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»Lorenz Schröter ist der Größte. Wir verdanken ihm alles.« (Christian Kracht)
»Do you believe in Rockn Roll?« Dass diese Frage zu der entscheidenen seines Lebens werden würde, hätte sich Kramer noch vor zwei Tagen nicht vorstellen können, als er, zuverlässig wie immer, schon eine halbe Stunde früher am Flughafen stand, um seine Familie in Empfang zu nehmen. Eine halbe Stunde, die sein Leben verändert. Er begegnet Kimmi, einer japanischen Punkmusikerin, geht mit ihr ins Hotel, hat Sex, verliebt sich haltlos und begibt sich mit ihr auf eine seltsame Reise durch Süddeutschland. Die Reise…mehr

Produktbeschreibung
»Lorenz Schröter ist der Größte. Wir verdanken ihm alles.« (Christian Kracht)

»Do you believe in Rockn Roll?« Dass diese Frage zu der entscheidenen seines Lebens werden würde, hätte sich Kramer noch vor zwei Tagen nicht vorstellen können, als er, zuverlässig wie immer, schon eine halbe Stunde früher am Flughafen stand, um seine Familie in Empfang zu nehmen. Eine halbe Stunde, die sein Leben verändert. Er begegnet Kimmi, einer japanischen Punkmusikerin, geht mit ihr ins Hotel, hat Sex, verliebt sich haltlos und begibt sich mit ihr auf eine seltsame Reise durch Süddeutschland. Die Reise scheint einem geheimnisvollen Plan zu folgen, von Punkschuppen zu Punkschuppen, von fränkischen Brauereien und geheimnisvollen Burgen zu einem Grabstein, an dem die neuen Levis Jeans geweiht werden, zu den Stätten der Vorfahren von Elvis Presley. Da ist es auch nicht weiter überraschend, dass Kimmi und ihre Punk-Freunde nachts von unheimlichen, gewalttätigen Elvis-Doubles verfolgt und zusammengeschlagen werden, obwohl sie »shugotensis« sind, Schutzengel, und wie sich herausstellt an Elvis glauben. Er ist nicht tot, er lebt. Er wird sie alle retten. Kann man das glauben? Lorenz Schröter hat einen wunderbar skurrilen Roman geschrieben, ein road movie, in dem das Leben eines Mannes in den besten Jahren rasant in Schwung gebracht wird.
Autorenporträt
Lorenz Schröter, 48, radelte um die Welt, besuchte 113 Länder, bestieg 2 hohe Berge und zog mit 1 Esel durch Deutschland. Er schrieb 2 Opern und 12 Bücher.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Über den "Ausbruch eines Doppelhaushälftenbesitzers" hat Eric Pfeil sich von diesem Autor nicht ungern berichten lassen. Zwar findet Pfeil die angewandte "gealterte Punk-Perspektive" in ihrer Naivität nicht unproblematisch. Lorenz Schöters sprachliche Punktlandung, sein Kenntnisreichtum und die dem Rezensenten erstaunlich erscheinende Dichte, mit der Rock'n'Roll hier mythologische Qualitäten zugesprochen bekommt, machen allerdings einiges gut. So auch die "Versimpelung" von Charakteren zu Klischees. Am Ende nimmt der milde gestimmte Rezensent dem Autor den ganzen Romantizismus doch noch ab. Schließlich trägt Schröter den Rock'n'Roll konsequenterweise zu Grabe. Von dort winkt er, "ewig lebend". Damit kann Pfeil leben.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.01.2008

Wir sind alle in der Ikea-Falle

Kann uns Rockmusik aus dem Spießerdasein befreien? Der Alt-Punker Lorenz Schröter erzählt in seinem "Buch der Liebe" vom Ausbruch eines Doppelhaushälftenbesitzers, dessen Liebesdienst zu einem abenteuerlichen Roadmovie ausufert.

Lorenz Schröter war dabei, als es passierte. Beziehungsweise: als es hier in Deutschland passierte, und er ließ es mit geschehen. Damals hieß er "Lorenz Lorenz", nannte sich "der König von München" und war - Punk. Schröter spielte in etlichen Bands, veröffentlichte den Kassetten-Sampler "München ist die beste Stadt der Welt", fetzte sich mit Rainald Goetz und veröffentlichte 1982 "Die Einsamkeit des Amokläufers - Triviale Kurzgeschichten aus der Punkrockzeit". Später ritt er für ein Buch auf einem Esel durch Deutschland, führte einige der letzten dokumentierten Gespräche mit Klaus Kinski und machte eine zweijährige Weltumradlung.

