Egoismus versus Altruismus
„Wo das soziale Gefüge intakt ist, leben die Menschen glücklicher“ (491) und „Die meisten Befragten gaben an, dass nichts die Freude aufwiegen könne, die Ihnen ihr freiwilliges Engagement bereite“ (488), schreibt Stefan Klein in „Die Glücksformel“. Damit benennt er
Voraussetzungen für ein glückliches Leben. Ob bzw. inwieweit wir es hier mit Altruismus oder…mehrEgoismus versus Altruismus
„Wo das soziale Gefüge intakt ist, leben die Menschen glücklicher“ (491) und „Die meisten Befragten gaben an, dass nichts die Freude aufwiegen könne, die Ihnen ihr freiwilliges Engagement bereite“ (488), schreibt Stefan Klein in „Die Glücksformel“. Damit benennt er Voraussetzungen für ein glückliches Leben. Ob bzw. inwieweit wir es hier mit Altruismus oder (verborgenem) Egoismus zu tun haben, wird in „Die Glücksformel“ nicht untersucht. Diesem Thema widmet sich Autor Klein in „Der Sinn des Gebens“.
Ist Altruismus angeboren? Fakt ist, so die Hirnforschung, dass es sich gut anfühlt, großherzig zu sein. Ob angeboren oder anerzogen, die Hilfreichen innerhalb einer Gruppe stellen sich schlechter als die Egoisten, erkannte Darwin und befand sich in einem Dilemma. Altruismus nur auf Verwandte zu beziehen (William Hamilton), blendet Teile der Realität aus und greift damit zu kurz. Das Dilemma löste George Price: „Der Nachteil, den die Selbstlosen in der Gruppe hinnehmen müssen, lässt sich nämlich durch den Vorteil, den sie ihrer Gruppe als Ganzes verschaffen, mehr als ausgleichen“ (189/190). Es gibt einen Wettbewerb nicht nur innerhalb einer Gruppe, sondern auch zwischen verschiedenen Gruppen. Die Selektion findet auf mehreren Ebenen statt, die richtige Balance zwischen Altruismus und Egoismus ist gefragt.
Hinsichtlich der Einschätzung von Altruismus in der Tierwelt sind Kleins Aussagen erläuterungsbedürftig. In „Der Sinn des Gebens“ schreibt er: „Freiwillig teilen Schimpansen so gut wie nie“ (148) und „Auch sonst erinnert das Verhalten der Schimpansen verdächtig an den Homo oeconomicus, jenen perfekten Egoisten, den die Wirtschaftswissenschaftler als Idealbild des Menschen ansehen“ (149). Abweichend äußert sich Klein in „Die Glücksformel“: „Altruismus ist nicht so sehr eine Errungenschaft der menschlichen Kultur, sondern eine Leistung des jüngeren Säugetiergehirns, zu der auch andere Geschöpfe imstande sind. Vor allem bei Affen haben Verhaltensforscher wie der holländische Primatologe Frans de Waal umfangreiche Belege für diese These gesammelt: Schimpansenfrauen stehen einander bei der Geburt bei, junge Schimpansen beiderlei Geschlechts halten gegen ein tyrannisches Alphamännchen zusammen, und kranke Tiere in der Gruppe werden gepflegt“ (169/170). Hier wäre eine Synthese hilfreich, wie diese Aussagen denn vereinbar sind.
Vertrauen lohnt sich, wie auch schon Unternehmensberater Reinhard Sprenger in „Vertrauen führt“ plausibel erläutert hat. „Unsere Beziehungen wirken wie ein Resonanzkörper – alles, was wir tun, wird in ihnen verstärkt. Wohlwollen bringt neue Akte des Wohlwollens hervor; das Vertrauen zwischen den Menschen nimmt zu“ (282). Das gilt analog auch für die andere Richtung.
Das Buch ist, wie Stefan Klein in der Einleitung erläutert, eine Einladung, die freundliche Seite unseres Wesens zu erkunden. Es beschreibt mehr den Dr. Jekyll und weniger den Mr. Hyde. Vielleicht folgt ja ein weiteres Buch über die dunkle Seite des Menschen. Stefan Klein ist ein großartiger Wissensvermittler, wie er auch schon in „Alles Zufall“ und „Die Glücksformel“ bewiesen hat. Er schreibt verständlich und versteht es, die Leser neugierig zu machen und in seinen Bann zu ziehen.