Botanik des Wahnsinns erzählt von Generationen: vom Leben der Eltern, Großeltern und Urgroßeltern des Erzählers und von ihm selbst. Es ist eine Familiengeschichte, durchzogen von psychischen Erkrankungen, Einsamkeit, Armut, Depression, Alkoholsucht und Klinikaufenthalten. Eine Chronik des Leids, der
Brüche und der Sehnsucht nach Verstehen.
Der Erzähler selbst, umgeben von psychischer Fragilität…mehrBotanik des Wahnsinns erzählt von Generationen: vom Leben der Eltern, Großeltern und Urgroßeltern des Erzählers und von ihm selbst. Es ist eine Familiengeschichte, durchzogen von psychischen Erkrankungen, Einsamkeit, Armut, Depression, Alkoholsucht und Klinikaufenthalten. Eine Chronik des Leids, der Brüche und der Sehnsucht nach Verstehen.
Der Erzähler selbst, umgeben von psychischer Fragilität in seiner Familie, flüchtet nach New York, Paris und Wien. Doch auch dort begegnet er dem „gleichen Menschenschlag“. Die Angst, selbst dem Wahnsinn zu verfallen, bleibt sein ständiger Begleiter.
Was wie ein autobiografischer Roman anmutet, ist zugleich ein vielschichtiger Text über die Geschichte der Psychiatrie und die Auseinandersetzung mit der eigenen Herkunft. Der Autor verwebt Erinnerungen und Reflexionen mit Erzählungen aus seinem Arbeitsalltag als Psychologe in einer psychiatrischen Einrichtung. Dabei gelingt es ihm meisterhaft, eine beklemmende Atmosphäre zu erzeugen und die existenzielle Schwere des Lebens seiner Vorfahren in eindrucksvolle innere Bilder zu übersetzen.
Besonders gefallen hat mir die Figur der leitenden Psychologin in der Psychiatrie, in der der Erzähler arbeitet, die durch ihre Unvoreingenommenheit und Menschlichkeit auffällt. Ihre Haltung und ihre Empfehlungen im Umgang mit Patient:innen lassen sich auch auf den eigenen Blick auf andere Menschen übertragen.
Dem Autor geht es um Verständnis und das Finden der eigenen Geschichte. Sehr aufschlussreich sind die Szenen in der Psychiatrie. Er beobachtet genau, sucht nach Erklärungen für sich und für die anderen, will verstehen. Man merkt deutlich die innere Zerrissenheit zwischen seiner Arbeit als professioneller Psychologe und als Laie, der verstehen will.
Immer wieder wechseln sich Episoden aus dem Leben seiner Familie, Szenen aus dem psychiatrischen Klinikalltag und psychologische Reflexionen ab. Dabei gelingt dem Autor das Kunststück, nicht zu urteilen, sondern zu fragen: offen, suchend, tastend. Die Grenze zwischen Fiktion und Biografie bleibt bewusst unscharf. Vielleicht ist es beides.
Der Text ist durchzogen von Zitaten bekannter Autor:innen den Text (Ingeborg Bachmann, Robert Musil, Sylvia Plath, Michel Foucault, Christine Lavant, Alfred Döblin, Siri Hustvedt). Eine gute Empfehlung für eine vertiefende Lektüre für diejenigen, die sich für Literatur interessieren.
Das Buch regt zum Nachdenken an – über das eigene Leben, über familiäre Prägung, über den Umgang mit psychischer Krankheit. Ein Werk, das man mehrfach lesen kann und sollte. Und eines, das auch ohne eigenen direkten Bezug zu Psychologie und Psychiatrie eine große Wirkung entfalten kann. Ich würde es sogar als Schullektüre in der Oberstufe empfehlen.