Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Potentielle Leser sollten sich nicht von dem "nichtssagenden" deutschen Titel "Das rote Fahrrad" abschrecken lassen, warnt Rezensent Andreas Platthaus, der dieses ergreifende Erinnerungsbuch von Ágnes Zolt schon allein wegen seiner Entstehungsgeschichte nur dringend empfehlen kann. Bis heute sei ungeklärt, ob es sich hier um das originale Tagebuch der im Alter von dreizehn Jahren in Auschwitz ermordeten Eva Heyman handele oder ob ihre Mutter, die 1912 geborene Journalistin Ágnes Zolt, den Text stark nachbearbeitet oder gar selbst geschrieben habe, informiert der Kritiker. Im erschütternden Vorwort der Mutter erfährt Platthaus, wie sie sich gemeinsam mit Evas Stiefvater dank einer diagnostizierten Typhusinfektion vor der Deportation retten konnte, während die Tochter zu den Hunderttausenden ungarischer Juden gehörte, die noch im März 1944 von den Nazis ermordet wurden. Nicht nur in den im Anhang enthaltenen Briefen von Zolts Haushälterin, die ihr das Tagebuch später übermittelte, sondern auch im Text selbst liest der Kritiker die grausamen (Selbst-)Vorwürfe, die Evas Mutter schließlich vier Jahre nach Erscheinen des Buches dazu führten, sich das Leben zu nehmen. Trotz der "gewollt nach Kindersprache" klingenden Übersetzung Ernö Zeltners und des fehlerhaften Nachworts des Publizisten Gabor Muranyi liest der Rezensent gebannt und ergriffen die ebenso klugen wie bedrohlichen Alltagsbeobachtungen, die das kleine Mädchen in den Monaten kurz vor der Deportation notierte.
© Perlentaucher Medien GmbH
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