Diese Autobiographie des politischen Rebellen und rebellischen Verlegers KD Wolff ist nicht nur ein fesselnder Lebensbericht, sondern auch ein Streifzug durch die jüngere deutsche Geschichte. Als einer der Protagonisten der 68er Bewegung kämpfte KD Wolff gegen Autoritarismus und das Schweigen der Nachkriegszeit. Er mobilisierte gegen den Vietnamkrieg und gab dem Komitee für un-amerikanische Umtriebe des US-Senats provokative Antworten, worauf ihm jahrzehntelang die Einreise in die USA verboten wurde. In diesen wilden Jahren auf besonderen Wegen und oft abseits der Gesetze liefen 38 Strafverfahren gegen ihn. Zu Zeiten der RAF geriet er als undogmatischer Linker auch in den Fokus des Staatsschutzes. Als er 1970 den Verlag Roter Stern ins Leben rief (nach der ersten Pleite unter dem Namen Stroemfeld/Roter Stern neu gegründet), setzte er seinen Kampf in anderer Form fort. Mit dem Wagnis einer neuen Gesamtausgabe der Schriften Hölderlins geriet er zwischen die Fronten einer zersplitterten Linken und der etablierten Germanistik. Dass die Ausgabe später international Schule machen sollte, war erst nicht abzusehen, ebenso wenig wie der Erfolg der "Männerphantasien" Klaus Theweleits und der Bücher Peter Kurzecks, den KD Wol¿ entdeckt und gefördert hat. Seit 1995 steht neben Hölderlin und weiteren historisch-kritischen Editionen auch die Historisch-Kritische Frankfurter Kafka-Ausgabe für die stilbildende Editionspraxis des Verlages, der 2018 aufgrund chronischen Geldmangels schließen musste.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Mitgerissen wühlt Rezensent Helmut Böttiger in der zeitgeschichtlichen Fundgrube, die ihm die Autobiographie des 82-jährigen, rebellischen Verlegers bietet. In zahlreichen, sehr kurzen und zeitlich springenden Kapiteln erfährt er, dass Wolff 1968 Bundesvorsitzender der SDS war, bevor er 1970 den linksradikalen Verlag "Roter Stern" gründete. Böttiger sieht die Vielfalt des dort gepflegten Verlagsprogramms, das neben zu erwartenden, politischen Schriften auch an einer historisch-kritischen Ausgabe der Werke Hölderlins arbeitete, als einen Spiegel des Verlegers. Diese unkonventionellen Mischformen erstrecken sich sogar auf die Textzusammensetzung, da es sich um mündliche Mitschriften handelt, die unter der Mitarbeit des ursprünglich im Finanzwesen tätigen Journalisten Dietegen Müller zu Papier gebracht wurden. Die so entstandenen "Zeitstimmungen" findet Böttiger atmosphärisch dicht und pointiert formuliert. Sie bilden das überzeugende Porträt eines antiautoritären Traumwandlers, logisch, dass sich Wolff da selbstironisch als "Hans im Glück" bezeichnet, schmunzelt der Kritiker.
© Perlentaucher Medien GmbH
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