In seinem neuen Buch gibt Werner Hofmann einen umfassenden Überblick über das wegweisende Werk des Malers, Graphikers und Photographen Edgar Degas. Der mit über 200 Abbildungen großzügig illustrierte Band führt durch die Bildwelten des Malers, die mit ihren formalen Innovationen, ihrem Realismus und ihrer Erschließung der Tag- und Nachtseiten der modernen Gesellschaft weit in die Kunst des 20. Jahrhunderts vorausdeuten. Dabei gelingen Hofmann selbst bei den bekanntesten Bildern überraschende neue Einsichten. Edgar Degas (1834 1917) nahm zwar an den Gruppenausstellungen der Impressionisten regelmäßig teil, ging jedoch von Beginn an seine eigenen Wege. Dem harmonischen Wirklichkeitssinn seiner Malerkollegen setzte er seine spannungsreichen Bilder des gesellschaftlichen Lebens entgegen. Er deckte die Brüchigkeit der bürgerlichen Welt und ihrer menschlichen Beziehungen auf und begab sich in die Randzonen der Gesellschaft, wo vor allem die Frauengestalten seinen künstlerischen Blick auf sich zogen, die Büglerinnen und Modistinnen, die Tänzerinnen und die Prostituierten. Degas zeigt sie bei der Arbeit und allein, stellt ihre geschmückten, verbrauchten, vermarkteten und nur gelegentlich befreiten Körper dar. Der menschlichen Isolation und den Entfremdungen, denen er nachspürt, entsprechen die formalen Experimente, in denen er das feste Gefüge des zentralperspektivisch geordneten Raums aufbricht. Degas bürgerliche Biographie läßt Werner Hofmann immer wieder in seine pointierten, scharfsichtigen Analysen einfließen. Gleichzeitig verortet er Degas künstlerischen Weg innerhalb der großen Tendenzen des 19. Jahrhunderts. David, Ingres, Delacroix, Courbet und die Werke der Impressionisten gehören dabei zu den wichtigsten Bezugspunkten der vergleichenden Betrachtungen. Auf diese Weise werden Traditionslinien, aber vor allem die Eigenart und die innovative Kraft von Degas Kunst augenfällig. Sie öffnet als Gegenstimme zu Cézanne einen anderen Weg ins 20. Jahrhundert.
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Als inhaltlich und optisch hervorragend, sprachlich aber etwas anstrengend beurteilt Rezensentin Elke von Radziewsky den "üppigen Bildband" des Kunstwissenschaftlers und ehemaligen Direktors der Hamburger Kunsthalle, Werner Hofmann. Auch wenn es so aussehe, sei das Buch "kein bloßes Coffeetable-Buch", denn es biete interessante Forschungsergebnisse und vor allem den Zugang des "wunderbaren Bilderlesers" Hofmann zu Degas Werken, wenn man sich auf seine von Referenzen und "Worthuberei" beschwerte Gedanken einlassen könne. Degas, der gerne kräftige Frauen zweidimensional auf Leinwand bannte, ist für den Autor nicht, wie oft konstatiert, ein Impressionist, sondern ein Realist, ein "Maler der gesellschaftlichen Entfremdung". Großartig findet die Rezensentin die Präsentation der Werke, schade hingegen den dazugehörigen "Wörter- und Bildungsdschungel", der das Buch eigentlich nur für "hartgesottene Leser" empfehlenswert mache.
© Perlentaucher Medien GmbH
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