»Er gefällt mir außerordentlich gut und wir fanden uns recht viel zu sagen« schrieb Gershom Scholem 1938 an Walter Benjamin. Mit »Er« ist Theodor W. Adorno gemeint, den Scholem kurz zuvor in New York persönlich kennengelernt hatte. Es war der Beginn einer 30 Jahre währenden intellektuellen und freundschaftlichen Beziehung. Und der Auftakt für eine mehr als 200 Briefe umfassende Korrespondenz, die eine ganze Epoche deutsch-jüdischer Geistesgeschichte auf eindrucksvolle Weise dokumentiert und nun erstmals vollständig veröffentlicht wird.Biographisches spielt in dem äußerst intensiv geführten…mehr
»Er gefällt mir außerordentlich gut und wir fanden uns recht viel zu sagen« schrieb Gershom Scholem 1938 an Walter Benjamin. Mit »Er« ist Theodor W. Adorno gemeint, den Scholem kurz zuvor in New York persönlich kennengelernt hatte. Es war der Beginn einer 30 Jahre währenden intellektuellen und freundschaftlichen Beziehung. Und der Auftakt für eine mehr als 200 Briefe umfassende Korrespondenz, die eine ganze Epoche deutsch-jüdischer Geistesgeschichte auf eindrucksvolle Weise dokumentiert und nun erstmals vollständig veröffentlicht wird.Biographisches spielt in dem äußerst intensiv geführten Briefwechsel ebenso eine Rolle wie philosophisch-theologische Fragestellungen. Adorno zeigt großes Interesse an jüdischem Denken und liefert scharfsinnige Analysen der Schriften Scholems. Scholem wiederum kommentiert die Neuerscheinungen Adornos und erweist sich als profunder Kenner der zeitgenössischen Philosophie. Um Mystik und Dialektik, Erlösung und Messianismus, Mythos und Aufklärung kreisen ihre Diskussionen, außerdem um Arendt und Marcuse, Heidegger und Bloch, Buber und Lukács. Auch die Tagespolitik kommt zur Sprache, etwa die Situation im Nahen Osten oder die beginnende Studentenrevolte. Fixstern der Korrespondenz ist aber der gemeinsame Freund Walter Benjamin, der wie kein Zweiter für das Schicksal der deutsch-jüdischen Intellektuellen im 20. Jahrhundert steht.
Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Autorenporträt
Adorno, Theodor W.Theodor W. Adorno wurde am 11. September 1903 in Frankfurt am Main geboren und starb am 06. August 1969 während eines Ferienaufenthalts in Visp/Wallis an den Folgen eines Herzinfarkts. Von 1921 bis 1923 studierte er in Frankfurt Philosophie, Soziologie, Psychologie und Musikwissenschaft und promovierte 1924 über Die Transzendenz des Dinglichen und Noematischen in Husserls Phänomenologie. Bereits während seiner Schulzeit schloss er Freundschaft mit Siegfried Kracauer und während seines Studiums mit Max Horkheimer und Walter Benjamin. Mit ihnen zählt Adorno zu den wichtigsten Vertretern der »Frankfurter Schule«, die aus dem Institut für Sozialforschung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt hervorging. Sämtliche Werke Adornos sind im Suhrkamp Verlag erschienen.
Rezensionen
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Mit großer Sympathie, sehr konzentriert und gestützt durch persönliche Erinnerungen an die Autoren bespricht Jürgen Habermas himself diesen Briefwechsel, der auf ein von Walter Benjamin aus dem Pariser Exil vermittelten erstes Treffen Scholems und Adornos in New York zurückgeht und bis zu Adornos Tod fortgesetzt wurde. Benjamin bildet die klare Mitte dieser Briefe, so Habermas, einerseits gewissermaßen organisatorisch, denn beide arbeiten daran, den total vergessenen Benjamin in der Nachkriegszeit wieder bekannt zu machen - der Suhrkamp Verlag musste sozusagen zu einer ersten Benjamin-Ausgabe erpresst werden, erzählt Habermas - und ihn dabei "anderen Geistern, die Benjamins Gestirn ebenfalls umkreisten" (womit Hannah Arendt gemeint sein dürfte), zu entreißen, aber andererseits auch inhaltlich: Und hier liegt die ganz und gar Habermassche Aktualität der Briefe, denn beiden liegt daran, "die dumpfe Immanenz eines alle Lebensbezirke durchdringenden Kapitalismus" zu überwinden, beide suchen auf ihre Art nach Rettungsankern in der Metaphysik und finden ihre Inspiration dazu bei Benjamin, über dessen Flirt mit Brecht und dem Kommunismus sie darum beide die Nase rümpfen. En passant lobt Habermas die Ausgabe der Briefe und die sorgfältigen Kommentare ihres Herausgebers.