Frankreich, während des Ersten Weltkriegs: Der 15-jährige François verliebt sich in die drei Jahre ältere Marthe. Doch nicht nur der Altersunterschied ist heikel, denn Marthes Ehemann Jacques kämpft für sein Vaterland an der Front. Mit Leichtigkeit wickelt der Junge die verheiratete Frau um den
Finger. Als Marthe schwanger wird, steht sie vor einem Dilemma. Wie soll sie es ihrer Familie und ihrem…mehrFrankreich, während des Ersten Weltkriegs: Der 15-jährige François verliebt sich in die drei Jahre ältere Marthe. Doch nicht nur der Altersunterschied ist heikel, denn Marthes Ehemann Jacques kämpft für sein Vaterland an der Front. Mit Leichtigkeit wickelt der Junge die verheiratete Frau um den Finger. Als Marthe schwanger wird, steht sie vor einem Dilemma. Wie soll sie es ihrer Familie und ihrem Mann erklären, der immer mal wieder auf Heimaturlaub ist? Doch trotz der dramatischen Zuspitzung können die beiden einfach nicht voneinander lassen...
Raymond Radiguets "Den Teufel im Leib" erschien im Original erstmals 1923 - und damit nur kurz vor dem viel zu frühen Typhus-Tod des damals 20-jährigen Autors, der sein Werk bereits drei Jahre zuvor, also mit gerade einmal 17 Jahren, beendete. 100 Jahre später ist das Skandalpotenzial mit Sicherheit nicht mehr so hoch wie damals. Dennoch sollte es dem Pendragon Verlag gelingen, mit seiner liebevoll gestalteten Neuausgabe und -übersetzung für Aufmerksamkeit zu sorgen.
Denn der Verlag mit dem freundlichen kleinen Drachen im Logo gönnt dem Klassiker zu seinem 100-jährigen Bestehen nicht nur eine Neuübersetzung durch Hinrich Schmidt-Henkel, sondern versieht seine Ausgabe mit umfangreichen Anhängen wie Zeichnungen des Radiguet-Freundes Jean Cocteau, erstmals in deutscher Sprache veröffentlichten Texten Cocteaus sowie Gedichten und Briefen von Raymond Radiguet.
Ich-Erzähler François, dessen Name im gesamten Roman nie erwähnt wird, präsentiert sich gleich zu Beginn als zwölfjähriger Don Juan, dessen Liebesbrief an die Klassenkameradin allerdings noch nicht zum Erfolg führt. Der Ton für den Rest des Romans ist damit gleich gesetzt, denn nahezu alles dreht sich in "Den Teufel im Leib" im Folgenden um die Liebe zu Marthe. Das ist vor allem zu Beginn aufregend und zeigt deutlich die Gefühle und Verwirrungen der Jugend. Denn Radiguet schreibt so, wie sein Protagonist liebt. Wild und ohne Rücksicht auf Verluste. Manchmal lamentierend und wehleidig. "Meine Tränen brannten. Wenn eine davon auf ihre Hand fiel, war ich immer darauf gefasst, dass sie aufschrie", heißt es beispielsweise auf S. 55. Große Emotionen, die solche Liebesklassiker schon immer auszeichnete. Marthe selbst bleibt als Figur ein wenig blass, auch wenn sie, die Ehebrecherin, die noch dazu einen Soldaten betrügt, durchaus auch etwas Rebellisches an sich hat. Dennoch ist die Figur des Ich-Erzählers so dominant, dass Marthe es in ihrem Schatten schwer hat.
Zugegebenermaßen verliert sich der Roman mit der Zeit ein wenig in seinem immer gleichen Duktus. François präsentiert sich zunehmend unsympathisch, die beiden können ihre Beziehung trotz aller Widrigkeiten nicht beenden. Ein tragischer Ausgang ist früh zu erkennen. Und auch sprachlich sitzt nicht unbedingt jeder Vergleich, jede Stilblüte.
Man sollte das Ganze daher im historischen Kontext sehen und das Alter Radiguets berücksichtigen. Er war 17, als er diesen Roman schrieb. Mit 15 Jahren ging er von der Schule ab. Und "Den Teufel im Leib" schrieb er 1920, als es noch keine Popliteratur gab, keine Beat-Generation. Nur kurz nach dem Ersten Weltkrieg wagte es dieser Junge, die moralischen und gesellschaftlichen Normen und Werte einfach über den Haufen zu werfen. Das Buch ist Rebellion, Aufbegehren, Aufregung. Also alles, was die Literatur oft so gern sein möchte und es doch recht selten ist. Betrachtet man das Werk unter diesen Gesichtspunkten, ist es etwas Besonderes.
Mit "Den Teufel im Leib" beweist der Pendragon Verlag jedenfalls einmal mehr sein Herz für in Vergessenheit geratene und viel zu früh verstorbene Autoren, wie er es zuletzt durch mehrere Stephen Crane-Veröffentlichungen schon getan hat. Es ist dem Verlag und Raymond Radiguet zu wünschen, dass ein Funken seines Rebellentums auch auf die Leserschaft überspringen wird.