Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
"Hellauf begeistert zeigt sich Martin Mosebach in seiner äußerst gedrungenen Besprechung von Baltasar Gracians Roman "Kritikon" aus dem siebzehnten Jahrhundert, der nun erstmals in vollständiger Übersetzung vorliegt. In diesem "monumentalen" Roman, so Mosebach, entwickle der im späten "Siglo de oro" schreibende Gracian sein "Handorakel" weiter, in dem er den Charakter des unter der Inquisition lebenden "Höflings" auf "abstrakte" und "sentenzhafte" Weise beschreibe und den Leser dazu auffordere, dem erstickenden Klima der Inquisition zu widerstehen und zu "Königen ohne Land und Heilige" zu werden. Gerade die prägnant allegorische Qualität seiner Sprache verstehe Gracian den Leser auch heute noch zu faszinieren und lasse die Lektüre seines Romans zu einem Gang "durch einen unabsehbar großen Palast" werden, "in dem ihm ein geheimnisvoller Kastellan die Fresken und Wandteppiche erklärt". Was für Mosebach Gracians "konsequente" Allegorien so stark macht, ist die Tatsache, dass sie "Verkörperungen" seien, "Seinsformen der Begriffe". Das dahinterliegende Weltbild sei aber keinesfalls "mystisch", sondern Ausdruck "skeptischen Rationalismus", in der die Vernunft "Königin" sei. Gracian inszeniere den Kampf zwischen "Illusion und Enttäuschung", in dem die höchste Illusion die der Hoffnung auf eine reformierbare Welt sei. Doch nicht nur Gracians "in Sprache übersetztes Gesamtkunstwerk aus Musik und Malerei" findet Mosebach ausgezeichnet, auch von Hartmut Köhlers "knapper und prägnanter" Übersetzung ist er entzückt und legt allen zukünftigen Übersetzern dessen Methode ans Herz.
© Perlentaucher Medien GmbH"
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