Einer der bewegendsten deutschen Briefe und seine Folgen.Am 23. Mai 1920 findet Karl Kraus in der Wiener »Arbeiter-Zeitung« einen Brief Rosa Luxemburgs aus dem Breslauer Frauengefängnis. Sie beschreibt, wie sie durch die Gitter ihres Zellenfensters beobachtet, dass rumänische Büffel als Zugtiere von Soldaten bis aufs Blut geschlagen und gequält werden. Wenig später druckt er den Brief in der »Fackel« ab.Als eine anonyme Briefschreiberin gegen die »larmoyante Beschreibung« dieses Briefes an Sonitschka Liebknecht protestiert, antwortet Karl Kraus mit einer vehementen Polemik, die Walter Benjamin 1931 ein »Bekenntnis« nennt, »an dem alles erstaunlich« sei; auch »daß man diese stärkste bürgerliche Prosa des Nachkriegs in einem verschollenen Heft der »Fackel« zu suchen habe«.Der »Büffelbrief« und seine Weiterungen werden hier mit einem Nachwort von Friedrich Pfäfflin mitgeteilt - bis hin zu dem Echo, das Rosa Luxemburgs Brief in den späten sechziger Jahren in zwei Gedichten von Paul Celan findet.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Helmut Mayer freut sich, dass Friedrich Pfäfflins Band um den "Büffel-Brief" von Rosa Luxemburg nun in neuer Ausgabe erscheint. Der 1917 verfasste Brief an Sonja Liebknecht, in dem Rosa Luxemburg ihr Entsetzen über die Misshandlung einer Büffelhaut im Breslauer Frauengefängnis äußert, wurde nach ihrem Tod von Karl Kraus in der "Fackel" abgedruckt und zog einen kritischen Leserinnenbrief und wiederum eine wütende Antwort darauf von Kraus nach sich, wie Mayer erklärt. Diese Briefe kommentiert und mit Nachwort herauszugeben, hielt der Kritiker schon in der Ursprungsausgabe für eine "wunderbare Idee", und mag daher auch die nur wenig veränderte Neuauflage mit verlängertem Nachwort - hier erfährt er noch mehr über Paul Celans Bezugnahme auf Luxemburg. Einzig Pfäfflins Lesart des Gedichts "Mythologie" von Kraus stimmt Mayer in einem Punkt nicht zu, kennzeichnet das aber selbst als "Beckmesserei" an einem sonst sehr schönen Band.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Das alles liegt nun hundert Jahre zurück und ist noch immer nicht aus der Zeit gefallen« (Peter Köhler, junge Welt, 16.03.2022) »Es ist schön, dass dieses Bändchen nun wieder vorliegt.« (Helmut Mayer, FAZ, 23.04.2022) »Texte der Weltliteratur, die völlig zu Recht (...) herausgegriffen und auf eigene Füße gestellt werden. In diesem Zusammenhang von Rezeption, Reaktion und Gegenreaktion bildet sich exemplarisch eine Diskussion um Existenzielles ab« (Bernadette Conrad, Wiener Zeitung extra, 21./22.05.2022) »Die prägnante Auseinandersetzung über einen Brief und seine Rezeption verhandelt menschliche Verrohung und Empathie.« (Jorghi Poll, Buchkultur, Juni 2022)







