Emotionen, Sexualität und Macht. Durch die "Pillenenzyklika" Humanae vitae, mit der Papst Paul VI. Katholik:innen im Sommer 1968 den Gebrauch künstlicher Empfängnisverhütungsmittel verbot, geriet im bundesrepublikanischen Katholizismus einiges in Bewegung. Das Katholischsein in einer sich verändernden Gesellschaft wurde neu verhandelt. Die Autorin wertet erstmals in großem Umfang Protestbriefe aus, die Katholik:innen an ihre Bischöfe schrieben, und zeigt auf, wie das Sprechen über Emotionen und Sexualität nachhaltige Verschiebungen alter Machtverhältnisse sichtbar machte. Dabei analysiert sie die Selbstermächtigungsprozesse des "katholischen '68" vor dem Hintergrund der westdeutschen Gesellschaftsgeschichte. Zum Schluss der Studie kommen Zeitzeug:innen zu Wort, die sehr persönliche Einblicke in lebenslange Auseinandersetzungen mit der "Pillenenzyklika" geben und dabei auch den Bogen zur aktuellen Kirchenkrise schlagen.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Alina Potempa legt eine lesenswerte Studie zu einem spezifisch katholischen Ausläufer der 68er-Bewegung vor, findet Rezensent René Schlott. Die Kirchenhistorikerin Potemka widmet sich darin laut Schlott den Auswirkungen der sogenannten "Pillen-Enzyklika", also dem Schreiben "Humanae Vitae", in dem der damalige Papst Paul VI. Katholiken alle Methoden der künstlichen Empfängnisverhütung verbot. Dabei arbeitet das Buch Briefe von Katholiken beiderlei Geschlecht an Bischöfe, sowie Leserbriefe und von Potempa selbst geführte Gespräche mit Katholikinnen und Katholiken aus. Das Bild, das dabei entsteht, ist durchaus komplex und zieht auch Fürrede für die päpstliche Position mit ein. In der überwiegenden Mehrheit jedoch zeigten sich die Betroffenen ratlos bis empört: Potempa zeichnet nach, wie im Anschluss an das Schreiben viele Gläubige sich zwar nicht vom Glauben, aber vom strengen Bezug auf die Amtskirche abwandten. Manche Katholiken verwandelten ihre Enttäuschung gar in kirchenreformerische Energie, lernt Schlott nach der Lektüre, die ihm lediglich durch das aufdringliche Gendern hier und da verleidet wird. Insgesamt jedoch scheint er das Buch mit Gewinn gelesen zu haben.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH







