Mit Anarchistische Ökologien zeigt Milo Probst, wie Anarchistinnen und Anarchisten zwischen 1870 und 1920 immer wieder nach neuen Formen suchten, diese Erde zu bewohnen und von ihren Reichtümern zu leben. Dabei lässt der Historiker vielfältige Stimmen zu Wort kommen, von Berühmtheiten wie Pëtr Kropotkin oder den Brüdern Élie und Élisée Reclus über unbekanntere Autoren wie Jean Grave oder André Léo bis hin zu anonymen Verfassern von Zeitungsartikeln. Auf unterschiedliche Weise sehnten sie sich alle nach einem anderen Umgang mit Mitmenschen und Umwelten: einem anderen Gebrauch der Erde, anderen Arbeitsformen und Techniken, einer anderen Beziehung zum eigenen Körper. Das macht sie jedoch nicht zwingend zu visionären Vorläufern und Vorläuferinnen des gegenwärtigen ökologischen Denkens. Vielmehr plädiert dieses Buch - ganz in anarchistischer Manier - dafür, die Fähigkeit von Menschen ernst zu nehmen, kreativ und selbstbestimmt mit ihren Umweltbeziehungen zu experimentieren.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Sonja Asal findet das Buch des Historikers Milo Probst über anarchistische Sichten auf die Naturverhältnisse lesenswert, auch wenn das Fazit bescheiden ausfällt. Wie sich Anarchisten wie Cesar de Paepe oder Pjotr Kropotkin zwischen 1870 und 1920 den Umgang mit Ressourcen dachten, lässt sich laut Asal mitunter in heutigen Diskursen wiederfinden, aber nicht umstandslos. Zu erfahren ist auch, wie der Anarchismus in kolonialen Denkmustern gefangen war, erklärt Asal. Materialreich und differenziert in der Betrachtung ist der Band für sie, doch wenn Probst am Ende meint, politische Emanzipation und Ökologie zusammenzubringen, sei wie dicke Bretter bohren, hält Asal das für etwas dünne.
© Perlentaucher Medien GmbH
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