Eine scheinbar ganz gewöhnliche Familie: Vater, Mutter, zwei Söhne, zwei Töchter. Der Vater Damián ist Anwalt, sozial engagiert, verehrt Gandhi und verachtet Redensarten. Als Mann klarer Vorstellungen erzieht er seine Frau Laura und die Kinder Damián, Rosa, Martina und Aqui zu Disziplin und Sparsamkeit, Rücksichtnahme und lückenloser Offenheit.Die Konsequenz: Alle anderen versuchen auf je ihre Weise, sich der ungelüfteten Atmosphäre von Kontrolle und angespannter Stille zu entziehen. Sie proben stumm den Aufstand, suchen Auswege, entwickeln Geheimcodes oder unterlaufen die starren Regeln durch Übererfüllung.In doppelbödigen Szenen und aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt Sara Mesa davon, wie familiäre Beziehungen ein Leben lang prägen. Ein hypnotischer Roman über ernste Versteckspiele, die Lügen der Eltern, den sanften Terror des Gutgemeinten und die Scham, die bleibt: »Die Familie« werden wir nicht los.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
"Aus dem Archipel Familie gibt es kein Entkommen", liest Rezensent Yannic Walter bei Sara Mesa, die wiederum schon von Friedrich Engels weiß, dass sich in der Familie die patriarchale, autoritäre, bisweilen diktatorische Gesellschaft und ihre Umgangsformen im Kleinen spiegeln. Die Spanierin erzähle perspektivenreich von einer Familie mit insgesamt vier Kindern, der Vater sei Anwalt, sie leben in einer bescheidenen, aber ganz netten Wohnung. Doch sobald er nach Hause kommt, erklärt Walter, fordert Vater Damián Gehorsam und Unterwerfung: Geheimnisse oder gar einen eigenen Schlüssel zur Wohnung zu haben, wird für die Kinder und insbesondere die beiden Töchter unvorstellbar - patriarchales Kontrollbedürfnis sind Dreh- und Angelpunkt von Damiáns Handeln. Mesa erzählt mit Vor- und Rückblicken, die nicht unbedingt wie ein klassischer Roman zusammengesetzt sind, sondern eher wie eine Kurzgeschichtensammlung, die im Mosaik-Modus ein sehr präzises "Röntgenbild einer Familie" entstehen lässt, schließt der angetane Kritiker.
© Perlentaucher Medien GmbH
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