„Die vielfältigen Quellen, aus denen das destruktive Verhalten der Umwelt gegenüber gespeist wird, aufzudecken, ist vorrangiges Ziel dieses Buches.“ An diesem Zitat wird eines deutlich: Bernhard Verbeek macht da weiter, wo Hoimar von Ditfurth 1989 aufgehört hat. Ähnlich wie von Ditfurth geht Verbeek
interdisziplinär an die Themen heran. Ein parzelliertes Wissenschaftssystem mag Konflikte…mehr„Die vielfältigen Quellen, aus denen das destruktive Verhalten der Umwelt gegenüber gespeist wird, aufzudecken, ist vorrangiges Ziel dieses Buches.“ An diesem Zitat wird eines deutlich: Bernhard Verbeek macht da weiter, wo Hoimar von Ditfurth 1989 aufgehört hat. Ähnlich wie von Ditfurth geht Verbeek interdisziplinär an die Themen heran. Ein parzelliertes Wissenschaftssystem mag Konflikte minimieren, es wird dem Wesen der Natur aber nicht gerecht.
Autor Verbeek ist Naturwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Biologie und betrachtet das Thema Umweltzerstörung vor dem Hintergrund der Evolution. Er lehrte bis 2004 an der Universität Dortmund und ist ein Aufklärer wie von Ditfurth. Das Buch gliedert sich in die drei Teile „Eigenheiten der Evolution“, „Eigenheiten des Menschen“ und „Evolution auf der Metaebene“. Die Parabel am Schluss des Buches bringt die Situation des Menschen auf den Punkt.
Im ersten Teil erläutert Verbeek Grenzen der Erkenntnis und geht auf die Evolutionäre Erkenntnistheorie ein. Diese ist verknüpft mit Namen wie Lorenz, Vollmer und von Ditfurth. Verbeek führt hier auch Maturana und Varela auf, die meines Erachtens wegen ihres konstruktivistischen Ansatzes eine andere Richtung vertreten („Der Baum der Erkenntnis“). Der evolutionsbiologische Denkansatz bei der Analyse der Umweltzerstörung ist nicht nur hilfreich, sondern unverzichtbar. Ordnung, Gleichgewicht, Kreisprozesse, Wettkampf und Kooperation sind Themen, denen sich Verbeek widmet. Eine Loslösung der Noosphäre von der Materie, wie Teilhard de Chardin sie vorgeschlagen hat, dürfte eine Illusion bleiben.
Der Mensch ist „die Spezies mit dem verheerenden Überlebenserfolg“, so der Autor zu Beginn des zweiten Teils des Buches. Dagegen sind 99,9% aller Arten ausgestorben und die Aussterberate ist heute um ein Vielfaches höher, als zu archaischen Zeiten. Der Energiebedarf ist grenzenlos. Der Erfolg des Menschen hat auch etwas mit seinem asymmetrischen Realitätssinn zu tun. Realisten findet man einer Studie zufolge vorzugsweise bei den Depressiven, denn Wahrheit macht krank. Religion, Illusion und Aberglaube zählen zu den Strategien des Menschen. Dabei wird häufig Koinzidenz mit Kausalität verwechselt. Hinsichtlich der Wertesysteme gilt, dass ein archimedischer Punkt fehlt. Wozu der Mensch fähig ist, wenn ihm (scheinbar) Verantwortung abgenommen wird, machen die Experimente von Milgram deutlich. Illusion, Autorität und Macht können eine gefährliche Symbiose eingehen.
Evolution ist mehr als ein biologisches Phänomen. Verbeek zeichnet im dritten Teil des Buches ein Bild von den Genen bis zu den Ökosystemen. Auch die Kultur ist ein Produkt der Evolution. Der Autor erläutert das (sehr wohl umstrittene) Konzept der Meme. Ob Metavernunft oder eine neue Ethik hilft, ist alles schon diskutiert worden. Es mangelt an Rezepten, wie denn die evolutionsbiologischen Zwänge durchbrochen werden können. So gesehen besteht das Buch auch zu einem großen Teil aus Situationsbeschreibung und Analyse und nur zu einem kleinen Teil aus Vorschlägen, wie wir den Kurs denn verändern können.
Das Buch ist von 1990. Sind wir heute schlauer geworden? Wir sind Weltmeister im Analysieren aber nicht im Lösen von Problemen. Fracking in den USA und demnächst in Deutschland oder der extreme Smog in Peking beweisen das Gegenteil. Zwanzig Jahre später verfügen wir über genauere Daten und erweiterte Erklärungsmodelle, aber von einer Lösung der Auswirkungen der Umweltzerstörung sind wir meilenweit entfernt. Watzlawick sprach einst davon, dass man notfalls die Bewertung eines Problems verändern muss, wenn man ein Problem nicht lösen kann. Das mag für Einzeltherapien in einer psychotherapeutischen Praxis ein wertvoller Tipp sein, im Hinblick auf die globale Umweltzerstörung hilft das nicht.