Hinter dem provokanten Titel, der den Tagebüchern Friedrich Hebbels entnommen ist und die rückschrittlichsten Theorien etwa Otto Weiningers zu unterstreichen scheint, verbirgt sich ein eigentümlicher, fiebriger Roman: Bibiana geht durch die Hände verschiedener Männer, die sie jeweils völlig neu formen, die ihr eine vollständig andere Identität verleihen, vom Namen bis zu ihrem Auftreten. In vollkommener Passivität nimmt sie diese unterschiedlichen Schicksale an, lässt sie diese Einschreibungen über sich ergehen.Krass wie in einem Kolportageroman sind diese Existenzen: sie ist nacheinander das Werkzeug eines Hochstaplers, die Muse eines armen Komponisten, die Geliebte eines reichen Geschäftsmannes und die Gefährtin eines sozialistischen Arbeiterführers, und in dieser letzten Rolle erleidet sie dann einen sinnlosen Tod auf den Barrikaden.Der Roman verstört. Bald nach Erscheinen schon zur Verfilmung vorgesehen (mit Greta Garbo in der Hauptrolle), rief er sehr bald kritische Stimmen hervor, die ihn auf der Folie des damaligen Emanzipationsstandes gelesen sehen wollten. Seine Kraft zeigt dieser noch ganz im expressionistischen Gestus geschriebene Roman gerade auch darin, wie fruchtbar er für die zeitgenössische Theoriediskussion zur Gender-Frage noch immer ist.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Spannend und doppelbödig findet die Rezensentin Gisa Funck diesen 1929 erstmals veröffentlichten Roman. Sie entdeckt in der Erzählung um die Protagonistin Bibiana und ihre schwierigen Männerbeziehungen Ebenen, die in früheren Kritiken des Buches eher wenig Beachtung fanden. Dem Titel entsprechend wurde sie in den damaligen Rezensionen oft als Opfer dargestellt, doch Funck findet, dass dieser Ansatz nur die halbe Wahrheit ist: "Tatsächlich übt sie unter dem Deckmantel unterwürfiger Sorge auf ihre Geliebten entscheidenden, ja geradezu fatalen Einfluss aus." Die Anpassung von Bibiana bleibt nach Ansicht der Rezensentin vordergründig. Doch Funck spart auch nicht mit Kritik: um dem Motiv der Besessenheit, das sich durch das Buch zieht, Ausdruck zu verleihen, habe sich Mela Hartwig oft "schon damals abgegriffener Bilder" bedient. Die Geschichte "strotzt vor Superlativen", was dem Roman oft einen kitschigen Anstrich gibt, meint Funck. Und doch findet sie das Buch am Ende durchaus lesenswert: "Dem Sog dieser höchst beunruhigenden Parabel auf die zerstörerische Macht männlicher Manipulation aber kann man sich nur schwer entziehen."
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Dem Sog dieser höchst beunruhigenden Parabel auf die zerstörerische Macht männlicher Manipulation kann man sich schwer nur entziehen.« (Gisa Funck, FAZ)







