In der Regel beginne ich meine Buchbesprechungen mit einer kurzen Inhaltsangabe. Bei „Deephaven“ von Sarah Orne Jewett ist das mit einem Satz getan: Die Freundinnen Kate und Helen beschließen, den Sommer im Haus von Kates verstorbener Tante in Deephaven zu verbringen. Den Rest des Buches verbringen
wir damit, den beiden jungen Frauen durch das Dorf an der Küste von Maine zu folgen und die Bewohner…mehrIn der Regel beginne ich meine Buchbesprechungen mit einer kurzen Inhaltsangabe. Bei „Deephaven“ von Sarah Orne Jewett ist das mit einem Satz getan: Die Freundinnen Kate und Helen beschließen, den Sommer im Haus von Kates verstorbener Tante in Deephaven zu verbringen. Den Rest des Buches verbringen wir damit, den beiden jungen Frauen durch das Dorf an der Küste von Maine zu folgen und die Bewohner näher kennenzulernen.
Jewett war bei der ersten Veröffentlichung von „Deephaven“ im Jahre 1877 gerade mal 28 Jahre alt, erste Entwürfe des Romans waren sogar bereits vier Jahre vorher erschienen. Und man merkt dem Buch diese Jugend im positiven Sinne an. Es sprüht vor Lebensfreude, Abenteuerlust und Offenheit. Ihre Anekdoten – oder vielleicht sollte man lieber von Skizzen sprechen – beweisen eine erstaunliche Beobachtungsgabe. Es ist eins dieser Bücher, bei denen man sich fühlt, als wäre man selbst vor Ort, direkt und unmittelbar.
Wunderbar sind auch Jewetts Figuren, die Deephaven bevölkern, charakterisiert. Während ich Kate und Helen zwar charmant, aber auch ein ganz klein wenig langweilig fand, haben mich vor allem die weiblichen Dorfbewohner begeistert. Allen voran Mrs. Kew, die Frau des Leuchtturmwärters, Mrs. Bonny, die Witwe, die nach ihren eigenen Regeln alleine weit ab vom Geschehen lebt, und Miss Chauncy, deren geistiger Verfall gnadenlos voranschreitet.
Was mir auch gut gefallen hat, ist, dass Jewett, trotz aller Idylle, nicht die sozialen und gesellschaftlichen Ungleichheiten umgeht. Tod, Krankheit, Armut, Einsamkeit, Klassenunterschiede… All das ist genauso Teil von Deephaven, wie von jedem anderen Ort der Welt. Und dankbarer Weise verzichtet die Autorin darauf, Lösungen finden zu wollen und ihren Figuren ein glückliches Ende anzudichten, dass der Realität des Lebens und der Glaubwürdigkeit der Geschichte nicht standgehalten hätte.
Erwähnen möchte ich auch ausnahmsweise die liebevolle Gestaltung der Hardcover-Ausgabe durch den mare-Verlag. Ich lege eigentlich nicht allzu viel wert auf das Aussehen eines Buches, aber „Deephaven“ ist mit dem schönen Cover und dem Schuber ein erwähnenswertes Kleinod geworden.
Jewett hat in einem Brief an ihren Mentor Theophilus Parsons geschrieben, dass für sie die Hauptaussage ihres Buches darin liegt, dass der Mensch sich für sein eigenes Glück und Unglück selbst entscheiden kann. Dass er selbst bestimmt, ob er sich an einem Ort wie Deephaven langweilt, oder die schönste Zeit seines Lebens verbringt, eine Lebensphilosophie, die sie Kate im Buch auch aussprechen lässt. Ob dem nun so ist, oder nicht: Ich bin bei der Lektüre gar nicht auf die Idee gekommen, mich in Deephaven zu langweilen. Für mich war das Buch ein warmer Sommertag, an dem man die Sonne und den Wind auf der Haut spürt, die Möwen kreischen hört, das Salz des Meeres einatmet und sich unversehrt und sorgenfrei fühlt. Dieses Buch ist, wenn man sich darauf einlässt, ein kleines Geschenk.