Doch die Prägung durch Punk und das hiermit verbundene Selbstverständnis sollten ihn nie wieder loslassen. Nun ist es freilich so, dass Punkrock wie alles, was einmal neu und wild war und für Aufbegehren stand, zwangsläufig längst zur nostalgischen Angelegenheit verkommen ist. Wer je Männer in ihren späten Vierzigern von ihrer Jugend in den späten Siebzigern, frühen Achtzigern erzählen hörte und sich dabei an die sentimentalen Reden der Englischlehrer über 1968 erinnert fühlte, weiß: Diese Verklärung der Wildheit des Punkrock hat etwas ungemein Rührendes und Liebenswertes, strahlt aber einen ähnlich sentimentalen Muff aus wie ein Batikhemdenstand auf Gomera. Das ist nicht schlimm, aber es ist unvermeidlich: Hippies und Punks konnten beide nur gegen jeweils das aufbegehren, was vor ihnen lag, das ähnelt sie im Rückblick sehr an. Lorenz Schröters neuer Roman atmet deutlich diese Wehmut einer gealterten Punk-Perspektive.

Als Kramer, ein siebenundvierzigjähriger Angestellter mit fast abbezahlter Doppelhaushälfte, seine Familie vom Flughafen abholen soll, folgt er einem plötzlichen Impuls und nimmt sich der jungen japanischen Punk-Musikerin Kimmi an. Zunächst will Kramer die junge Frau, die für eine Club-Tournee mit ihrer Band Shugotenshi nach Deutschland gekommen ist, nur ins Hotel bringen. Doch sie haben Sex, Kramer verliebt sich, und ehe er sich versehen kann, kutschiert Kramer die ganze Band durchs Land. Was als Ausbruch aus dem Alltag eines emotional stillgelegten Mannes beginnt, wird bald zu einem abenteuerlichen Roadmovie durch die süddeutsche Provinz, bei der die Gruppe von einer Horde gewaltbereiter Elvis-Impersonatoren verfolgt wird. Als eine der Shugotenshi-Musikerinnen brutal ermordet und Kramers frische Liebe Kimmi entführt wird, kippt die Geschichte in eine bizarre Fieberphantasie, in der Kramer scheinbar durch den Rock 'n' Roll eine zweite Chance erhält.

Lorenz Schröter erzählt den Ausbruch seines Helden Kramer sprachlich punktgenau und ohne sich jemals lange aufzuhalten: wie ein Drei-Akkord-Song ohne prätentiöse Solistenarbeit. Viele Ideen dieses Rettungsromans sind sehr schön und gehen weit über das hinaus, was sich hierzulande im literarischen Pfuhl der Pop-Literatur tummelt - so zum Beispiel die Verortung zahlreicher Amerika- und Rock-'n'- Roll-Wurzeln in der deutschen Provinz. So lässt Schröter die japanischen Musiker auf dem jüdischen Friedhof am Grab des Levi-Strauss-Vaters Hirsch Strauss einen ritualisierten Jeanshosenwechsel vollziehen. Auch die Dichte, mit der Schröter Rock 'n' Roll als eine Art lebensrettende Mythologie, als Glaubensbekenntnis entlang des allegorischen Don-McLean-Songs "American Pie" beschreibt, kennt man so nicht. Immer wieder zitieren Schröters Romanfiguren den Song, dessen zentrale fünf Zeilen dem Roman bereits vorangestellt sind: "Did you write the book of love? / And do you have faith in God above / If the Bible tells you so? / And do you believe in rock 'n' roll / Can music save your mortal soul?"

Dass der Roman dann doch nicht ganz gelungen ist, liegt an der naiven Perspektive, die mit den eingangs beschriebenen Punkrock-Verklärungen Hand in Hand geht: Die Versimpelung einiger Charaktere - nicht zuletzt des Ich-Erzählers Kramer als spießiger Halbtoter, dem vor lauter Lebensabsicherung sämtliche Züge vor der Nase weggefahren sind - verrät den Autor als Punk-Nostalgiker. Kramer, dieser allen Freuden entfremdete Ahnungslose, wirkt in einer Welt, in der tagtäglich - und wenn es bei Stefan Raab ist - popkulturelle Mythen verhandelt werden, wie ein Anachronismus. Wie ein Klischee des durch Rockmusik zu errettenden Spießers, der bald schon enthemmt seine Krawatte verbrennt. Eine Perspektive, die schon bei den Hippies zu simpel wirkte.

Punkrock - oder allgemeiner: Rock 'n' Roll - als Metapher für die Liebe, das ist etwas arg abgedroschen. Und dennoch ist man, je länger man liest, geneigt, Schröter diese Romantisiererei nachzusehen. Erstens, weil sie so kenntnisreich und eloquent noch nie in einen deutschsprachigen Roman verwoben wurde. Und zweitens, weil sie letztlich im Rahmen seines Themas konsequent bleibt: Am Ende ist der Rock 'n' Roll dann doch tot. Oder anders: Er regiert im Paradies, ewig lebend. Eine konsequente Sichtweise. Die Frage ist nur, wie viel er so noch auf Erden anrichten kann.

ERIC PFEIL

Lorenz Schröter: "Das Buch der Liebe". Roman. Kunstmann Verlag, München 2007. 188 S., geb., 16,90 [Euro].

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