Ein kreativer Erneuerer der Sozialwissenschaften
Der französische Philosoph und Sozialwissenschaftler Bruno Latour zählt zu den weltweit am häufigsten zitierten Buchautoren in den Sozial- und Geisteswissenschaften. Grund genug, sich mit ihm auseinander zu setzen. Autor Henning Schmidgen,
Professor für Medienästhetik an der Uni Regensburg, entwickelt in diesem Buch ein Portrait dieses…mehrEin kreativer Erneuerer der Sozialwissenschaften
Der französische Philosoph und Sozialwissenschaftler Bruno Latour zählt zu den weltweit am häufigsten zitierten Buchautoren in den Sozial- und Geisteswissenschaften. Grund genug, sich mit ihm auseinander zu setzen. Autor Henning Schmidgen, Professor für Medienästhetik an der Uni Regensburg, entwickelt in diesem Buch ein Portrait dieses vielseitigen Wissenschaftlers. Dabei liegt der Fokus auf dessen Werken, Entwicklung und Beziehungsgeflecht und nicht auf der Person.
Die Zeittafel auf den letzten Seiten des Buches gibt Aufschluss über wichtige Stationen und Theorien von Bruno Latour, auf die Schmidgen im Rahmen seiner Ausführungen eingeht. Hierzu zählen u.a. seine Doktorarbeit über „Exegese und Ontologie in Bezug auf die Wiederauferstehung“, seine Forschungen am Salk Institute for Biological Studies in La Jolla (Kalifornien) und seine Arbeiten über Pasteur und die französische Medizin, um nur Beispiele zu nennen. Schmidgen beschäftigt sich insbesondere mit Werken Latours, die bis dato nicht in deutscher Übersetzung vorliegen.
Schmidgen geht es in dem Buch um den „empirischen Philosophen“ Latour. Primär dreht sich alles um die Frage: „Wie verhalten sich Wissen, Zeit, und Gesellschaft zueinander?“ (13) Latour kritisiert den Reduktionismus („Nichts reduziert sich auf etwas anderes, nichts leitet sich von etwas anderem ab, alles kann sich mit allem verbinden.“) (110) und ist mit Comtes der Meinung, dass sich langfristig gesehen weder die Biologie in der Physik und Chemie, noch die Soziologie in der Biologie auflösen wird. (112) Er thematisiert die Frage, ob nicht-menschlichen Akteuren eine Eigendynamik und vielleicht sogar Handlungsfähigkeit zugesprochen werden kann. (138) Sein erfolgreichstes Buch „Wir sind nie modern gewesen“ wirkt bereits vom Titel her provokant und ist ein Ausflug in das Reich philosophischer Essays.
„Bruno Latour zur Einführung“ ist keine (allgemein verständliche) Biographie, wie z.B. „Einstein“ von Johannes Wickert, in dem insbesondere auch der Mensch Einstein beschrieben wird und auch kein (lebhafter) persönlicher Bericht, wie z.B. „Die Doppel-Helix“ von Watson, sondern ein Buch über die wissenschaftlichen Stationen und Theorien von Bruno Latour für Fachleute. Auch wenn es phasenweise ein wenig trocken wirkt, wird das Netzwerk von Bruno Latour einschließlich seiner Theorien in der Breite nachvollziehbar beschrieben. Wer einzelne Texte von Latour kennt, erhält mit dieser Einführung einen Überblick auch über seine weniger bekannten Bücher.