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Ted Hughes's "Birthday Letters" are addressed, with just two exceptions, to Sylvia Plath, the American poet to whom he was married. They were written over a period of more than twenty-five years, the first a few years after her suicide in 1963. Intimate and candid in manner, they are largely concerned with the psychological drama that led both to the writing of her greatest poems and to her death. Countless books have discussed the subject from a neccescary distance, but this is the first time that Ted Hughes has given his personal account.

Produktbeschreibung
Ted Hughes's "Birthday Letters" are addressed, with just two exceptions, to Sylvia Plath, the American poet to whom he was married. They were written over a period of more than twenty-five years, the first a few years after her suicide in 1963. Intimate and candid in manner, they are largely concerned with the psychological drama that led both to the writing of her greatest poems and to her death. Countless books have discussed the subject from a neccescary distance, but this is the first time that Ted Hughes has given his personal account.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.05.2000

An einem Tag, der dunkler als andere war
Das Treibhaus der Begabungen ist auch das Tollhaus des Seelenfriedens: Das gemeinsame Leben von Sylvia Plath und Ted Hughes

Die Hochzeit von Sylvia Plath und Ted Hughes fand am Bloomsday 1956 in der Kirche des Heiligen Georg statt, dem Londoner Andachtsort der Schornsteinfeger. Sie war ein Glückstag für die Literatur, aber vielleicht ein schwarzer Tag im Leben beider Dichter. Mit diesem Tag begann eine Doppelexistenz, die ein Treibhaus für ihre Begabungen, aber ein Tollhaus für ihren Seelenfrieden war. Sie trennten sich nach sechs Jahren. Sieben Monate später beging Plath Selbstmord, wie bekannt, mit ihren zwei schlummernden Kindern im Schlafzimmer darüber. "An einem Tag, der dunkler als andere war, schien es ihr vorübergehend unmöglich, weiterzumachen", kommentiert die Mutter in ihrer mit Kürzungen versehenen Ausgabe der Briefe, die Sylvia Plath jahrelang nach Haus geschrieben hatte. Ihnen behielt die Autorin die positive Version ihres Lebens vor, die erfolgreiche liebende Tochter, die glückliche Mutter und Gattin. Durch die Veröffentlichung ihrer gemeinsamen Korrespondenz schuf Aurelia Plath ein Gegengewicht zu Plaths autobiographischem Roman "Die Glasglocke", der auch eine Abrechnung mit dem Ehrgeiz der Mutter darstellt, für den die Tochter ein allzu williges Instrument war.

Sylvia Plaths Tagebücher, die 1982, allerdings unvollständig und im Einzelnen zensiert, zum ersten Mal erschienen, sind nun, ohne Auslassungen und um zwei weitere Journale aus der gemeinsamen Zeit mit Ted Hughes erweitert, neu herausgegeben worden. Plaths allerletztes Notizbuch wurde von ihrem Mann zum Schutz der Kinder vernichtet, das vorletzte gilt als verschollen. Die Kürzungen, die Ted Hughes in seiner Ausgabe unternommen hatte, sollten offenbar der Lesbarkeit dienen. Sie umfassen Notizen zu literarischen Plänen, Bemerkungen über alltägliche Dinge wie Einkaufen und Abendessen, oft sehr lyrische Beschreibungen von Orten und Dingen, aber auch scharfe Bemerkungen über lebende Personen. Aurelia Plath hatte im Großen und Ganzen dem Abdruck der sie betreffenden, äußerst harschen Passagen zugestimmt, die Sylvia im Zusammenhang mit ihrer Bostoner Psychoanalyse ins Tagebuch schrieb. Fast rührend sind die Schnitte, auf die ihre Mutter dennoch nicht verzichten wollte. "Besser als eine Schockbehandlung", heißt es am 12. Dezember 1958: "Ich gebe Ihnen die Erlaubnis, Ihre Mutter zu hassen. Ich hasse sie, Doktor. Also fühle ich mich großartig." Aurelia Plath eliminierte nur den Satz: "Ich hasse sie, Doktor." Auch rundheraus gemeine Wendungen wie "Dann bin ich sie vom Hals los" oder: "Sie ist tödlich wie eine Cobra" wurden gestrichen.

