Die Entdeckung Amerikas fällt in das Jahr 1890 - das heißt: in diesem Jahr beginnt eine Generation europäischer Intellektueller zu bemerken, daß Europa nicht mehr der Mittelpunkt der Weltgeschichte ist. Es ist zugleich der Zeitpunkt, zu dem der Alte Kontinent, ermüdet von den sozialen und kulturellen Auseinandersetzungen des 19. Jahrhunderts, der bürgerlichen Kultur und ihrer Trägerschicht, dem Bürgertum, den Totenschein ausstellt. »Kulturuntergangsstimmung« macht sich breit: Es beginnt ein tiefgreifender Wandel des europäischen Selbstverständnisses.Die bange Frage nach der Zukunft Europas angesichts der weltpolitischen Bedeutung der Vereinigten Staaten wie auch das geschichtsphilosophisch motivierte Krisenbewußtsein sind zwei Seiten derselben Medaille. Deshalb ist die »Entdeckung« Amerikas eine »Erfindung«. Die Frage lautet nicht, was und wie Amerika ist, sondern was es für Europa bedeutet. Das geschichtsphilosophisch motivierte Interesse schließt konkrete Landeskunde geradezu aus. Amerika wird zum Thema, indem man es erfindet - und zugleich verdrängt.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Offensichtlich mit großem Gewinn hat Kersten Knipp Kamphausens Studie zur "Erfindung Amerikas" gelesen. Schließlich habe sich die "Generation 1890" zum ersten Mal die Frage stellen müssen, woher die USA ihre gewaltige Dynamik bezog, während die europäischen Kräfte mehr und mehr zum Stillstand kamen. Ihre Antwort respektive ihre Rechtfertigung war: Amerika sei das Land des Handelns, nicht der Reflexion. Damit haben die deutschen Intellektuellen um die Jahrhundertwende, so Knipp, den Grundstein für das negative Amerika-Bild gelegt, den deutschen Tiefsinn gegen amerikanische Oberflächlichkeit in Stellung gebracht. "Ein ganzes Heer ebenso arroganter wie ignoranter Intellektueller schuf ein Amerikabild, das wenig mit der Wirklichkeit, dafür umso mehr mit den eigenen Interessen zu tun hatte", schreibt der Rezensent. Werner Sombart etwa sah in Amerika "alles ist mit kapitalistischem Öl gesalbt". Dieses Denken war immer strategisch und damit frei von der Wirklichkeit, schließt Knipp: "Dass es bis heute kaum anders ist - eben das macht Kamphausens wunderbaren Text auch zu einer hochaktuellen Analyse der Gegenwart."
© Perlentaucher Medien GmbH
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