Das Makroprojekt »Atlantropa«, 1928 entwickelt von dem Münchner Architekten Hermann Sörgel (1885-1952), zielte auf den Umbau der Mittelmeerregion und langfristig zweier Kontinente.
Mit einem Damm bei Gibraltar wollte man den Wasserzufluß vom Atlantik regulieren und das Mittelmeer anschließend bis zu 200 m tief absenken - nicht nur um Siedlungsland und Wasserkraft zu gewinnen; Europa sollte friedlich vereinigt werden. Die Planungen wurden später, mit kolonialistischen Gedanken angereichert, bis weit auf den afrikanischen Kontinent ausgedehnt. Unter den Mitarbeitern befanden sich einige der bedeutendsten Architekten der Epoche wie Peter Behrens, Erich Mendelsohn, Fritz Höger, Hans Poelzig, Cornelis van Eesteren und Hans Döllgast. Die beteiligten Planer nutzten das auftauchende Neuland als Experimentierfeld für exemplarische Stadtmodelle.
Die »paradigmatische Bau-Utopie aus der Blütezeit der klassischen Moderne« ist das wohl schillerndste Beispiel aus der Gattung der hier erstmals untersuchten Makroprojekte. Das Buch erschließt der Architektur- und Stadtplanungsgeschichte ein neues Feld, das wegen seiner Nähe zur science fiction bisher zu Unrecht nicht ernstgenommen wurde. Nachgezeichnet werden auch die literarischen Wirkungen Atlantropas und die geopolitische Konzeption des Projekts, die manchen Gedanken der Europäischen Union von heute vorweggenommen haben.
Mit einem Damm bei Gibraltar wollte man den Wasserzufluß vom Atlantik regulieren und das Mittelmeer anschließend bis zu 200 m tief absenken - nicht nur um Siedlungsland und Wasserkraft zu gewinnen; Europa sollte friedlich vereinigt werden. Die Planungen wurden später, mit kolonialistischen Gedanken angereichert, bis weit auf den afrikanischen Kontinent ausgedehnt. Unter den Mitarbeitern befanden sich einige der bedeutendsten Architekten der Epoche wie Peter Behrens, Erich Mendelsohn, Fritz Höger, Hans Poelzig, Cornelis van Eesteren und Hans Döllgast. Die beteiligten Planer nutzten das auftauchende Neuland als Experimentierfeld für exemplarische Stadtmodelle.
Die »paradigmatische Bau-Utopie aus der Blütezeit der klassischen Moderne« ist das wohl schillerndste Beispiel aus der Gattung der hier erstmals untersuchten Makroprojekte. Das Buch erschließt der Architektur- und Stadtplanungsgeschichte ein neues Feld, das wegen seiner Nähe zur science fiction bisher zu Unrecht nicht ernstgenommen wurde. Nachgezeichnet werden auch die literarischen Wirkungen Atlantropas und die geopolitische Konzeption des Projekts, die manchen Gedanken der Europäischen Union von heute vorweggenommen haben.
"Es ist das größte, ernsthaft verfolgte Planungsprojekt unseres Jahrhunderts und wahrscheinlich genau deswegen der Vergessenheit anheim gefallen. Denn Atlantropa, die völlige Neugestaltung des Mittelmeerraumes durch die Absenkung des Meeresspiegels um bis zu 200 Meter, hatte solche gigantischen Dimensionen, daß selbst viele der Beteiligten wohl nicht ernsthaft an eine Umsetzung geglaubt haben. Mit drei Dämmen wollten der Münchner "Weltbaumeister" Herman Sörgel und seine Mitstreiter das Gewässer in zwei Pools mit unerschiedlich hohen Pegeln umgestalten, um so gigantische neue Landmassen für nicht minder gigantische Neubauprojekte und Kornkammern zu gewinnen. An der Meerenge von Gibraltar, zwischen Italien und Tunesien und am Zugang zum Schwarzen Meer sollten kilometerlange Abschlüsse durch natürliche Absenkung der neuen Binnenmeere durch Verdunstung über 100 Jahre gewährleisten, um so über 570 000 Quadratkilometer Neuland zu gewinnen das entspricht der Landmasse von Frankreich und Belgien. Mit den Staudämmen wollte er gleichzeitig Energien in bisher unvorstellbaren Größenordnungen erzeugen. Millionenmetropolen und die höchsten Häuser der Welt zierten auf den unzähligen Entwürfen der beteiligten prominenten Architekten das neue Zentrum der Welt. Die maßstabslose Technikberauschung der damaligen Zeit hätte nach Sörgels Vorstellung in eine konkrete Menschheitsutopie verwandelt werden können, die Kriege um nationale Vorherrschaften aus dem aggressiven Geist der europäischen Völker verbannen sollte. Nichts weniger als die Vereinigung Europas hatte die titanische Arbeit zu leisten - allerdings ausgehend von einer weißen Herrenmenschen-Ideologie. Wolfgang Voigts spannende und faktenreiche Ausgrabungsarbeit zeigt Sörgels Traum in Text und Bild in seiner ganzen polit-phantastischen Widersprüchlichkeit. Atlantropa bildete in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts den bizarren link zwischen den kalten Gesellschaftsvisionen der Moderne, der gutmütigen Reformbewegung und dem faschistischen Größenwahn. Und entsprechend heterogen zeigte sich der Mitarbeiterkreis Sörgels: Der kerndeutsche Fritz Höger, der später Chefarchitekt der Nazis werden wollte, wirkte dort beispielsweise zusammen mit dem jüdischen Architekten Erich Mendelssohn. Gemeinsam war ihnen der Glaube an die Kraft und Berufung des Menschen zum Umgestalten der Welt in eine technisch fundierte neue Gesellschaft. Die konkrete Idee versiegte allerdings naturgemäß mit der von Hitler begonnenen Umgestaltung Europas, auch wenn Sörgel durchaus opportunistische Initiativen startete, um die Nazis für seinen Gigaplan zu gewinnen. Nach dem Krieg erlebte das Projekt noch eine kurze publizistische Renaissance, bevor ihm nach Sörgels Unfalltod 1952 langsam die Luft ausging. Ein höchst lesenswertes Buch über die Kraft, das Unmögliche und vielleicht und Unsinnige zu denken und zu planen."
(TILL BRIEGLEB Die Woche 27.11.98)
(TILL BRIEGLEB Die Woche 27.11.98)
