Marktplatzangebote
11 Angebote ab € 1,47 €
  • Gebundenes Buch

1 Kundenbewertung

Ein hintergründiger Roman über deutsche Befindlichkeiten und sensible Künstlerseelen.
Der Lyriker Henry Steiger war in der DDR ein Star. Dann kam die Wende und mit ihr ein unsanftes Erwachen. Im Westen liest niemand Gedichte, sagt sein Verleger und rät zu einem Liebesroman. Aber Henry hält Prosa für unter seiner Würde. Bis die junge West-Kollegin Sidonie seine Phantasie beflügelt. Ein deutsch-deutscher Roman, der der Welt der DDR die raue Wirklichkeit nach der Wende gegenüberstellt, treffsicher und voll subtiler Komik.
Für Henry Steiger bedeutet die Wende 1989 nicht nur Befreiung. Der so
…mehr

Produktbeschreibung
Ein hintergründiger Roman über deutsche Befindlichkeiten und sensible Künstlerseelen.

Der Lyriker Henry Steiger war in der DDR ein Star. Dann kam die Wende und mit ihr ein unsanftes Erwachen. Im Westen liest niemand Gedichte, sagt sein Verleger und rät zu einem Liebesroman. Aber Henry hält Prosa für unter seiner Würde. Bis die junge West-Kollegin Sidonie seine Phantasie beflügelt. Ein deutsch-deutscher Roman, der der Welt der DDR die raue Wirklichkeit nach der Wende gegenüberstellt, treffsicher und voll subtiler Komik.

Für Henry Steiger bedeutet die Wende 1989 nicht nur Befreiung. Der so eigensinnige wie angesehene DDR-Lyriker ist nun ein auf Stipendien angewiesener Hungerkünstler. Ein alter silberner Porsche ist das letzte Relikt der Hoffnung, den Ruhm in die neue Zeit retten zu können. In Wahrheit steckt Henry in einer Lebenskrise. Mit anderen Stipendiaten führt er in einer Künstlerenklave bei billigem Wein lächerliche Kämpfe um die wahre Kunst, buhlt um jeden Rock und trauert seinem alten Status hinterher. In Dichterliebe fragt Petra Morsbach ernst und ironisch zugleich nach dem Platz des Künstlers in der Gesellschaft. Dabei gelingt ihr ein überraschend klarer und humorvoller Blick zurück auf eine vermeintlich "gute alte Zeit", als die Welt, auch die der Literatur, noch in Ordnung schien.
Autorenporträt
Petra Morsbach, 1956 geboren, studierte im München und St. Petersburg. Nach ihrer Promotion über Isaak Babel hat sie zehn Jahre lang hauptsächlich als Dramaturgin und Regisseurin gearbeitet und lebt heute als freie Schriftstellerin in der Nähe von München. Für ihr belletristisches Werk wurde Petra Morsbach 2001 mit dem renommierten Marieluise-Fleißer-Preis ausgezeichnet und 2007 mit dem Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung. 2013 erhielt sie den Jean-Paul-Preis des Freistaats Bayern.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Ein leichtes, kluges Buch über das Scheitern im Mittelmaß hat Angelika Overath gelesen. Die Geschichte des alternden Lyrikers Henry zwischen Gnadenstipendium, Rotwein und pragmatischer Freundin fängt Petra Morsbach laut Rezensentin mal sinnlich, mal mit Kühle und Witz, aber immer milieugenau ein und entkommt so manchem lauernden Klischee. Der larmoyante Henry wird Overath schließlich richtig sympathisch, auch weil die Autorin Sinn für Slapstick beweist und für pointengeladene Dialoge aus dem Künstlerdorf.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.06.2013

Bergauf stürmen, bergab trotten

Im Wahn hat der Poet seine beste Zeit: Petra Morsbach hat mit "Dichterliebe" einen Künstlerroman geschrieben, der zeigt, wie schrecklich schnell der Dichterlorbeer welken kann.

