Selbst wer einmal eine Führung in Roms Katakomben mitgemacht hat, ahnt nicht im Ansatz, wie gigantisch die unterirdischen Anlagen in Wahrheit sind. Und wie viele es davon gibt. Lange nicht alle sind öffentlich zugänglich und wären die Rundtouren nicht abgesichert und geführt, man könnte sich
problemlos verlaufen und nie wieder herausfinden.
„Die christlichen Katakomben in Rom“ ist nun bereits…mehrSelbst wer einmal eine Führung in Roms Katakomben mitgemacht hat, ahnt nicht im Ansatz, wie gigantisch die unterirdischen Anlagen in Wahrheit sind. Und wie viele es davon gibt. Lange nicht alle sind öffentlich zugänglich und wären die Rundtouren nicht abgesichert und geführt, man könnte sich problemlos verlaufen und nie wieder herausfinden.
„Die christlichen Katakomben in Rom“ ist nun bereits in dritter Auflage erschienen, die letzte war 2009 und ist schon länger vergriffen, aber bereits in dieser vergleichsweise kurzen Zeit gab es zahlreiche neue Entdeckungen, die inhaltlich einflossen und auch das Bildmaterial wurde für die Neuauflage umfassend aktualisiert.
Der Band untersucht systematisch die Entwicklungen bis etwa in die Mitte des 5. Jahrhunderts, als die Katakomben aufgegeben wurden. Viele Irrtümer und Mythen werden dabei begraben: Die Nutzungsgeschichte ist weitaus komplexer als das Märchen vom angeblichen „Rückzugsort verfolgter Christen“. Die Forschung erkennt heute mehrere Nutzungsepochen mit unterschiedlichen Ausrichtungen. Auch die gesellschaftlichen Entwicklungen spiegeln sich in den Gräbern wider, von der extrem egalitären Gemeinschaft der frühen Christen hin zu einer deutlich hierarchisierten Grabausstattung in späteren Jahren. Unter Papst Damasius wurde das Märtyrertum dann systematisch zur religions- und machtpolitischen Option. Als Folge der gewaltsamen Migration im 5. Jahrhundert, bei der zahlreiche Gräber verwüstet wurden, überführte man die heiligen Reliquien dann aus den unterirdischen Katakomben in Kirchen und Krypten Roms (und darüber hinaus) und die Labyrinthe verfielen, bis sie in der Renaissance wiederentdeckt wurden. Der Prozess dauert bis heute an, es gibt immer noch neue Entdeckungen.
Der Band zeigt nicht nur die Komplexität der Anlagen, sondern er führt den Leser auch an Orte, die oftmals nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Man bekommt daher einen umfassenderen Eindruck, als wenn man selber vor Ort wäre. Die zahlreichen kulturhistorischen und epigrafischen Hintergrundinformationen sind hervorragend aufbereitet, sehr systematisch, anschaulich und offenbar von führenden Experten zusammengestellt, die oft auch selber an den aktuellen Forschungen beteiligt waren. Gerade die Inschriften geben dabei ein besonders vielschichtiges Bild der frühchristlichen Gesellschaften und erlauben erstaunlich detaillierte Schlüsse, teilweise auch über privateste Dinge, die sonst kaum dokumentiert sind.
Wer eine umfassende, fachlich qualifizierte, aber dennoch auch für Laien gut lesbare Monografie zum Thema sucht, der wird auf dem Buchmarkt derzeit nichts besseres finden.