Es gibt sie heute noch, die Cowboys, nur haben sie sehr wenig mit irgendwelchen Westernhelden aus Hollywood oder mit der Plakatwerbung der Tabakindustrie gemein. Mehr als ein Jahrzehnt hat der New Yorker Fotograf Luis Fabini mit den Cowboys den kargen Alltag geteilt und zeigt uns die raue Lebenswirklichkeit dieser Männer, die noch heute in den Weiten des amerikanischen Kontinents auf ihren Pferden das Vieh über Hochebenen, Prärien oder durch Sumpflandschaften treiben. Fabini war dafür mehrfach monatelang in acht Regionen des amerikanischen Kontinents unterwegs: Er trank Mate mit den Gauchos von Uruguay, war dabei, als die Cowboys von Nebraska die Kälber mit Brandzeichen markierten, übernachtete mit den Vaqueiros in der von Dornbüschen übersäten Steppe und begleitete die Pantaneiros beim Viehtrieb durch die riesige Sumpflandschaft des Pantanal, geplagt von Mücken, umgeben von Jaguaren, Kaimanen und Anakondas. Luis Fabini wurde Teil ihrer Welt. Das sieht man den Bildern an: In Duoton und Farbe zeigt er Porträts wettergegerbter Gesichter, von Männern, deren Züge vom selbstbestimmten, aber entbehrungsreichen Leben erzählen, ihre rauhen Hände, die wogenden Rücken der Viehherden und die halbwilden Pferde, die eins mit Ihrem Reiter zu sein scheinen. Fabinis Bilder zeigen ein Leben, das fern unserer Realität liegt und doch ein Teil unserer Vorstellungswelt ist, die durch den Verlust von Klischees nur reicher wird.
Man weiß gar nicht, was man bei diesem Bildband zuerst loben soll: die erhellenden Texte von Wade Davis - Anthropologe, Autor und Reisejournalist - oder eben die Fotografien von Luis Fabini - TrekkingGuide, Reisefotograf und Dokumentarfilmer. Beides zusammen trägt zu einem neuen Verständnis des alten Mythos vom Cowboy bei. Staub und Regen, Einsamkeit und Männerfreundschaft, Geschwindigkeit und Verharren, der Fotograf hat viele Momente des Lebens draußen zu einem umfassenden Bogen gebündelt. Immer mit auf dem Bild: der Hut. Hat er bei den Gauchos und Huasos in Südamerika eine gerade Krempe, wird diese zum Wagenrad bei den mexikanischen Charros, um in Nordamerika zu dem Cowboyhut zu werden, den wir als typisch empfinden. Mehr als ein Jahrzehnt hat Fabini mit den Cowboys den Alltag geteilt. Fast alle Porträtierten werden namentlich genannt, was sie nicht zu Stereotypen macht, sondern zu Individuen. Die Bilder kommen ohne Anzeichen modernen Lebens aus. Es gibt keine Trucks, keine Tankstellen, keine Straßen, keine Werbeschilder und schon gar keine Mobiltelefone. Auch wenn diese heute sicherlich in den meisten Satteltaschen stecken. So bieten die Fotos, so realistisch und gradlinig sie sind, einen sozialromantischen Blick auf eine untergehende Welt - was nichts daran ändert, dass man sich kaum satt daran sehen kann.
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"Amerikas Cowboys" von Luis Fabini (Text) und Wade Davis (Fotografien). Sieverking Verlag, München 2016. 156 Seiten, zahlreiche Fotos. Gebunden, 49,90 Euro.
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