Die Verlagseditorin der ersten Tagebuchausgabe erwähnt in ihrem Vorwort Kürzungen in Hinblick auf Sylvia Plaths erotische Seite, die, wie es heißt, "recht stark war". Über Sylvias Hinweis auf einen langen, befriedigenden Nachmittag im Bett mit ihrem Ehemann hinaus, der eher von Hughes erotischer Seite zeugt, wird der Leser der vollständigen Tagebücher wenig finden, was diese dunkle Bemerkung erhärtet. Äußerungen, die Plaths sexuelles Selbstbewusstsein beleuchten, waren auch schon in der ersten Tagebuchausgabe zu finden: "Ich fühlte mich nie schuldig, weil ich mit jemandem ins Bett gegangen bin, weil ich meine Jungfräulichkeit verloren habe und in den Ambulanzraum mußte, als soviel Blut floß", schreibt die in prüden Zeiten Erzogene am 13. Dezember 1958. Der Abdruck dieser Zeilen war problematisch genug. Sylvias damals beste Freundin, Nancy Hunter Steiner, erörtert in ihren 1973 publizierten Erinnerungen an Plath den Vorfall ausführlich. Ihr hatte die Autorin noch erzählt, sie sei bei der bewussten Gelegenheit vergewaltigt worden.

Auch Zeilen, die von Sylvias andauernder Faszination durch den Selbstmord handeln, ließ Hughes, der sich vom Vorwurf der Mitschuld am Tod seiner Frau befreien wollte, wohlweislich stehen. Zu diesem Komplex gehören Anzeichen für einen ungewöhnlich heftigen aggressiven Kern in Plaths Persönlichkeit, der sich nicht nur in ihrer übertriebenen Eifersucht und ihrem ausschließlichen Besitzanspruch auf ihren Gatten zeigte. Das illustriert eine Episode, der Hughes später das Gedicht "Child's Park" widmen sollte. Das Ehepaar unternahm Frühlingsspaziergänge auf dem Bostoner Gemeindeanger, einer Parkanlage mit Rosengarten, in dem Sylvia für ihren Schreibtisch regelmäßig eine Blüte pflückte. In "The Bird" kommentiert Hughes diese Ausflüge sarkastisch: "Erinnere dich / An die Kreise auf dem Boston Common / im beschädigten Knastvogelgang, den wir perfektionierten, / Mit von den Knien ausschwingenden Füßen." Auf einem dieser Rosenraubgänge beobachteten sie eine Mädchengruppe, die einen Rhododendronbusch erbarmungslos rupfte. In Hughes' Gedicht werden aus dem Rhododendron Azaleen. Und während es in Sylvias Beschreibung Ted ist, der die Mädchen rügt, spricht "Child's Park" von Sylvias mörderischem Starren, das den ganzen Paradiesgarten radioaktivierte. Als furienhaft porträtiert sich die Autorin selbst: "Ich hatte den seltsamen Wunsch, ihr den Regenmantel vom Leib zu krallen, ihr ins Gesicht zu schlagen, das Schulemblem auf ihrem Pullover zu lesen und sie ins Gefängnis zu schicken", schreibt sie über ihre Begegnung mit der Wortführerin unter den Mädchen. Plath äußert selbst Verwunderung über ihre Doppelmoral und setzt hinzu: "Ich habe eine Gewalt in mir, die heiß wie Todesblut ist. Ich könnte mich selbst umbringen oder - das weiß ich jetzt - sogar einen anderen." Sie gesteht ihr "blutiges Verlangen", sich auf die unbotmäßige Fremde "zu werfen und sie zu blutig geschlagenen Stücken zu reißen".

