Wurde Dionysos erst in der Moderne dionysisch? Dionysos, Sohn des Zeus, Gott der Ekstase, wurden viele Eigenschaften zugeschrieben. Aber nur eine unterscheidet ihn von allen anderen Göttern: sein plötzliches »Erscheinen«, jene mysteriöse Ereignishaftigkeit, die mit seinem Auftreten verbunden war und schon in den griechischen Texten thematisch wurde. Karl Heinz Bohrer begibt sich in seinem neuen Buch auf die Spuren dieser Eigenschaft des Dionysos und zeigt, wie sie sich sukzessive vom Mythos abgelöst hat und nach 1800 zum Signum der romantisch-modernen Literatur und Philosophie wurde.Hölderlins dionysischer Augenblick, Nietzsches dionysische Ästhetik und die mythopoetische Metapher der modernen Lyrik bei Pound, T. S. Eliot, Rilke und Paul Valéry sind die wichtigsten Stationen, an denen das Dionysische des modernen Dionysos erkennbar wird: als Ausdrucksform des »Ereignisses« und des »Erscheinens«, die zu zentralen Kategorien der zeitgenössischen Kunst- und Literaturtheorien werden.Die Diskussion der Theorie des »Ereignisses« im Surrealismus sowie prominent bei Martin Heidegger und Jean-François Lyotard schließt diese fesselnde Studie zum dionysischen Diskurs der Moderne ab.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Dass Karl Heinz Bohrer weiterhin theorieaffine Wissenschaft eher für unangemessen hält und entsprechend das von ihm in seinem Band herausgearbeitete Andere der ästhetisch-dionysischen Erfahrung nicht näher fasst oder gar systematisiert, kann Thomas Groß nicht ganz nachvollziehen. Ebensowenig die Tatsache, dass der Band mit Kasus- und anderen Wortendungsfehlern kommt. Bohrers literaturhistorische Studie nämlich scheint ihm ansonsten höchst ergiebig zu sein, gelehrt, weit ausgreifend und anschließend an Bohrers alte Themen und Motive. Die Analyse literarischer Gestaltung des Dionysischen bei Hölderlin, Nietzsche, Pound, Valery, aber auch bei Kleist und bei den Surrealisten ergibt für Groß etwa das Bild des plötzlich als Ereignis auftretenden Gottes als Bild für Kunst und Dichtung als ein Jenseits der Individualität. Bohrers Erörterung des Wiederauftauchens dionysischer Metaphern in der Moderne folgt laut Groß der kritische Blick des Autors auf die realistische Gegenwartslitertatur.
© Perlentaucher Medien GmbH
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» ... es ist ein Erlebnis, Bohrer auf seinen Gängen durch Mythos und Ästhetikgeschichte oder auch nur durch einzelne Gedichte zu begleiten.« Jörg Magenau Deutschlandfunk Kultur 20151119







