Der Dichter und Schriftsteller Warlam Schalamow hegte keine Zweifel daran, ein eigenständiges Wort in der Literatur gesprochen zu haben. Die ersehnte Anerkennung blieb ihm jedoch zeitlebens versagt. Sein Hauptwerk, die sechs Zyklen der Erzählungen aus Kolyma, die das Geschehen in den Zwangsarbeitslagern des Gulag am Kältepol der Erde reflektieren, erschien posthum nach Auflösung der Sowjetunion. Schalamow lebte in einer von Brüchen und Verlusten gezeichneten Zeit russischer Geschichte, in der sich kaum jemand der bedrohlichen Macht der Politik zu entziehen vermochte. Zum Widerstand wurde ihm dabei die Dichtkunst. Franziska Thun-Hohenstein erzählt in der ersten umfassenden Biographie fesselnd vom Leben und Werk Schalamows, ohne sie einer einfachen Entwicklungslogik unterzuordnen. So stehen auch hier Widersprüchliches und Fragmentarisches nebeneinander und beleuchten ein einzigartiges und auf brutale Weise von seiner Zeit geschundenes Leben. Die Kraft, seiner Zeit zu widerstehen und einen lebenslangen Kampf um die Wahrung der Eigenständigkeit im Leben wie im Schreiben zu führen, schöpfte Warlam Schalamow sein Leben lang - als Kind, als junger Mann wie nach der Kolyma - aus der Kunst, aus der Dichtung.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Warlam Schalamow gehört wie Wassili Grossman zu den Protokollanten des Stalinschen Terrors, die starben, bevor sie wussten, dass ihre Werke jemals rezipiert werden würden. Franziska Thun-Hohenstein hat nun über Warlam Schalamow eine Biografie vorgelegt, die Wolfgang Schneider zutiefst beeindruckt. Kurz skizziert er nochmal Schalamows Geschichte vom glühenden Revolutionär bis zum gebrochenen Insassen eines Altersheims, der seinen Zwieback unter dem Kopfkissen versteckte. Ursprünglich, erzählt Schneider, habe Schalamow seine Lagererinnerungen zusammen mit Alexander Solschenizyn verfassen wollen, kam aber wegen seines völlig anderen, viel strengeren schriftstellerischen Ethos davon ab. Die Nüchternheit prägt Schalamows Erinnerungen - und ihr werde die Biografin auf geradezu vorbildliche Weise gerecht. Sie spart nichts aus, berichtet der Rezensent, auch nicht Schalamows journalistische Jugendsünden. Mit Verwunderung notiert er auch, dass Schalamow nichts mit Emigrantenkreisen zu tun habe wollte und der "Idealisierung von Revolutionären" treu blieb. Als äußerst lesenswert empfiehlt Schneider auch Thun-Hohensteins Kapitel über die Beziehung zwischen Schalamow und Solschenizyn.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Wer so schreibt wie er, hat humanistische Ideen nicht nur nicht verraten, er rettet sie.« - Ilma Rakusa, Neue Zürcher Zeitung Ilma Rakusa NZZ - Neue Zürcher Zeitung 20231201







