Einmal gibt es stillen Beziehungsabbruch infolge ausbleibender SMS: Sie wartet auf seine Antwort, er wendet sich von ihr ab und wieder seiner Familie zu. Einmal stimmt Nora Gomringer ein Lob der Mutter an oder erinnert in einer schnellen Revue an einen Bauernhof. Dazwischen unternimmt sie eine kleine Heimaterkundung. Und einmal lesen wir eine wunderbare Kinderverwirrgeschichte, an der ein Esel, ein Hund, eine Katze und ein Hahn mitwirken, vier berühmte Freunde, aber hier in anderen Rollen.Nora Gomringer kann mit ihren Texten immer auch anders. Ihre sprachlichen Register sind stets wieder überraschend, die Vielfalt der Themen scheint unerschöpflich. Sie überwindet Gattungsgrenzen - von Lyrik über Prosa bis hin zu Hörspiel-Skript oder Opern-Libretto - und macht zum Sprachereignis, was nicht so leicht zu erzählen ist.Die wandlungsfähige Dichterin gehört zu den prägenden Stimmen der deutschsprachigen Spoken-Word- und Slam-Szene und wurde für ihre Werke mehrfach ausgezeichnet. In "achduje" versammelt Nora Gomringer Texte, die geschrieben wurden, um gesprochen zu werden - und nun lassen sich diese lesen, als hörte man die Autorin.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Michael Braun ist zunächst verwundert angesichts von so viel Herzschmerz und dunklen Träumen in diesem Band mit Sprechtexten von Nora Gomringer. Ist das noch die "fröhliche Dichterin" Gomringer? Dass Selbstverlust und Liebesschmerz auch Gomringer plagen, leuchtet Braun allerdings ein. Und so liest er mit wachsendem Verständnis dieses "existenzielle Exerzitium", versetzt mit Reminiszenzen an Orpheus und von stilistisch beweglicher Gestalt, wie Braun anmerkt. Am Ende scheinen ihm die finsteren Stücke stärker als Gomringers explizit als oratorische Perfomance-Kunst gestalteten Arbeiten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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