Nicht erst in der jetzt vorliegenden Form zeugen die Tagebücher von dem zwischen Panik, Euphorie und Depression schwankenden Zustand, in dem die gebürtige Amerikanerin nicht nur ihre Jugend, sondern auch noch die Ehejahre verbrachte. Ihre täglichen Einträge fließen zu einem einzigen atemlosen Privatkatechismus zusammen, in dem hektische Gewissensbefragung mit selbst erteilten Befehlen wechselt und eigener Lobpreis die tiefe Enttäuschung über nicht erreichte Ziele ablöst. Plaths Tagebücher exponieren eine entfesselte Erziehungsmaschine, den inneren Monolog einer erbarmungslosen Konditionierung. "Jagd nach dem Liebesgott" nannte die Autorin ihre Betriebsamkeit für gute Noten, Stipendien und Preise. Zum akademischen und literarischen Siegeswillen kam das Verlangen nach einer gelungenen weiblichen Biographie. Die Suche nach einem Ehemann, der Wunsch nach Kindern und einem geordneten Haushalt laufen als zweite Stimme neben dem literarischen Erfolgsfieber her und verraten mehr als alles andere die Konkurrenzsituation von Mutter und Tochter.

Sylvia Plath wurde bald nach ihrem Tod zu einer Leitfigur des Feminismus. Ihr psychisches Leiden unter den widersprüchlichen Anforderungen, die eine emanzipierte Gegenwart an sie stellte, der heroische Versuch, nicht nur ihrer Rolle als Frau, sondern auch ihrer Begabung gerecht zu werden, und ihr tragisches Ende, das Plaths letzte und bedeutendste Gedichtsammlung, "Ariel", zu einem Märtyrertod stilisiert: all das zog starke Sympathien und Identifikationsversuche auf sich. Nicht nur die Mutter, sondern auch Ted Hughes dienten als Zielscheibe für frei flottierende Aggressionen. Unbekannte vandalisierten mehrfach Plaths Grabstein und zerkratzten den Namen ihres Ehemanns, den sie nach der Trauung angenommen hatte.

Ted Hughes veröffentlichte viel, doch er schwieg über die erste Ehe. Erst kurz vor seinem Tod überraschte der an Krebs erkrankte Lyriker 1998 die Öffentlichkeit durch einen Gedichtband, der seinen Jahren mit Plath gewidmet war. Die "Birthday Letters" berichten in freien Versen und starken poetischen Bildern von Krisen, Glücksmomenten und Augenblicken prophetischer Klarheit, von Peripetien des Zusammenlebens, die das sich vorbereitende Übel wie Röntgenaufnahmen sichtbar machen. So viel bebende Präsenz und zukunftsgetränkte Gegenwart sie auch enthalten mögen, eines machen Hughes' Geburtstagsbriefe unmöglich: den Selbstmord seiner Frau als zufälliges Ergebnis eines Tages anzusehen, der etwas dunkler war als alle anderen.

Hughes' Gedichte umkreisen biographische Schlüsselmomente und legen darin Plaths seelische Labilität als destruktive Strömung frei, die ihre Ehe von Anfang an bedrohte. Nicht nur Sylvias Mutter, auch andere Frauen, die auf Plaths Entwicklung Einfluss hatten, werden von Hughes' mythischer Rede neu beleuchtet. Dazu zählt besonders die Psychoanalytikerin Ruth Beuscher, die Plath erlaubte, ihre Mutter zu hassen: "Du warst nie", schreibt Hughes, "Mehr als einen Schritt vom Paradies entfernt, / Du hattest ungehinderten Zugang, wie deine Analytikerin versicherte, / Zum Herzen deines Infernos." Zu den Macbethschen Hexen, die Ted Hughes des Nachts am Bett seiner Frau nicken sieht, gehören auch eine finanzielle Gönnerin und eine Collegedozentin, die Plath nach ihrem Bilde formen wollten: "Als du flogst / Blockierten sie all deine Wellenlängen / Mit ihren wirren Instruktionen."

