Mit Roland Barthes im Sinn hinterfragt Jochen Schimmang Phänomene und Diskurse der letzten Jahre und lässt aus sehr disparaten Mosaiksteinchen - beginnend mit einem Anfangsfinder - ein autobiografisches Wimmelbild entstehen. Darin finden Kleidungsstücke als Fetisch und ein Plädoyer für einen zivilisierten Verkehr unter Hochstaplern ebenso Platz wie Phantasien, die ChatGPT über den Autor entwickelt hat. Auch die Buzzwords der Tagespolitik - sei es die Zeitenwende oder die Spaltung der Gesellschaft - sind vor seinem Zugriff nicht sicher.Schimmang sinniert über Ähnlichkeiten und Unterschiede, etwa zwischen Barthes und Foucault oder zwischen Menschen und Schildkröten; er denkt nach über Giacomettis Sterben und das Rätsel Vermeer, sammelt Träume, Verleser und Verhörer, schreibt alternative Kurznovellen zu seinen eigenen Romanen und findet erste Sätze stark überschätzt. Auf literarischen Geländegängen gelangt er an schon einmal besuchte und an imaginierte Orte. Konsequenterweise führt der Text am Ende nicht ans Ziel, sondern ins Offene: ins Terrain vague.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Angenehm zu lesen und bereichernd ist Jochen Schimmangs Essayistik, findet Rezensent Frank Schäfer. An französischer literarischer Tradition im Allgemeinen und Roland Barthes im Besonderen geschult denkt Schimmang nach Schäfers Bechreibung über dieses und jenes nach, unterfüttert von Literaturbelegen, gleichzeitig jedoch viel mehr dem Aphorismus und dem Gedankensprung als der strengen wissenschaftlichen Analyse verpflichtet. Unter anderem, führt Schäfer aus, geht es um Irrungen deutscher Vergangenheitsbewältigung und auch darum, dass Meinungsfreiheit die Freiheit einschließt, keine Meinung haben zu müssen. Das passt, lesen wir weiter, zu Schimmangs ambivalentem Verhältnis zur Öffentlichkeit und seiner Vorliebe für Rückzugsräume inmitten der Gesellschaft wie etwa Hotelzimmer. Zeitgemäß ist das Buch, dem man im Übrigen nicht durchweg zustimmen muss, um Gefallen an ihm zu finden, laut Schäfer nicht, aber die Tatsache, dass der Diskurs inzwischen nicht mehr in den Bahnen verläuft, die Schimmang bevorzugt, spricht laut Rezensent keineswegs gegen dieses Buch.
© Perlentaucher Medien GmbH
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