Das 19. Jahrhundert gilt Kulturhistorikern als das goldene Zeitalter der französischen Esskultur. Das gute Essen avanciert in der postrevolutionären Gesellschaft zu einem Lebens- und Wissensbereich, dem nunmehr die doppelte Weihe einer "art" und einer "science", künstlerischer Ästhetik und wissenschaftlicher Ratio verliehen wird. Diese Theoriebildung schlägt sich in einer umfangreichen "littérature gastronomique" nieder und drückt sich auch in der Erzählliteratur der Epoche aus, in der Romanciers wie Balzac, Flaubert, Zola und Maupassant dem modernen Gastromythos in zahlreichen Mahlzeitenbeschreibungen Tribut zollen. Die Kennzeichen dieser modernen Esskultur werden von den Romanciers in z. T. identifikatorischer Haltung, z. T. aber auch in desillusionistischer Sicht abgebildet, indem sie den zeitgenössischen "discours gastronomique" in ihre Werke aufnehmen und in spezifischer Weise weiterentwickeln, so dass die Mahlzeitenbeschreibungen der Erzählliteratur als literarischer Beitrag z ur Diskussion über die französische "gastronomie" gewertet werden können.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Für Heinrich Detering ist dieser Band "von geradezu ausschweifender Askese", womit er meint, dass die Autorin einerseits umfangreiches Material zur französischen Esskultur und ihrer Erwähnung in der Literatur zusammengetragen hat, andererseits jedoch diese Resultate hier sehr "nüchtern" präsentiert. Die literarischen Werke erscheinen in dieser Darstellung, wie der Leser erfährt, "nicht so sehr als Kunstwerke", sondern vielmehr als "Teile eines discours gastronomique", so dass man bei Flaubert und Balzac (leider nicht bei Proust, wie der Rezensent bedauert) so allerhand erfährt über Tischsitten, Markthallen, Tafeldekorationen und Süßspeisen. In dieser Hinsicht findet Detering diese Studie sehr ergiebig, doch vermisst er ein Eingehen auf die "literarischen Zusammenhänge" und eine "semiologische Auswertung". Insgesamt jedoch zeigt sich der Rezensent durchaus beeindruckt von der Fülle des Materials und seiner anschaulichen Aufbereitung.
© Perlentaucher Medien GmbH
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