Als Petra Morsbachs grandioser Debütroman "Und plötzlich ist es Abend" erschien, galt sie als heimliche Hoffnung der deutschen Literatur. Das ist mittlerweile achtzehn Jahre her. Seitdem hat die Autorin fünf ebenfalls sehr gute Romane veröffentlicht und einen bemerkenswerten Essayband über die tieferliegenden Wahrheiten des Erzählens mit dem Titel "Warum Fräulein Laura freundlich war". Trotzdem ist es um Petra Morsbach immer stiller geworden. Auf den allfälligen Long- und Shortlists fehlt ihr Name, sie ist in den letzten zehn Jahren zwar mit vielen Stipendienaufenthalten, aber mit keinem größeren Literaturpreis bedacht worden, und ihr neuer Roman wurde bisher nur sporadisch rezensiert. Dabei ist dies ein Buch, das auf subtile und fesselnde Weise viel über die Literatur, ihre Entstehung und ihre Rezeption erzählt.

"Dichterliebe" handelt von Heinrich "Henry" Steiger, einem abgehalfterten Poeten aus der ehemaligen DDR, der einst bekannt, geehrt und erfolgreich war, dem aber nun, wenige Jahre nach der Wende, von dem früheren Status nichts geblieben ist außer einem klapprigen silbernen Porsche, dessen Versicherung er kaum mehr zahlen kann, zwiespältigen Erinnerungen an ehemalige Geliebte, Freunde und Weggefährten und schier unerschöpflichem Selbstmitleid. Die Integration in den westdeutschen Literaturbetrieb, die anfangs so natürlich wie einfach schien, hat sich als beklemmend schwierig erwiesen, denn nicht nur die Erfahrungen, auch die Stile und Literaturauffassungen klaffen auseinander. Henry läuft über vor Enttäuschung, Zynismus und Bitterkeit und klagt jedem, der zuhört, sein Leid: zerbrochene Ehe, Psychiatrieaufenthalt, Autounfall mit Promille, Umzug von Halle nach Speyer, dennoch allgemeine Halt-, Ort- und Ratlosigkeit. Sein Lieblingspublikum für diese Jammerorgien wird die junge und noch unverdrossene Westautorin Sidonie Fellgiebel, der Neuzugang auf dem norddeutschen Künstlergehöft des Mäzens Gabriel Herzgeber (Morsbach hat ein Faible für sprechende Namen), dem auch Henry sein Aufenthaltsstipendium samt tausendfünfhundert Mark Monatsgeld verdankt - wenngleich er darüber keine Dankbarkeit empfinden kann. Sidonie, deren literarische Versuche er für unter seiner Würde hält, deren zupackender Pragmatismus ihm aber immer mehr als letzte Rettung erscheint, wird unversehens zu seiner Muse, nachdem sie ihm erst hilft, Ordnung in sein finanzielles Chaos zu bringen, und später unwissentlich dazu beiträgt, dass er zwei Lesereisen und eine Prügelei übersteht. Für Sidonies Zuneigung wäre Henry Steiger sogar bereit, weniger zu trinken - doch anders als uns ist ihm die Aussichtslosigkeit dieses Wunsches nur vage bewusst.

Der Untergang der DDR war das Beste, was der deutschen Literatur passieren konnte. Immer wieder beschäftigen sich Romanciers mit den privaten Wirklichkeiten im real existiert habenden Sozialismus, zuletzt unter anderen Jochen Schmidt in "Schneckenmühle", Torsten Schulz in "Nilowsky" oder Birk Meinhardt in "Brüder und Schwestern". Indem sie ihr Buch fünf Jahre nach dem Mauerfall ansiedelt und ihren Protagonisten auf der Schwelle von Alter und Verfall, Bedeutungsverlust und Armut, Selbstillusion und Verzweiflung, hat sich Petra Morsbach ein literarisch bisher wenig erforschtes Zwischenreich ausgesucht. In Rückblicken, die den dritten und letzten Teil zum stärksten des Romans machen, erfahren wir Näheres über Henry Steigers Werdegang, von seiner zu DDR-Zeiten nicht unpraktischen Herkunft aus einer erzgebirgischen Bergmannsfamilie bis hin zu seinen Stasi-Erfahrungen und dem Versuch, den Begehrlichkeiten der Zensur zu widerstehen. Aber diese Rückschau auf seine Ursprünge und das, was daraus wurde, hat nichts Verklärtes: "Ich hatte als sozialistischer Jungdichter mit meiner Bergmannsfamilie punkten können. Meine Dichtung, sofern sie mir etwas bedeutet, hat mit dem Erzgebirge nichts zu tun. Das Erzgebirge nutzte ich, weil die proletarischen Anklänge bei den Funktionären Erfolg hatten, und da mir der Funktionärserfolg peinlich war, tat ich es insgeheim parodistisch."