Aber im Zentrum der poetischen Bestandsaufnahme steht Otto Plath, Sylvias Vater, der an nicht analysiertem Diabetes elend zugrunde ging, als sie acht Jahre alt war. Mit ihm maß sich jeder Mann in ihrem Leben vergebens. Bei Hughes verschmilzt er mit der Figur des gierigen Todes: einem vielgestaltigen Minotaurus, der durch die Geburtstagsbriefe geistert wie durch ein Labyrinth, in dem das frische Fleisch der Opfer duftet. Gegen die Macht des Vaters übt Hughes sich in mütterlichen Künsten. Die Geburtstagsbriefe sind Bravourstücke der Mäeutik. Sie bringen nicht nur die fatale Logik ans Licht, mit der Plath sich Schritt für Schritt ihren Dämonen anheim gab, sondern auch die unter dem Selbstmord begrabene Frau, die den Konsequenzen ihrer Besessenheit nur allzu gern entkommen wäre. Hughes rekonstruiert Weggabelungen, an denen eine friedlichere Aussicht aufscheint, die das Dichterpaar verpasste. So wird er nach der Rückkehr aus den Vereinigten Staaten in den Tälern des heimatlichen Yorkshire von einer plötzlichen Eingebung der idealen Wohnstatt für seine Familie überfallen: "Meine Gewißheit des Ortes war visionär", doch: "Deine Augen waren woanders."

In "Epiphany" denkt der Autor über eine Zufallsbegegnung auf der Straße nach. Ein Fremder bietet ihm einen Fuchswelpen zum Kauf an; Hughes schwankt und lehnt ab: "Dann ging ich weiter / Wie aus meinem eigenen Leben hinaus." Er traute seiner jungen Familie die Herausforderung durch das Wilde nicht zu und erkennt, dass sie gerade deshalb scheitern musste. Ein abenteuerlicher Bootsunfall hingegen mit anschließender Rettung wird zum Beispiel für ein weniger ängstliches Zusammenleben, "das uns zu einem Tier, einer Seele verbunden hätte". Die gesuchte und bestandene Gefahr erweist sich als Segen: "Sechs oder sieben Fuß vom Land, zogen wir tellergroße Flundern herauf / Bis uns die Köder fehlten."

Der Überfluss ist Zeichen der poetischen Existenz. 1961 zog das Paar nicht nach Yorkshire, sondern nach Court Green in Devon aufs Land. Im Garten ihres Fachwerkhauses wuchs im Frühling eine Flut von Osterglocken - seit Wordsworth die Dichterblume per se. Die Dorfbewohner waren von der verschwenderischen Blütenpracht magnetisch angezogen. In der erweiterten Ausgabe der Tagebücher lässt sich der wachsende Unmut verfolgen, mit dem Plath ihre Schätze an Bittsteller verteilte. Hughes' "Dafodiles" berichten, wie der Krämer das eben eingezogene Paar überredet, die Blumen in seinem Geschäft für sieben Pence das Dutzend zu verkaufen: "Wir hatten noch nicht gelernt / Was für eine flüchtige Erscheinung des Immerwährenden / Osterglocken sind." Die Schere geht beim Schneiden der Blüten verloren: ein "rostiges Kreuz" unter der Frühlingsblüte. Denn die Osterglocken "kehren zurück, um zu vergessen, daß du dort gehockt hast / Hinter den Regenvorhängen eines dunklen Aprils. / Ihre Stengel schneidend."

Die Tagebücher verraten, wie besessen Plath vom Erfolg war. Hughes' Gedicht konstruiert unterschwellig einen Zusammenhang zwischen dem Verkauf der Osterglocken und der fieberhaften Energie, mit der seine Frau ihr Talent zu Markte trug. "Birthday Letters" handeln auch von der seltsamen Ökonomie, in die Sylvia Plath ihr Schreiben zwängte, das unablässig konkurrieren musste und Satz für Satz auf eventuelles Preisgeld hin konzipiert war. Der tägliche Briefträger, der Zusagen und Ablehnungen brachte, war eine mythische Gestalt in ihrem Denken.

