Protagonist der Gedichtsammlung ist der Bockstenmannen, der 1936, fünfhundert Jahre nach seinem Tod, in einem schwedischen Torfmoor gefunden wurde. Drei Pfähle in seiner Brust deuten auf eine rituelle Tötung hin. Mit dieser Gestalt nimmt Pusterla eine verdrängte und vergrabene Vergangenheit auf, eine Gestalt, welcher der Autor seine Stimme leiht, um sich auf unsicherem Boden der Dunkelheit auszusetzen. Ort des Dialogs mit dem Toten ist ein Sumpfgebiet in der Nähe des Meeres, dort, wo sich die Grenzen zwischen Wasser und Land auflösen, ein unwegsames Gelände, in welchem sich die Natur dunkel und verwüstet präsentiert. Stilistisch übersetzt sich dies in eine syntaktische Fragmentierung, in eine Auflösung des Duktus durch häufige Pausen, Interpunktionen, Einschübe, Zeichen der Unbegreifbarkeit der Existenz. Eine radikale, schonungslose, menschliche Poesie.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Maike Albath hat alte und neue Gedichte von Fabio Pusterla gelesen und zeigt sich sehr angetan. Die Rezensentin erkennt schon im Titelwort von Pusterlas 1985 im italienischen Original erschienenen und jetzt in deutscher Übersetzung vorliegender Gedichtsammlung "Bocksten" das ganze Fantasiepotential, das sich in der Sprache des Tessiner Lyrikers verbirgt. Einerseits spielt "Bocksten" auf eine in Schweden gefundene Moorleiche an, andererseits entfaltet das Wort auch seine ganze lautmalerische Widerborstigkeit, findet die Rezensentin. Als thematische Zug erkennt Albath das sich dem Zeitlichen Entziehende und die Verschmelzung von Leben und Tod. Neben den Traditionslinien, die einem in Pusterlas Gedichten entgegentreten - Albath nennt Giorgio Orelli, Vittorio Sereni und Eugenio Montales als lyrische Verwandte - ist es vor allem die ganz eigene Stimmfarbe, die die Rezensentin in den Bann schlägt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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