Casanova ist eine schillernde Figur, die immer neue Überraschungen bereithält. Seine letzte Lebensphase, so will es das Klischee, verbrachte er vereinsamt und isoliert als Bibliothekar, weitab vom Geschehen im böhmischen Schloss Dux.Lothar Müller zeichnet in seinem brillanten Buch ein völlig anderes Bild Casanovas. Er zeigt einen hochvernetzten Zeitgenossen, der alle Umbrüche in Europa verfolgt und kommentiert, von der russischen Annexion der Krim bis zur endgültigen Aufteilung Polens, vom Sturm auf die Bastille bis zum Untergang der Republik Venedig.Der so gebildete wie informierte Intellektuelle liest regelmäßig Zeitung und ist über zahlreiche Korrespondenten mit ganz Europa verbunden. Und er ist ständiger Gast in den Neuigkeiten-Börsen, etwa dem hoch im Kurs stehenden Bad Teplitz. Vor allem aber unternimmt er selbst viele und lange Reisen, so die in diesem Buch erstmals ausführlich beleuchtete Reise in die preußische Hauptstadt und von dort nach Russland und Polen. Der Text wird ergänzt von einer bisher noch nie ins Deutsche übersetzten Schrift Casanovas sowie Bild- und Kartenmaterial und einer Zeitleiste.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Giacomo Casanova wird in diesem schönen Buch von Lothar Müller laut Rezensent Michael Opitz endlich einmal nicht primär als notorischer Frauenheld beschrieben, sondern als Autor, Bibliothekar und Erfinder. Der Kritiker blickt hier auch auf einen Helden, der sich in der Welt der Reichen gut zu verkaufen wusste und stets die Beschäftigung ausübte, die ihm am meisten nutzte: Unter anderem arbeitete er als Spitzel für die Inquisition und verdiente Geld mit einer selbstorganisierten Lotterie. Aber nicht nur Casanova, sondern auch dessen Epoche nimmt Müller kenntnisreich in den Blick, lobt Opitz. Dem elegant geschriebenen Buch, dem der Kritiker ein lebendiges Casanova-Bild verdankt, verzeiht auch gern die ein oder andere Länge.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH