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Die berührende Geschichte zweier jüdischer Freunde im Paris unter der Naziherrschaft. Die Briefe, die Joseph Berg seinem Freund Henri Beck schreibt und die dieser niemals lesen wird, sollen ihn vor dem Vergessenwerden bewahren. Früher wohnten beide in derselben Straße, besuchten dieselbe Schule und hatten dieselben Hobbys. Bis Henri Beck nach den Sommerferien des Jahres 1942 nicht mehr zurückkehrte: Seine Familie wurde im Zuge der großen Juden-Razzia in Paris verhaftet und deportiert.

Produktbeschreibung
Die berührende Geschichte zweier jüdischer Freunde im Paris unter der Naziherrschaft.
Die Briefe, die Joseph Berg seinem Freund Henri Beck schreibt und die dieser niemals lesen wird, sollen ihn vor dem Vergessenwerden bewahren. Früher wohnten beide in derselben Straße, besuchten dieselbe Schule und hatten dieselben Hobbys. Bis Henri Beck nach den Sommerferien des Jahres 1942 nicht mehr zurückkehrte: Seine Familie wurde im Zuge der großen Juden-Razzia in Paris verhaftet und deportiert.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.04.2000

Verwirrte Schuhe
Robert Bober sammelt unvergessliche Erinnerungen

Während die Wiener Philharmoniker sich darauf vorbereiten, 55 Jahre nach der Befreiung im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen Beethovens "Neunte" zu spielen, und in Berlin das umstrittene Holocaust-Mahnmal noch immer nicht gebaut ist, erscheint in Frankreich ein schmales Buch, das uns mehr über die Erinnerung an die Shoah lehrt als alle Museen und Mahnmale zusammen. Es handelt von Kindern, die die Vernichtung überlebt haben und auf ihre Weise versuchen, mit der Last der Erinnerung fertig zu werden. Manche ihrer Geschichten sind so unglaublich, dass man sie einem anderen als Robert Bober kaum abnehmen würde.

Doch Robert Bober, 1931 in Berlin geboren und heute in Paris lebend, ist selbst einer, der davongekommen ist. Am Ende des Krieges war er vierzehn Jahre alt. Er weiß, wovon er redet und wie wichtig diese Geschichten sind, die Kinder wie Erwachsene über Krieg und Verfolgung hinweggerettet haben. Denn sie sind oftmals das Einzige, was die Überlebenden ihr Eigen nennen: das Einzige, was ihnen sagt, dass sie überhaupt existieren.

Schon in seinem ersten Buch, "Was gibt's Neues vom Krieg?", hatte er im Mikrokosmos einer Pariser Damenschneiderei Menschen versammelt, die sich an ihre Geschichten klammerten wie an ein Stück Treibholz auf offener See. Mit seinem neuen Roman nun, "Berg und Beck", entführt er uns wieder in eine solche geschlossene Welt. Diesmal sind es jene französischen Kinderheime, die nach dem Krieg jüdische Kinder aufnahmen, um sie auf ein Leben nach dem Überleben vorzubereiten. Joseph Berg, einer ihrer jugendlichen Betreuer, erzählt uns ihre Geschichten. Auch er ist ein Überlebender. Seine Familie ist, anders als die seines Schulfreundes Henri Beck, den deutschen Judenrazzien in Paris entkommen. Er erzählt, "um die Zeit wieder zu finden, als Henri Beck noch da war". Und er schreibt Briefe, Briefe an den toten Freund: "Beck hat nur noch einen Namen. Beck ist jetzt nur noch der, dem ich schreibe." Briefe sind Erinnerungen in schriftlicher Form. Sie halten die Toten lebendig.

Das wissen auch die Kinder, von denen uns Joseph Berg erzählt. Jedes bewahrt Gegenstände auf, die an Verlorenes erinnern: ein leeres Blatt Papier, das der ältere Bruder einmal geschickt hatte, eine Puppe, die eine Art Mutterersatz darstellt. Jedes tut auf seine Weise Dinge, die Unbewältigtes verarbeiten helfen: Laura malt Punkte auf ein Blatt Papier, die niemand zu deuten weiß, bis sich herausstellt, dass sie für Orte wie Bergen-Belsen, Ravensbrück oder Sobibor stehen. Nathan schichtet im Schaufenster seines Onkels Schuhe aufeinander, wie er es auf Bildern aus Auschwitz gesehen hat.

Es sind schwierige Kinder, die da im Waisenhaus von Ambésy zusammengefunden haben. Obwohl sie ausgelassen sein können wie andere Kinder, tragen sie ein Wissen mit sich herum, das umso schwerer wiegt, als sie es nicht in Worte fassen können. Sie haben nur Tränen, um sich auszudrücken, und jene befremdlichen, bisweilen destruktiven Verhaltensweisen, deren Bedeutung sich den Erwachsenen nur durch Zufall enthüllt. Man müsste viel von ihnen wissen, um sie zu verstehen; aber sie können nicht sagen, was sie wissen.

Robert Bober setzt ihnen mit seinem Buch ein kleines Denkmal. Wir erfahren nicht, was aus diesen Kindern geworden ist. Es gibt sie nur, weil einer über sie schreibt, leicht, fast beiläufig und mit jener Zärtlichkeit, wie wir sie schon aus Bobers erstem Buch kennen. Bober braucht keine Monumente aus Stein, keine Museen voller schrecklicher Bilder, um zu sagen, was Menschen angetan wurde. Ihm reichen die Worte, ihm genügen Geschichten, um die Erinnerung wach zu halten. In den Geschichten spiegelt sich ein Entsetzen, das unauslöschlich bleibt.

KLARA OBERMÜLLER

Robert Bober: "Berg und Beck". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Tobias Scheffel. Antje Kunstmann Verlag, München 2000. 182 S., geb., 32,- DM.

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