"Genug der bunten Bilderbücher", dachten sich die Wiesbadener Studierenden, die in diesem Jahr das Buchteam bilden. "Wir suchen wieder nach Werten, nach Denkanstößen, nach Inhalten." Ein Buch zum Lesen, ein Buch, das über den Tag hinausdenkt - das sollte das Jahrbuch der FH dieses Jahr werden.
Da kommt man früher oder später auf das Buch der Bücher, und so entstand "Das Vierte Buch". Bibel-Ästhetik trifft hier auf Szenetypografie, Professoren und Ehemalige geben ihr Glaubensbekenntnis ab und verraten damit letztlich mehr als mit den vielen herausragenden Arbeiten, die man von ihnen schon gesehen hat: Sie gewähren Einblick in ihr Denken und in die Überzeugungen, die ihr gestalterisches Handeln prägen.
Da kommt man früher oder später auf das Buch der Bücher, und so entstand "Das Vierte Buch". Bibel-Ästhetik trifft hier auf Szenetypografie, Professoren und Ehemalige geben ihr Glaubensbekenntnis ab und verraten damit letztlich mehr als mit den vielen herausragenden Arbeiten, die man von ihnen schon gesehen hat: Sie gewähren Einblick in ihr Denken und in die Überzeugungen, die ihr gestalterisches Handeln prägen.
Kostbar kommt es daher, mit Goldprägung und farbig passendem Lesebändchen, den edlen Schuber aus schwarzem mit Lederstruktur bezogenem Papier zieren drei geheimnisvolle Zeichen. Nur dem Eingeweihten entschlüsselt sich die mehr an archaisches Schriftgut denn an zeitgenössisches Design erinnernde Symbolik umstandslos: Was aussieht wie eine dreizackige Harke, steht für "Hand", das Quadrat mit einem Punkt in der Mitte für "Auge", und das "Herz" schließlich ist zu erkennen, wenn man sich die scharfen Kanten des Symbols weich abgerundet vorstellt.
Hand, Herz und Auge stehen für die drei Kapitel des Jahrbuchs für Gestaltung der FH Wiesbaden, konzipiert und realisiert von einem Projektteam um Professor Gregor Krisztian. Die jungen Autoren Eugenia Knaub, Victoria Sarapina, Sandra Ott, Nina Hitze und Georg Dejung nennen ihr so schönes wie anspruchsvolles Werk "Das vierte Buch" - und jede augenzwinkernde Assoziation mit der Heiligen Schrift ist nicht nur erwünscht, sondern beabsichtigt. Handelt es sich doch gewissermaßen um eine "Designerbibel", die in Wort und Schrift ganz ungeniert Anleihe nimmt beim Alten Testament und bei den Evangelien.
Und wie so manchem Dichter hat es offenbar auch den Jungdesignern besonders die biblische Sprachgewalt angetan. Weshalb der geneigte Käufer des Bandes auch, schon bevor es mit der "Offenbarung" richtig losgeht, in entsprechender Diktion ermuntert wird: "Leset und schauet, wie köstlich Design schmeckt."
Wie köstlich Design "schmeckt", das lassen schon die für das erste, das "Hand"-Kapitel ausgewählten studentischen Arbeiten wie das vielfach ausgezeichnete Kalender-Projekt der "Gestalter" ahnen - auch wenn es mit Radierungen von Christian Pichura in moderne, apokalyptisch anmutende Düsternis mündet, passend zum Ersten Buch Mose: "Da ließ der Herr Schwefel und Feuer regnen vom Himmel herab auf Sodom und Gomorra ..." Das "Herz"-Kapitel ist besonderen Projekten und vielbeachteten Ausstellungen der "Kreativ-Schmiede" Unter den Eichen gewidmet, und im letzten, dem "Augen"-Kapitel finden sich so bemerkenswerte Anleitungen wie die "Zehn Gebote oder zehn Möglichkeiten, Informationen zu kommunizieren" - mit Hilfe von Design natürlich. Das zehnte, das biblische Gebot, das bekanntlich von all dem handelt, was der (männliche) Mensch alles nicht zu begehren hat, ließe sich, haben sich die Design-Studenten beispielsweise gedacht, einfach mit einem angebissenen Apfel "rüberbringen". Da weiß Mann doch, was er zu erwarten hat.
HEIDI MÜLLER-GERBES.
"Das vierte Buch", Fachhochschule Wiesbaden Hrsg., 448 Seiten, Thorsten-Reiß-Verlag, Wiesbaden, Text in Deutsch und Englisch, zahlreiche Abbildungen, 29,80 Euro, ISBN 3-87439- 654-1.
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