Hughes glaubte an die Begabung seiner Frau und drängte sie, ihren inneren Stimmen - "dem wahren Selbst", wie er es nannte - , freien Lauf zu lassen. Das implizierte den Mut, sich tiefen Emotionen und Ängsten zu stellen und die - von Plath seit langem gepflegte - Manier des konfessionellen Schreibens wirklich zu einem Instrument der Selbstanalyse zu machen. Hughes setzt sich in den Geburtstagsbriefen mit der Möglichkeit auseinander, dass er gleichzeitig mit Plaths dichterischem Reifeprozess auch die suizidale Intensität ihres nicht nur lyrischen Ichs steigerte und vorantrieb. "The Table" erzählt davon, wie er seiner Frau eine Schreibtischplatte zimmerte, auf der sie dann die auf den Vater konzentrierten "Ariel"-Gedichte schrieb. Mit den Worten, die sich ihr auftun, hebt sich der Tisch wie ein Sargdeckel und Otto Plath beginnt nach der Tochter zu greifen. Im Übereifer der Hilfsbereitschaft hat Hughes der Dichterin Zugang zu ihrer finstersten Muse verschafft: "Ich fand deinen Vater für dich und dann / Überließ ich dich ihm."

"Birthday Letters" adressieren die Tote auf unterschiedlichen Wegen. Hughes spricht die strahlende Mutter an, die auf einem Foto im Grünen für immer aufgehoben ist, und er setzt sich mit der Autorin auseinander, mit ihren Tagebüchern, ihrer Prosa und ihren Gedichten, deren Titel er variiert und zum Teil wörtlich übernimmt, um seine eigene Sicht der Dinge darzulegen. Auch alltägliche Objekte werden der durch den Tod entzauberten Eheidylle entrückt und dramaturgisch neu in die Pflicht genommen. In einer Küchenmatte, die Sylvia aus langen Stoffstreifen knüpfte, erkennt Hughes die Schlange, die sich im Paradies der Liebe eingenistet hat: "Der Flickenteppich / Der sich in deinem Schoß geborgen hatte / Glitt zu Boden. Dort lag er, zusammengerollt / Zwischen uns." Auch die gemalten Herzen, mit denen die junge Mutter treppauf, treppab das Haus dekorierte, verlieren nachträglich ihre Unschuld. Hughes interpretiert sie als bannende Totemsymbole: "die Spur deiner Panik. / Spritzer einer Wunde". Plaths gewaltsamer Tod verwandelt den Haushalt rückblickend in die Szene eines Verbrechens.

Nicht zuletzt Erica Wagners jüngst erschienener Studie "Ariel's Gift" ist ein umfassender Zugang zur Hermeneutik der Geburtstagsbriefe zu verdanken. Mit großem Fingerspitzengefühl aktiviert sie den biographischen Kontext, in dem die Gedichte stehen, weist auf Korrespondenzen in Plaths Werken und Tagebüchern hin, die dem Zwiegespräch der "Birthday Letters" erst seine ganze Klarheit geben, und entfaltet implizite Allegorien und Mythen. Folgt man ihrer Deutung, so ist es Ted Hughes nie gelungen, aus dem Grab seiner ersten Frau herauszuklettern. Es sei denn, man läse die Geburtstagsbriefe als doppelte Auferstehung. Ted Hughes hat fünfunddreißig Jahre gewartet, bis er die kalte, jenseitige Seherstimme, die Sylvia Plath in "Ariel" anschlug, auf seine Art parierte. Janet Malcolm spricht in ihrem biographischen "New Yorker"-Essay, "The Silent Woman", von der Wut und Qual derer, die von Plath ohne ein Wort der Erklärung in einem "See aus Feuer" zurückgelassen wurden. Vielleicht brauchte es fünfunddreißig Jahre, bis auf der versengten Erde neue Bilder wachsen konnten.

