„Das Leben ist so ähnlich wie eine Socke mit Löchern drin. Wir können die Löcher darin wieder flicken, indem wir es zusammen mit unseren Liebsten tun.“
Der Jugendroman „Der Regenzaubermarkt“, von You Yeong-Gwang, erschienen am 17. September diesen Jahres im ueberreuter-Verlag, regt auf 307 Seiten
zum Nachdenken, aber auch zum Einkuscheln an. Eine Feelgood-Geschichte, die uns vor Augen führt,…mehr„Das Leben ist so ähnlich wie eine Socke mit Löchern drin. Wir können die Löcher darin wieder flicken, indem wir es zusammen mit unseren Liebsten tun.“
Der Jugendroman „Der Regenzaubermarkt“, von You Yeong-Gwang, erschienen am 17. September diesen Jahres im ueberreuter-Verlag, regt auf 307 Seiten zum Nachdenken, aber auch zum Einkuscheln an. Eine Feelgood-Geschichte, die uns vor Augen führt, wieviel Glück wir eigentlich haben.
Serin, unsere Protagonistin, ist mit ihrem Leben nicht zufrieden. Sie und ihre Mutter leben allein, da ihre Schwester fortgelaufen und ihr Vater verunglückt war, als sie noch klein war. Sie ist arm und hat keine Freunde – nicht einmal ein Studium kann sie sich leisten. Deshalb entschließt sie sich, einen Brief an den Regenzaubermarkt zu schreiben. Dort können Menschen ihr Unglück verkaufen und nach einem besseren Leben suchen. Tatsächlich erhält sie per Post ein Ticket und macht sich bald auf den Weg. Gemeinsam mit der magischen Katze Isha sucht sie nach der Murmel, die das Leben enthält, was sie sich wünscht. Aber das ist gar nicht so einfach. Es stellt sich heraus, dass alle Leben, so perfekt sie auch auf den ersten Blick scheinen, Nachteile mit sich bringen. Serin bleibt nicht viel Zeit herauszufinden, was ihr wirklich wichtig ist: Wenn sie bis zum Ende der Regenzeit keine Wahl getroffen hat, wird sie für immer verschwinden…
Der Regenzaubermarkt überrascht mit Märchen-Elementen wie einer Moral, wiederholten Handlungen und Erklärungen für alltägliche Phänomene. So stehlen die Dokebis; koboldartige Wesen, die in der Welt des Regenzaubermarktes zuhause sind, den Menschen allerlei Eigenschaften: sowohl gute als auch schlechte, darunter zum Beispiel die Neugier oder Drang, aufzugeben. Einige Aspekte wie zum Beispiel die Uhr, die nicht mit Sand, sondern Regenwasser gefüllt ist, überzeugen zusätzlich durch ihre Originalität. Ein wenig Spannung fehlt ebenfalls nicht, denn Serin wird auf ihrer Suche nach den Dokebi-Murmeln verfolgt. Wieso nur? Das erfahren wir erst am Ende der Geschichte, die außerdem einen überraschenden Plottwist mit sich bringt. Die Charaktere sind drollig, vor allem diejenigen, die eine größere Rolle innehaben, wie etwa die magische Katze Isha. Zeitweise erinnerte mich die Geschichte vom Gefühl her an die verkehrte Welt von Alice im Wunderland, die bereits etliche Leser aller Altersklassen in ihren Bann ziehen konnte. Ich würde das Buch schlussendlich als „whimsical mystery“ beschreiben. Dennoch hat die Geschichte mich auch sehr berührt.
Ein wenig fraglich bleibt allerdings, ob das Buch tatsächlich für Kinder geeignet ist, oder doch eher für etwas ältere Jugendliche. Ich nehme nichts vor Weg, aber es gibt im Konkreten eine Szene, in der Selbstverletzungen und Suizidgedanken behandelt werden. Außerdem werden einige Kampfhandlungen sehr gewalttätig beschrieben. Das bunte Cover mit dem etwas kindlichen Zeichenstil, die großen Seitenabstände, das Alter der Protagonistin und nicht zuletzt die Altersempfehlung (ab 12 Jahren) lassen aber durchaus vermuten, dass sich der Autor an Kinder richtet. Aufmerksamen Lesern wird auch ein etwas außergewöhnlicher Schreibstil auffallen – das liegt vermutlich daran, dass es sich um eine Übersetzung aus dem Koreanischen handelt. Dennoch muss man sich an die Satzformulierungen erst einmal gewöhnen, bevor man schließlich in die Geschichte eintaucht. Nebencharaktere wirken leider nicht so vielschichtig, wie in manchen anderen Romanen, vermutlich allerdings auch, da der Fokus hier auf der zentralen Message liegt. Leider bleiben auch nach dem Lesen der letzten Seite noch einige Fragen offen, was zum Beispiel die genaue Motivation des Bösewichts betrifft, oder weshalb einige Charaktere überhaupt plötzlich vor Ort sind, die nicht beantwortet oder erklärt werden. Die Geschichte schließt jedoch ohne jeden Cliffhanger und es ist klar ersichtlich, dass keine Fortsetzung angedacht ist, sondern „Der Regenzaubermarkt“ ein Stand-alone bleiben wird.
Alles in allem hat mir die Geschichte gut gefallen, auch wenn nicht immer alle Handlungen der Charaktere schlüssig waren und einige Aspekte einfach nicht erklärt wurden. Hat man sich erst einmal auf das Buch eingelassen, liest es sich wie ein Märchen aus der Kindheit. Trotzdem wird es dabei nicht langweilig, denn das Geheimnis, das Serin aufklären muss, hat mich fesseln können und auch den Plottwist habe ich nicht vorhergesehen. Problematisch bleibt für mich nach wie vor die bereits angesprochene Szene, die das Thema der Selbstverletzung berührt. Meiner Meinung nach gehört so etwas keineswegs in ein Kinderbuch, erst recht nicht, ohne einen Hinweis vorne im Buch, denn es kann ungeahnten Schaden anrichten – und das nicht nur bei jüngeren Lesern.
Ich empfehle „Der Regenzaubermarkt“ somit älteren Jugendlichen und Erwachsenen, die Lust auf ein eingängiges cozy Abenteuer im verregneten Herbst oder April haben.