam Wiedemann in diesem laut Rezensentin Antje Lang-Lendorff trotz Schwächen insgesamt empfehlenswerten Buch. Die theoretischen Überlegungen, die die Autorinnen zum Thema anstellen, kann man getrost ignorieren, meint Lang-Lendorff, interessant findet sie hingegen die über 20 Fallbeispiele. Sie geht auf einige dieser Fallstudien kurz ein, die durchaus unterschiedlich ausfallen, wobei auch Gemeinsamkeiten zu erkennen sind: Lebenskrisen fördern Radikalisierung, das im Alter zentrale Thema der Gesundheit ist oft eine Einstiegsdroge für Verschwörungsdenken. Pohl und Wiedemann fokussieren auf die Lebensläufe der Betroffenen, so Lang-Lendorff, gesellschaftliche Faktoren hingegen spielen keine große Rolle, was spätestens dann ein Problem wird, wenn es darum geht, Lösungen für die Probleme anzubieten. Gleichwohl findet die Rezensentin im Buch einige gute Anregungen, etwa wenn die Autorinnen Angehörigen vorschlagen, älteren Menschen die Aufnahme eines Hobbys nahezulegen - dann bleibt weniger Zeit fürs Scrollen auf dubiosen Internetseiten. Angesichts solcher Ratschläge werden Überfünfzigjährige dieses Buch wohl weit weniger hilfreich finden als die unbedarfte Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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