Die späte Ernte, die Ted Hughes einfährt, ist die üppige Frucht vulkanischer Asche. "Birthday Letters" hält dem poetischen Terrorismus unbewegt stand, mit dem Plath ihren Nächsten die gemeinsame Welt in einem wahnwitzigen Metaphernsturm vollständig transfiguriert entgegenschleuderte. Wie sie hat er keinen Stein auf dem anderen gelassen, sondern mit der Unbekümmertheit des Todgeweihten alles, was einmal substanzieller Gegenstand und konkretes biographisches Faktum schien, in nackten Sinn und frisch geborene Lettern verwandelt. Noch Ted Hughes' allerletzte Veröffentlichung kommuniziert mit Plath. Wie "Birthday Letters" ist sie zugleich eine Annäherung und eine Distanzierung vom klebrigen Zusammenhang der Biographie, wenn auch in einem ganz anderen Genre.

Als Schlussstein seines Werkes legte er eine brillante Übersetzung von Euripides' "Alcestis" vor, dem Drama einer Ehefrau, die sich an ihres Mannes statt dem Gott des Todes opfert. Hughes fasst die Scheinheiligkeit aller Beteiligten, das Oszillieren zwischen kleinlicher Lebensgier und archaischer Racheenergie in eine packend-aktuelle Rede. Weder König Admetos, der dem Tod als aalglatter Rhetoriker entkommt, noch Alcestis, die zu modern denkt - an die Zeit, wenn eine andere sie ersetzen wird -, um mit ihrem Märtyrertod zu verschmelzen, bleiben von einem vernichtenden Urteil verschont. Admetos wird von seinem Vater, der sich für den Sohn nicht opfern wollte, ein Monster genannt, Alcestis bezeichnet er ihres tragischen Impulses wegen nur als "stupid": dumm.

Dem Leser schwindelt bei diesem Vermächtnistext, in dessen letzter Szene Herkules die Tote wieder aus dem Hades heraufführt. In Hughes' Leben qualifizierten sich zwei Frauen für die Alcestis-Rolle. Die Krise, die zu Plaths Selbstmord führte, wurde durch ein Verhältnis ihres Mannes mit Assia Wevill ausgelöst. Auch Wevill brachte sich um und wählte Sylvia Plaths Methode. Sie nahm das ihr und Hughes gemeinsame Kind mit in den Tod. "Mir kommen diese beiden Ereignisse", schreibt Hughes 1984 in einem Brief, "wie gigantische Stahltüren vor, die große Teile von mir verschließen." Man kann nicht umhin, diesen Satz auch als Echo des Orest zu hören, der das Ende seiner Verfluchung in Goethes "Iphigenie auf Tauris" mit den Worten begrüßt: "Die Eumeniden ziehn, ich höre sie / Zum Tartarus und schlagen hinter sich / Die ehrnen Tore fernabdonnernd zu."

Halb Furie und halb Eurydike, das ist keine schlechte Beschreibung für Sylvia Plath. Der "Spectator"-Kritiker Philip Hensher nannte sie "halb Miss America und halb Klytemnästra, und keine von den beiden würde man sich zum Abendessen wünschen". In den "Birthday Letters" hat Ted Hughes den steinernen Gast in schillernd-unberechenbarer, weiblicher Gestalt mit orphischem Charme und herakleischem Mut an seine Tafel geladen, um ihn aufs Neue zu befragen. So scheint die gemeinsame Existenz von Plath und Hughes nichts als ein alles überschattendes Rätsel gewesen zu sein, das ihnen aufgegeben wurde und über dessen Lösung sie sich für den Rest ihres Lebens den Kopf zerbrachen.

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