Goethes Leben ist so reich dokumentiert, sein Leben so vielschichtig, dass er leicht von allen möglichen Meinungsmachern vereinnahmt werden konnte. Für die Goethe-Gesellschaft etwa, 1885 in Weimar gegründet, war er schon vor der »Machtergreifung« 1933 weniger der aufgeklärte Humanist als vielmehr der konservative Nationalist, danach transportierte sie das Bild eines betont »braunen« Goethe noch vehementer. Schließlich wurde der Olympier breitspurig für Regimezwecke eingespannt. Die Privilegien einer vorgesehenen »Weltmission«, gepaart mit zunehmenden Verstrickungen, ergeben eine spannende dramatische Kurve.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Christoph Perels lernt bei W. Daniel Wilson, den reaktionären, antisemitischen Geist der Goethe-Gesellschaft zwischen 1933 und 1945 kennen. Die Quellenbasis, auf die sich Wilson stützt, wenn er einerseits nationalsozialistische Mitglieder mittels brieflicher Zeugnisse kaltstellt, andererseits bedrängten jüdischen Mitgliedern eine Stimme verleiht, findet Perels beeindruckend. Erschütternd erscheint ihm das Verhalten der Verantwortlichen von Adolf Bartels bis Hans Wahl und aufschlussreich die von Wilson herausgearbeitete Tatsache, dass es auch anders ging, in den von Weimar unabhängigen Ortsvereinigungen nämlich, wie der Rezensent erläutert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Wilsons Monographie leistet einen bedeutsamen und nachhaltig bedenkenswerten Beitrag zur Erkenntnis literatur- und verbandspolitischer wie auch kultur- und wissenschaftsgeschichtlicher Zusammenhänge. [...] Auf umfassender Materialbasis und mit detaillierten Kenntnissen der deutschen Gesellschafts- und Kulturgeschichte im 20. Jahrhundert zeichnet er die Geschicke der namhaften Literaturgesellschaft im Spannungsfeld von organisatorischem Eigensinn und politischen Lenkungsansprüchen nach. [...] Wilson zeigt eindrucksvoll, wie wichtig der Gang in die Archive und die Erschließung bislang unveröffentlichter Materialien ist. Ralf Klausnitzer Zeitschrift für Germanistik 20190410
