Epistolare Anonymität ist im Gegensatz zu anonymer Autorschaft bislang kaum untersucht worden. Auf den ersten Blick scheint Anonymität für epistolares Schreiben keine große Relevanz zu besitzen . Im Gegensatz zu literarischen Texten weiß man in Briefwechseln meist immer, mit wem man es zu tun hat. Persönliche und konkrete Adressierung ist eine Voraussetzung für das Versenden und Empfangen von Briefen. Foucaults (nicht nur) in der Briefforschung viel diskutiertes Statement, dass ein Brief keinen Autor, sondern vielmehr einen Unterzeichner ("signataire") habe, unterstützt diese Annahme. Doch ist das wirklich so? Bietet der private Brief in seiner medialen Flexibilität und Mehrdimensionalität neben vielfältigen Möglichkeiten der Variation und Inszenierung des eigenen Selbst nicht auch Gradierungen einer relativen Anonymität Raum? Und zwar im Sinne einer Vorläufigkeit, partiellen Identifikation und Adressierung unterschiedlicher Personenkreise, denen der Name von Autoren, Verfassern, Werken oder anderen Entitäten eben bekannt ist oder nicht? Hier setzt der Band an und nimmt das Phänomen von Anonymität in Briefen in den Blick. Das Verhältnis von öffentlicher Anonymität und privater bzw. nicht-öffentlicher Kommunikation sowie die Durchlässigkeit zwischen epistolarer und gedruckter Kommunikation steht ebenso im Zentrum wie spezifische Strategien der Anonymisierung in Briefen und Potenziale der DH.
https://www.degruyter.com/publishing/publikationen/openaccess/open-access-buecher/open-access-transformationspakete?lang=de
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