Mit „Bis die Sonne scheint“ entfaltet sich ein ebenso feinfühliges wie eindringliches Porträt einer Familie, die auf großem Fuße und einst in gesicherten Verhältnissen lebte, doch nach dem Scheitern der unternehmerischen Bestrebungen des Vaters in eine finanzielle Abwärtsspirale gerät. Im
Mittelpunkt steht der junge Daniel, dessen Lebensrealität von zunehmenden Entbehrungen geprägt ist, während…mehrMit „Bis die Sonne scheint“ entfaltet sich ein ebenso feinfühliges wie eindringliches Porträt einer Familie, die auf großem Fuße und einst in gesicherten Verhältnissen lebte, doch nach dem Scheitern der unternehmerischen Bestrebungen des Vaters in eine finanzielle Abwärtsspirale gerät. Im Mittelpunkt steht der junge Daniel, dessen Lebensrealität von zunehmenden Entbehrungen geprägt ist, während die Familie verzweifelt versucht, nach außen hin den Schein eines intakten Daseins zu wahren.
Der Roman überzeugt nicht allein durch die detailreiche Schilderung des gegenwärtigen Schicksals der Familie, sondern auch durch die kunstvolle Verflechtung mit der Vergangenheit der Eltern und Großeltern, die von den Entbehrungen und Traumata des Zweiten Weltkriegs gezeichnet ist. Auf diese Weise gelingt es dem Autor meisterhaft, die subtilen Mechanismen familiärer Prägung sichtbar zu machen und aufzuzeigen, wie Vergangenes nachwirkt und künftige Generationen formt.
Mit großer psychologischer Tiefe und nuancierter Beobachtungsgabe fängt der Autor die inneren Kämpfe und unerfüllten Sehnsüchte der einzelnen Familienmitglieder ein. Er zeigt auf, wie Vernunftbegabung abhanden kommt, wenn der Pleitegeier über dem eigenen Dach fliegt und wie das Ignorieren der realen finanziellen Schieflage hilft, den historisch geprägten, über Eigentum und Wohlstand definierten Selbstwert zu erhalten. Daher ist der Titel entscheidend gut gewählt, wenn die Familie der Zwangsversteigerung entfliehend in den Süden fährt, „bis die Sonne scheint“. Die stetig wachsenden finanziellen Nöte werden von einer unerschütterlichen Fassade begleitet, hinter der sich nicht nur eine Täuschung des sozialen Umfelds verbirgt, sondern auch eine Selbstillusionierung der Familie, sogar gegenüber den beiden Großmüttern. Insbesondere die Perspektive des Protagonisten Daniel, dessen Blick zwischen kindlicher Hoffnung und der ernüchternden Realität changiert, verleiht dem Roman eine besondere Intensität.
Der Roman kommt ohne spektakuläre Wendungen aus, entfaltet seine Wirkung jedoch durch die feinsinnige Charakterzeichnung und die überzeugende Zeitkolorit der 1980er Jahre. Diese atmosphärische Darstellung der geschilderten Epoche geht unter die Haut ob ihrer Authentizität und lässt beim Lesen mental und emotional durch und in die Zeit reisen. Besonders berührend ist das Nachwort des Autors, in dem er offenbart, dass große Teile der Handlung autobiografische Züge tragen – eine Erkenntnis, die dem Werk im Nachhinein eine noch tiefere Authentizität verleiht.
„Bis die Sonne scheint“ ist eine eindrucksvolle Reflexion über familiären Zusammenhalt, soziale Konventionen und den Versuch, unter widrigen Umständen die eigene Würde zu bewahren. Eine unbedingte Leseempfehlung für all jene, die literarische Familiengeschichten mit psychologischer Raffinesse und historischem Tiefgang zu schätzen wissen.