Antisemitismus ist eine der verruchtesten Formen moderner Ideologien. Diese Behauptung bedarf heutzutage keines Nachweises mehr, zu katastrophal waren seine Auswirkungen, als dass sie in Abrede gestellt werden könnte. Die Ächtung von Antisemitismus ist ohne jeden Zweifel eine gesellschaftliche Notwendigkeit. Problematisch und kontraproduktiv wird es dort, wo ein vermeintlich kritischer Diskurs in herrschaftliches Bekenntnis umschlägt, wo Anti-Antisemitismus politisch missbraucht wird, wo sich eine vermeintlich kritisch auftretende Rezeption als ideologisch entpuppt. Moshe Zuckermann wagt eine Analyse dieser Entwicklung. Für ihn steht fest, dass die Verwendung des Antisemitismus-Vorwurfs als Parole im vermeintlichen Kampf gegen Antisemitismus "in eine fürchterliche Epidemie umgeschlagen ist." Längst schon sei sie zum Totschlag-Ideologem eines durch und durch fremdbestimmten Anspruchs auf politisch-moralische Gutmenschlichkeit geronnen. Ob man diese Epidemie heilen kann, wird sich erst erweisen müssen. Dass man sie erklären muss, scheint dringlicher denn je.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Dietz Bering spart nicht an Kritik an diesem Buch, will es aber auch nicht gänzlich verdammen. Der israelische Historiker Moshe Zuckermann schreibt mit Furor gegen eine Instrumentalisierung des Antisemitismus-Vorwurfs an, die er seit einigen Jahren in Israel durch Benjamin Netanjahus Likud, aber auch in Deutschland am Zuge sieht, um Kritik an Israel abzuwehren. Bering nennt eine Reihe von Zuckermann angeführten politischen Auseinandersetzungen, in denen der Antisemitismus als Vorwurf im Raum stand, etwa beim Bericht des südafrikanischen Richters Goldstone zum Gaza-Krieg, die deutsche Debatte um Martin Walser und Ignaz Bubis, aber auch jüngere Eklats um Claude Lanzmann einerseits sowie Norman Finkielkraut und Ilan Pappe andererseits. Bering überzeugt das alles nicht, in seinen Augen hat sich Zuckermann in einen heiligen Zorn gesteigert, der mitunter pathologische Grenzen streife ("Raptus"!). Denn wenn Zuckermann den Antisemitismus so oft zu Unrecht ins Feld geführt sieht, hätte er sich doch, meint Bering, um eine klare Definition bemühen müssen. Doch davon finde sich in dem ganzen Buch keine Spur. Er gesteht dem Autor aber zu, sich aus moralisch ehrenwerten Motiven heraus zu enragieren.
© Perlentaucher Medien GmbH
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