Es sind gerade solche kleinen Beobachtungen und intimen Details, die Petra Morsbachs Dichterporträt so überzeugend machen - davon abgesehen, dass sie eine glänzende, völlig unaffektierte Erzählerin ist. Beim Gang durch eine Kleinstadt in Brandenburg registriert Henry Veränderungen: "Der Konsum heißt jetzt Aldi, der Wurstbräter Ali, das ist ein Türke mit Drehspieß. Auf dem Rückweg zur Burg finde ich sogar einen Friseur, Tina's Haarstudio. Ich schaudere vor dem angeblichen DDR-Apostroph, kann ihn selbst nicht mehr lesen, ohne mich zu schämen, und schäme mich meiner Scham." Denn auch wenn er zu DDR-Zeiten bereits Preise im Westen bekam, P.E.N.-Mitglied war und seine Lesungen immer auch erotische Ausflugsmöglichkeiten boten, ist Steiger trotz seines Bedeutungsverlusts nicht so naiv, die angeblich gute alte Zeit tatsächlich für eine solche zu halten. Einmal, in einem letzten Versuch, Sidonie doch noch für sich zu gewinnen, sagt er es sogar: "Was ich geschrieben habe, ist epigonal. Provinzieller DDR-Schrott. In zehn Jahren wird keiner meinen Namen mehr kennen. Ich halte nicht, was ich verspreche." Kein Wunder, dass Steiger, wenn er angeben will, lieber aus fremden statt aus eigenen Werken zitiert.

Indem sie ihrem literatur-, liebes- und letztlich lebensmürben Egozentriker Verse von bekannten DDR-Dichtern wie Volker Braun, Wolfgang Hilbig und Wulf Kirsten an die Seite stellt, vermisst Petra Morsbach dezent die Fallhöhe, die Henry Steiger zurückgelegt hat. Dabei ist er immer noch nicht ganz unten angekommen. Ganz wie Morsbachs "Opernroman" (1998) und "Der Cembalospieler" (2008) ist auch "Dichterliebe" ein Künstlerroman, der erkundet, unter welch schwierigen Bedingungen mitunter jene Werke entstehen, die der nichtsahnende Leser genüsslich in Händen hält.

Dabei geht die Autorin gänzlich unsentimental vor, was ihr vielleicht so gut gelingt, weil sie selbst nicht aus der DDR stammt. Die Gespräche unter den Stipendiaten - "Künstlerdarsteller" nennt Henry sie bei sich - über Kultur und Kommerz sind so entlarvend wie komisch, ebenso wie Henrys demonstrative Überheblichkeit bei gleichzeitiger uneingestandener Schreibblockade. "Einst stürmten wir bergauf, jetzt trotten wir bergab, dichtete Robert Burns. Lässt sich daraus gar nichts machen?" So sinniert Henry einmal, um gleich darauf in seine eingeübte zynische Defensive zurückzufallen: Beim Bergabgehen "kämpft man nicht mehr um Atem und Höhe. Man sieht die Gesichter derer, die entgegenkommen: ihre frohe Erwartung. Ihre Besessenheit." Petra Morsbach, daran lässt dieser intelligente Hochgesang auf einen Absteiger keinen Zweifel, hat nicht das Tal, sondern den Gipfel im Blick.

FELICITAS VON LOVENBERG.

Petra Morsbach: "Dichterliebe". Roman.

Knaus Verlag, München 2013. 286 S., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
"Der originellste Ost-Roman der Saison" Die Zeit, Alexander Cammann