Der Autor wird den meisten wohl noch aus der Schule bekannt sein! Aus seiner Feder stammt das vielfach preisgekrönte und gerne als Lektüre verwendete Buch "Die Welle", in dem es um ein missglücktes soziales Experiment geht, mit dem ein Lehrer seinen Schülern eigentlich nur zeigen wollte, wie es zum
Holocaust kommen konnte... Mit fatalem Ergebnis. (Das ist in der Realität übrigens tatsächlich…mehrDer Autor wird den meisten wohl noch aus der Schule bekannt sein! Aus seiner Feder stammt das vielfach preisgekrönte und gerne als Lektüre verwendete Buch "Die Welle", in dem es um ein missglücktes soziales Experiment geht, mit dem ein Lehrer seinen Schülern eigentlich nur zeigen wollte, wie es zum Holocaust kommen konnte... Mit fatalem Ergebnis. (Das ist in der Realität übrigens tatsächlich passiert, an einer amerikanischen Schule in den späten 60er Jahren!)
Aber auch in seinen anderen Werken greift Morton Rhue oft brisante Themen auf, die Jugendliche betreffen: Amoklauf, Jugendkriminalität, brutale Erziehungscamps in den USA, Islamismus und Radikalisierung...
In "Aspalt Tribe" geht es um Straßenkinder - und zwar nicht in den Slums irgendeines Entwicklungslandes, sondern in einer durchschnittlichen amerikanischen Großstadt. Denn Jugendobdachlosigkeit ist auch in Wohlstandsländern ein (oft nur wenig beachtetes) Problem! Auch in Deutschland.
Morton Rhue erzählt die Geschichte einer kleinen Gruppe obdachloser Jugendlicher, die sich zusammengetan haben, um sich gegenseitig Schutz, Trost und Hilfe zu spenden, und die dabei allzu oft ums blanke Überleben kämpfen müssen. Die meisten von ihnen sind vor Vernachlässigung, Misshandlung oder Missbrauch geflohen, schlafen lieber bei Minus 20 Grad auf der Straße und verkaufen ihren Körper, statt zurückzugehen in ein Elternhaus, in dem sie die Hölle erlebt haben. Sie trauen Erwachsenen nicht mehr, auch nicht der netten Sozialarbeiterin, die ihnen nur helfen will.
Das ist sicher keine lustige Geschichte und der Autor beschönigt nichts, aber er verzichtet darauf, die schlimmen Dinge, die die Jungen und Mädchen erleben, sensationsgeil auszuschlachten und zum Beispiel genauer zu beschreiben, wie sie sich prostituieren. Das hat das Buch gar nicht nötig, denn es ist auch so schon bedrückend genug und regt zum Nachdenken an. "Maybe" berichtet relativ ruhig über die Geschehnisse - und das ist an sich schon verstörend, denn es zeigt, wie sehr sie mit ihren 15 Jahren schon abgestumpft ist. Sie ist traurig, wenn ein Mitglied ihres Stamms tot im Park gefunden wird, aber nicht einmal sonderlich überrascht...
Dennoch fand ich das Buch spannend und bewegend, und das Thema wurde in meinen Augen mit Mitgefühl und Respekt umgesetzt.
Die Kids benutzen "Straßennamen" wie 2Moro, Maggot oder Rainbow und sprechen nicht gerne über ihre Vergangenheit. Deswegen erfährt der Lesende echte Namen und Hintergrundgeschichten meist erst dann, wenn ein Kapitel des Buches mit einem kurzen Steckbrief eröffnet wird, der unvermeidlich mit einem sachlichen Eintrag über den Tod des Jugendlichen endet... Denn das kommt mehr als einmal vor.
Man könnte sagen, dass viele der Charaktere dadurch in gewisser Weise unnahbar bleiben, aber ich habe trotzdem mit den Kindern und Jugendlichen mitgefühlt, denn man spürt deren Leid immer zwischen den Zeilen. Die Erzählerin "Maybe" lernt man mit jeder Seite besser kennen, und man kann sich ihren Gefühlen kaum entziehen. Sie ist sehr glaubhaft und auch ihre Sprache erschien mir passend für ihr Alter und ihre Hintergrundgeschichte.
Am Schreibstil merkt man, dass sich das Buch an jugendliche Lesende richtet, denn der ist sehr einfach und klar strukturiert. Aber es ist meiner Meinung nach dennoch ein Buch, das auch für erwachsene Leser lohnend ist, denn es ist ein Thema, das es wert ist, einmal darüber nachzudenken.